Mittwoch, Februar 05, 2025
Alles außer Elfenbeinturm
Foto: iStock

Der Bau & Immobilien Report hat mit Gerald Goger vom Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement der TU Wien über aktuelle Forschungsprojekte gesprochen. Dabei kündigte er auch einen neuen Forschungsbereich, ein neues Zentrum für den internen und externen Wissenstransfer und ein Lean-Institut unter dem Dach des deutschen Lean Construction Instituts an.

Die rennen uns die Türe ein«, erzählt Gerald Goger vom Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement an der TU Wien lachend. »Die«, das sind die Studierenden, die das Angebot des Instituts dankend annehmen. Von diesem Interesse wird laut Goger auch die Bauwirtschaft profitieren. »Denn bei uns am Institut wird nicht im Elfenbeinturm gearbeitet. Wir kooperieren eng mit Unternehmen und Organisationen und haben zahlreiche praxisrelevante Projekte am Laufen.« Zu den namhaftesten Partnern zählen Bauunternehmen wie Strabag, Porr, Swietelsky und Habau, Planungsbüros wie FCP oder iC, aber auch öffentliche Auftraggeber wie ÖBB, Asfinag oder einzelne Bundesländer.

»Mit der Stadt Wien arbeiten wir an der digitalen Baueinreichung, in einem Bundesland stehen wir unmittelbar vor dem Start eines BIM-Pilotprojekts«, berichtet Goger. Und gemeinsam mit der Gewerkschaft Bau-Holz wird aktuell an einer Studie über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die gewerblichen Mitarbeiter auf Baustellen gearbeitet, die im Rahmen des internationalen Gewerkschaftstages in Genf präsentiert wird. In Sachen Wissenstransfer sieht Goger seine Abteilung »Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik« auf einem guten Weg.

Inhaltlich geht es in seinem Bereich vor allem um Analyse und Optimierung von Bauprozessen, um Grundlagen der Bauproduktion und der Bauverfahrenstechnik, der Analyse von Sonder- und Spezialbauverfahren und Identifizierung baustellenspezifischer Anforderungen an Baugeräte und Baumethoden. Zu den Forschungsschwerpunkten zählen die Arbeitsvorbereitung, die Einrichtung, die Organisation und die Baustellenlogistik von komplexen Baustellen des Hoch-, Tief- und Tunnelbaues. Ein aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Augmented Reality zur Abnahme und Qualitätssicherung auf Baustellen.

Bei einem anderen Projekt namens TAniA geht es um die technische Anlagenbewertung im betrieblichen Assetmanagement. Gleich mehrere Diplomarbeiten beschäftigen sich derzeit mit dem Zukunftsthema »Echtzeitdatenerfassung auf Baustellen«. »Langfristiges Ziel ist eine durchgängige Datenkette, um automatisch Soll-Prozesse mit Ist-Prozessen abgleichen zu können«, erklärt Goger. Für die Diplomanden geht es jetzt erstmals vor allem um die Analyse, welche Daten auf den Baustellen wie erhoben werden. Dabei zeigt sich, dass viele Daten noch händisch aufgenommen und später digitalisiert werden.

Neue Forschungsbereiche

Die Digitalisierung spielt am TU-Institut generell eine große Rolle. Für jede Menge Aufsehen in der Branche hat die im Dezember 2017 präsentierte Studie »Potenziale der Digitalisierung im Bauwesen« gesorgt, die Goger gemeinsam Harald Urban und Melanie Piskernik im Auftrag des BMVIT, der Wirtschaftskammer sowie der Bundesinnung Bau und dem Fachverband der Bauindustrie erstellt hat. Die daraus resultierende Roadmap enthält Handlungsempfehlungen an Politik und Wirtschaft bei der Digitalisierung der Wertschöpfungskette von Bauprojekten in den Phasen des Planens, Bauens und Betreibens.  

»Am 18. Oktober fand die konstituierende Sitzung des Arbeitskreises Lean Management statt. Ziel sind konkrete Empfehlungen, wie das Thema in Österreich umgesetzt werden kann«, sagt Gerald Goger. 

Die Digitalisierung wird nicht nur einen Einfluss auf die Planung des Bauwerks, sondern auch auf die Bauprozesse selbst haben, ist Goger überzeugt. »Es kommt zu einer aktiven und passiven Beeinflussung der Bauprozesse.« In Zukunft sollen moderne Managementansätze wie etwa Lean Management in baubetriebliche Prozesse integriert werden. Die Fragen nach dem »Wie« behandelt ab Jahresbeginn 2019 das neue »Zentrum Digitaler Bauprozess« in interdisziplinären Forschungsarbeiten mit den unterschiedlichen Instituten innerhalb und außerhalb der Fakultät für Bauingenieurwesen sowie Industriepartnern. Zudem soll das Zentrum auch als Brückenkopf für die Zusammenarbeit mit der Bau- sowie Softwareindustrie dienen.
Ebenfalls um das Thema Bauprozessplanung geht es im neuen Forschungsbereich »Integrale Bauplanung und Industriebau«, der in Kürze am Institut eingerichtet werden soll.

Arbeitskreis Lean Management

Das Thema Lean Management ist laut Goger in der heimischen Bauwirtschaft angekommen und stößt bei den Unternehmen auf großes Interesse. Deshalb fand am 18. Oktober die mit Auftraggebern, Planungsbüros und Auftragnehmern besetzte konstituierende Sitzung des »Arbeitskreises Lean Management« in der Österreichischen Bautechnikvereinigung ÖBV statt. »Ziel des Arbeitskreises ist es, Empfehlungen zu erarbeiten, wie das Thema Lean Management in Österreich umgesetzt werden kann«, erklärt Goger. Das wird formal unter dem Dach des German Lean Construction Instituts passieren. In Österreich soll eine Regionalgruppe gegründet werden, die dann auf Augenhöhe mit der deutschen Organisation kooperiert.

Vertrauen in die Wissenschaft

An die Wirtschaft richtet Goger den abschließenden Appell, noch enger zu kooperieren und mehr Vertrauen in die Wissenschaft zu setzen. »Es wäre schön, wenn die Wirtschaft Geld in die Hand nimmt und mit uns einen Rahmenplan mit Forschungsfeldern definiert, die wir gemeinsam bearbeiten wollen.« Als Vorbild sollte sich die Branche die IT- oder Automobilindustrie nehmen, die viel Geld in Universitäten stecken, um Neues zu entwickeln. »Das wäre eine Win-win-Situation für alle. Die Studierenden werden perfekt ausgebildet, die Unternehmen erhalten abgesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse und die Universitäten erfüllen ihre Forschungsaufgabe«, so Goger. 

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