Sonntag, Dezember 22, 2024
Der Tesla der Bauwirtschaft

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Matthias Tauber, Partner und Managing Director beim Unternehmensberater Boston Consulting Group, über die Erkenntnisse aus mehreren Studien zur »Zukunft der Bauwirtschaft« und erklärt, wie die notwendigen Reaktionen für Bauunternehmen, Baustoffhersteller und Fachhandel aussehen müssen. Außerdem verrät er, warum er in einem amerikanischen Start-up den »Tesla der Bauwirtschaft« erkennt und warum dieses Unternehmen Vorbildwirkung haben sollte.

Report: Die Boston Consulting Group hat sich in mehreren Studien intensiv mit dem Thema »Digitalisierung in der Bauwirtschaft« beschäftigt. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Erkenntnisse und wichtigsten Trends?

Matthias Tauber: Da gibt es einiges. Ganz wesentlich ist aus meiner Sicht der Trend zur Integration der Wertschöpfungsketten. Getrieben durch das Thema BIM, wo es einen einheitlichen Informationsaustausch und eine einheitliche Datenplattform für die gesamte Wertschöpfungskette gibt.

Ein unmittelbar damit zusammenhängender zweiter Trend ist, dass es immer mehr Unternehmen gibt, die das alles selber machen oder machen wollen. Darunter sind einige Start-ups, das bekannteste Beispiel ist zweifellos das kalifornische Unternehmen Katerra, das aktuell mit rund drei Milliarden Euro bewertet wird.

Report: Was genau zeichnet Katerra aus?

Tauber: Im Prinzip produziert Katerra in der Fabrik Häuser aus Holz, darunter auch Mehrfamilienhäuser und Bürogebäude. Am Beginn steht ein sehr hoher Vorfertigungsgrad, dann transportieren sie die Einzelteile auf die Baustelle und errichten das Gebäude auch selbst. Damit hat Katerra sämtliche Schritte der Wertschöpfungskette integriert. Die machen quasi BIM inhouse und beseitigen damit zahlreiche Ineffizienzen, denen klassische Bauunternehmen mit ihren Subunternehmerketten oftmals ausgesetzt sind. Aus meiner Sicht ist Katerra der Tesla für die Bauwirtschaft. Noch ist Katerra rein auf die USA fokussiert, man sieht sich aber bereits nach Partnerschaften in Europa um.

Report: Kann Katerra all diese Schritte wirklich besser abwickeln als klassische Subunternehmen oder Projektpartner, die auf den jeweiligen Schritt spezialisiert sind?

Tauber: Das ist eine gute Frage. Aber selbst wenn Katerra im Einzelschritt nicht so perfekt ist wie der absolute Spezialist, ist es gut genug. Denn dadurch, dass die einzelnen Schritte dann perfekt ineinandergreifen und man keine Reibungsverluste hat, ist man in Summe deutlich effizienter. Natürlich sind die Häuser von Katerra weit entfernt von einem Architektenhaus, sie sind aber schon deutlich mehr als viele sich ähnelnde Fertighäuser.

Report: Sehen Sie auch in Europa große Bauunternehmen, die ähnliche Schritte planen und immer mehr Teile der Wertschöpfungskette integrieren?

Tauber: Das ist etwas, das zurzeit von vielen Unternehmen analysiert und genau beobachtet wird. Natürlich gehen viele Fertighaushersteller in diese Richtung, aber auch viele Baustoffhersteller beschäftigen sich intensiv mit Themen wie  modulares Bauen und Vorfertigung. Und natürlich versuchen teilweise auch Bauunternehmen, den Grad der Vorfertigung zu erhöhen und zusätzliche Gewerke zu integrieren. Interessant ist, dass die Bauunternehmen von den drei genannten Branchen am zurückhaltendsten sind.     

Report: Welche weiteren Trends sehen Sie?

Tauber: Es ist deutlich erkennbar, dass viele Unternehmen eine frühere Ansprache des Endkunden suchen. Das passiert nicht selten über digitale Plattformen wie etwa Pinterest oder andere Social-Media-Kanäle. Eine Weiterentwicklung davon ist vor allem in Osteuropa zu beobachten. In Polen gibt es eine Plattform, die sämtliche Bauaktivitäten für Endkonsumenten koordiniert. Dabei werden die Kunden mit Planern und Bauunternehmen zusammengeführt und über den gesamten Bauprozess hinweg begleitet. Es gibt auch ähnliche Überlegungen im deutschsprachigen Raum, aber man muss da klar festhalten, dass uns Osteuropa bei diesem Thema voraus ist.

