Samstag, Dezember 21, 2024
Holz und der mehr-geschoßige Wohnbau

Holzbauten punkten nicht nur mit laufend neuen Höhenrekorden, Holz gewinnt auch als nachhaltig universeller Baustoff ständig an Bedeutung. Bei der Akzeptanz im mehrgeschoßigen Gebäudebau gibt es aber noch Luft nach oben.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht von einem neuen Höhen-Weltrekord bei Holz-Hochhäusern berichtet wird. Der Oakwood Tower in London soll 300 Meter aufweisen, 350 Meter gar der Wohnturm W350 in Tokio. »Aus Sicht der Branche sind Leuchttürme wie auch das HoHo in Wien wichtig«, betont Georg Binder, Geschäftsführer von pro:Holz. Gefragt ist aber die Akzeptanz in der Breite.

»Es gibt noch immer viele Bauherren, die dem mehrgeschoßigen Holzbau bezüglich Kostensicherheit und technischer Machbarkeit skeptisch gegenüberstehen.« Diese gelte es argumentativ von den Vorteilen des Holzbaus zu überzeugen sowie durch Information Barrieren abzubauen. Neben der Tragfähigkeit steht die Gebrauchstauglichkeit konstruktiver Lösungen im Holzbau im Fokus. Ein wesentlicher Faktor ist dabei das Schwingungsverhalten von Holzdecken. Roman Fritz, Geschäftsführer Vertrieb und Technik bei Rubner Holzbau: »Durch das Aufbringen einer Betonschicht und das schubfeste Verbinden der Betonschicht mit der Holzkonstruktion zu einem Verbundtragwerk kann die Steifigkeit der Deckenkonstruktion maßgeblich erhöht werden.« Eine auf diese Weise ertüchtigte Decke gewährleiste auch bei größeren Spannweiten die Gebrauchstauglichkeit. Auch beim Trittschallproblem hilft die Holz-Beton-Verbundweise. Der höchstzulässige Trittschallpegel bei Wohnungstrenndecken erreicht 48 dB, das Limit beim Schallpegel beträgt 55 dB.

Systembaustoff Holz

Die Zukunft im großvolumigen Bauen mit Holz liegt in industriell gefertigten mehrfach anwendbaren Systemen aus vorgefertigten Gesamtkomponenten, die Tragfunktion, Raumabschluss und Bauphysik erfüllen. Binder: »Insbesondere für das Bauen im städtischen Ballungsräumen ist dies eine Anforderung, da aufgrund beengter Platzverhältnisse kurze Bauzeiten, wenig LKW-Fahrten, Lärm etc. von wesentlicher Bedeutung sind.« Die modulare Holzbauweise bietet bereits eine sehr weit entwickelte Systembauweise. Für Rubner Holzbau bilden dabei Vier- bis Fünfgeschoßer den richtigen Objektmarkt. Holz-Bauvorhaben sind zwischen 1998 und 2013 um 25 Prozent gewachsen. Der Holzbauanteil insgesamt erreichte 22 Prozent. Die Zahlen sind aus 2013, die nächste Erhebung findet 2019 statt, publiziert werden die Daten aber erst 2020. »Beim mehrgeschoßigen Wohnbau liegen wir gefühlt bei fünf bis sechs Prozent Holzanteil“, schätzt Binder. Holzart Nummer eins ist dabei Fichte. Material gibt es genug, jährlich wachsen rund 30 Mio. m³ Holz nach, 26 Mio. m³ werden verbaut.

Machbarkeit Holzbau

Während Holz bis ins 19. Jahrhundert das vorherrschende Baumaterial war, kamen mit der Industrialisierung neue Infrastrukturen, Dienstleistungen und Gebäudetypen auf, für die alternative Konstruktionsweisen entwickelt werden mussten. Holz mit seinen scheinbar nicht vorhersagbaren chemischen und physikalischen Eigenschaften galt zu jener Zeit als ungeeignet, weshalb es in den letzten zwei Jahrhunderten zu einer Dominanz von Eisen, Stahl und Stahlbeton kam. Materialien und Bauverfahren wurden durch zielgerichtete wissenschaftliche Forschungsarbeit perfektioniert.