Ein weiterer Trend betrifft den Fachhandel. Da sehen wir, dass sich viel ins Netz verlagert. Mit Amazon Business gibt es ja auch einen mächtigen Player, der in immer weitere Produktbereiche vordringt. Da wird es in den nächsten Jahren signifikante Veränderungen geben. Salopp gesagt, wird alles, was in eine Box passt, in absehbarer Zeit vom Handwerker oder Bauunternehmer auf diesem Weg gekauft werden.

Report: Sie haben vier Trends angesprochen, die weitreichende Folgen haben werden. Sind die Unternehmen aus Ihrer Sicht darauf vorbereitet?

Tauber: Das ist sehr unterschiedlich. Aus meiner Sicht setzt sich ein großer Teil der Unternehmen durchaus aktiv mit diesen Themen auseinander, nur die allerwenigsten Unternehmen stecken den Kopf in den Sand in der Hoffnung, dass die Veränderungen schon nicht so schlimm werden.

Aber auch wenn es das Bewusstsein für diese Themen gibt, was oftmals fehlt, ist das Wissen, wie man diesen Veränderungen erfolgreich begegnet. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen.

Report: Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf? Diese Veränderungen erfordern zum Teil ja auch völlig neue Geschäftsmodelle.

Tauber: Absolut. Was den konkreten Handlungsbedarf betrifft, muss man unterscheiden zwischen Bauunternehmen, den Baustoffherstellern und dem Baustoffhandel. Für die Hersteller wird sich die Art, wie man Produkte verkauft, massiv verändern. Für das Bauunternehmen ändert sich die Art des Bauens und auf den Fachhandel kommt mit Playern wie Amazon Business ein ganz neuer Wettbewerber zu.

Allen gemeinsam ist, dass sich die Grundeinstellung vieler Unternehmen ändern muss und man Digitalisierung als Teil des eigenen Kerngeschäfts begreift. Denn Digitalisierung verändert alles, sämtliche Abläufe im Unternehmen, von der Produktion bis zum Vertrieb.

Report: Was wären aus Ihrer Sicht die notwendigen Reaktionen in den einzelnen Bereichen?

Tauber: Für den Baustoffhandel ist es wichtig, im Bereich Customer-Relationship-Management State-of-the-Art-Lösungen im Einsatz zu haben. Eine weitere Reaktion wäre, den klassischen Außendienstmitarbeiter mit digitalen Werkzeugen auszustatten, um ihn effektiver und produktiver zu machen. Und schließlich muss man noch viel aktiver auf den Kunden zugehen.

Für Bauunternehmen wäre es auf jeden Fall wichtig, den Grad der Softwarenutzung deutlich zu erhöhen und sowohl Zulieferer als auch Planer stärker zu integrieren. Da sind wir dann schnell beim Thema BIM. Ich würde aber niemandem raten, auf BIM als Allheilmittel zu warten. Vielmehr müssen Unternehmen BIM-Lösungen entwickeln, um zukunftsfit zu werden und zu verhindern, dass man links und rechts überholt wird.  

Report: Wie kann man sich gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner wie Amazon Business wehren?

Tauber: Das ist natürlich schwierig. Aber wenn man sieht, was im klassischen Retailbereich passiert, dann kann man nicht früh genug reagieren. Ich denke, dass die Lösung aus der intelligenten Kombination mehrerer Faktoren besteht. Da geht es auch um die Rückbesinnung auf klassische Stärken wie die Beratung am Point of Sale bei gleichzeitigem Aufbau eines eigenen E-Commerce-Kanals und eine enge Verzahnung dieser beider Welten.
Im Endeffekt geht es aber immer um dasselbe: Man muss einen Mehrwert für den Kunden schaffen.  

Report: Gibt es aus Ihrer Sicht im deutschsprachigen Raum Unternehmen, die diese digitale Transformation vorbildlich umsetzen?

Tauber: Die gibt es auf jeden Fall, vor allem im Bereich der Hersteller. Etwa das Unternehmen Xella, das seinen Außendienst sehr effektiv mit digitalen Werkzeugen ausgestattet hat und auch den Kunden digitale Lösungen bietet. Ein weiteres Beispiel ist Bramac, die ein wirklich gutes Onlinetool für die Dach-Renovierung auf den Markt gebracht haben.

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