»Heute ermöglicht die Entwicklung neuer Holzwerkstoffe und neuer Holzbautechnologien zusammen mit Änderungen der Bauvorschriften eine Rückkehr von Holz in die Stadt und die Verbreitung von mehrgeschoßigen Holzbauten«, zeigt sich Roman Fritz zuversichtlich. Allerdings seien Normen und Regelwerke für Holzbauten im Vergleich zu Stahl- und Betonbauten noch etwas zu unausgewogen und einheitliche Standards fehlen. »Teils sind maximale Gebäudehöhen durch lokale Baurichtlinien beschränkt, teils sind keine Höhenbegrenzung bei Einhaltung bestimmter Sicherheitsstandards vorgeschrieben«, stellt er fest.

Holz in der Stadt

Bis 2050 werden voraussichtlich 70 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten leben. Damit muss sich eine nachhaltige Stadtentwicklung auf den Einsatz erneuerbarer Energien und Ressourcen, die Verminderung von Emissionen und die Schaffung gesunder Umgebung zum Wohnen und Arbeiten konzentrieren. »Bauen mit Holz gibt die Antwort auf diese aktuellen und zukünftigen baupolitischen Anforderungen«, so der Ingenieurholzbauexperte von Rubner Holzbau und verweist auf die Stoßrichtung Wohnungshochbau des Unternehmens, das jährlich etwa 300.000 m2 Dach-, Wand- und Fassadenelemente sowie rund 85.000 m3 Sonderbauteile aus Brettschichtholz fertigt.

Man muss die Machbarkeit im mehrgeschoßigen Holzbau sowie das städtebauliche und architektonische Potenzial, im Neubau wie auch bei energetischen Sanierungen, Fassadengestaltungen, Aufstockungen und bei der urbanen Nachverdichtung nachweisen. Anbauten und Lückenschließungen werden durch die Schnelligkeit der Montage und des Zusammenbaus der Holzkomponenten erleichtert sowie gleichzeitig die Lärmbelästigung reduziert. Moderne Computertechnik, von der statisch konstruktiven Planung bis zur Fertigung, garantiere laut Michael Bauer, Geschäftsführer der Graf-Holztechnik, ein Höchstmaß an Sicherheit, Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit und schafft den kreativen Freiraum für die Verwirklichung von außergewöhnlichen Ideen.

Beachtliches Potenzial

»Wir sehen in allen Bereichen des Holzbaus gute Wachstumschancen, wesentlich ist dabei unstrittig der Dachgeschoßausbau«, zeigt sich Michael Bauer optimistisch und hebt den Vorteil der trockenen Vorfertigung hervor. Holzwerkstoffhersteller Egger nennt dezidiert das serielle Bauen. Aktuell scheitere die Umsetzung beim Holzbau generell noch zu oft an geltenden Regularien und unterschiedlichen Bauordnungen. Damit der Holzbau alle seine Vorteile ausspielen kann, ist ein Umdenken in den Bauprozessen notwendig.

Das geht nicht von heute auf morgen, betont pro:Holz. Michael Bauer: »Eine große Hürde sind fertige Oberflächen im Rohbauzustand des Gebäudes. Wenn wir mit unseren Fertigteilen auf die Baustelle kommen, teilweise mit sichtbaren Decken-Untersichten, ist es eine große Herausforderung, die fertigen Oberflächen vor Nachgewerken zu schützen.« Für den Holzbau der Zukunft ist es daher wichtig, die Holzbaukompetenz der Ausführung möglich früh in den Planungsprozess zu implementieren. Denn: Holz ist nicht gleich Beton. »Die Gebäudetechnik kann nicht 1:1 übernommen werden, sondern muss auf Holzbau abgestimmt sein«, zeigt Egger nochmals auf. Die technische Gebäudeausrüstung, konkret die Versorgung des Gebäudes mit Strom, Gas und Wasser, unterliegt im Holzbau anderen Anforderungen als im Beton- oder Ziegelmassivbau. Neben Holz braucht es auch eine eigene Planung von Hybrid- und Mischsystemen von Holz mit Beton oder Stahl.

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