Der Anteil erneuerbarer Energie im heimischen Stromnetz wächst und muss stets abrufbar sein. Damit steigt der Speicherbedarf, Gebäude mutieren zum thermischen Speicher, die Steuerung übernimmt die Gebäudetechnik.
Gebäudetechnik hat mittlerweile nahezu den gleichen Stellenwert wie der Bau selbst«, stellt Baumeisterin Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von Baukultur, fest. Klassiker sind Elektrizität, Heizung, Energiemanagement sowie Sicherheit mit BUS-Systemen, die via Tablet gesteuert werden können. »Die neue Generation der Baumeister und Bauherren ist mit dieser Technik aufgewachsen, während wir erst während des Berufslebens damit vertraut wurden.«
Energie & Gebäude
Der Anteil erneuerbarer volatiler Energie im heimischen Stromnetz steigt ständig. Die Folge: »Entweder wir bauen großvolumige Energiespeicher, die allerdings wirtschaftlich kaum umsetzbar sind, oder wir verwenden intelligent vernetzte Gebäude als thermische Speicher«, betont Christian Heschl, Studiengangsleiter Gebäudetechnik und Gebäudemanagement an der FH Burgenland. Eine intelligente und effiziente Vernetzung sowie besseres Monitoring sind laut Bernhard Tillmanns, Leiter der Abteilung Building Technologies bei Phoenix Contact, heute noch nicht Standard. Er fordert deshalb moderne Kommunikationsmittel in wohnungswirtschaftlichen Liegenschaften. Die digitale Gebäudetechnik hilft dann bei der Vermarktung von Stromflexibilitäten, erleichtert die Teilnahme am Regelenergiemarkt und bietet eine sichere Abrechnung über neue Technologien wie Blockchains. Moderne Gebäudetechnik beeinflusst auch den Sicherheitsfaktor im Gebäude. Fast jeder Haushalt hat bereits einen Breitband-Internetanschluss.
»Schnittstellen zum Smart Home sind gegeben, die gewonnenen Daten können in und außer Haus verarbeitet werden, es gibt eine Zeitersparnis beim Übertragen von Ereignissen«, so Jürgen Leimer, technischer Leiter bei Bosch. Alarmanlagen können mehrschichtig auch als Warnmodul bei Brand und Gas eingesetzt werden. Die IP-basierte Videoüberwachung von Bosch etwa integriert unterschiedliche Sicherheitssysteme in eine zentrale Videoüberwachungslösung. »Der Überwachung sind aber Grenzen gesetzt«, gibt Winfried Kallinger von Kallco zu bedenken. Man könne zwar den Zugang mit Gesichtserkennung regeln. Es gebe aber kaum Möglichkeiten, etwa bei der Ausfahrt eines KFZ das Eindringen in die Tiefgarage zu verhindern.
Weit voraus
Die Digitalisierung ermöglicht eine intelligente Vernetzung der dezentralen Energieversorgungseinheiten und ist ein wesentliches Instrument für die Realisierung einer kosteneffizienten Energiewende. Für Christian Heschl hat somit die Digitalisierung auch im sozialen mehrgeschoßigen Wohnbau ihre Existenzberechtigung. Michael Herbek, Abteilungsleiter Projektentwicklung Österreich bei der Buwog: »Wir wägen ab, welche technischen Neuerungen tatsächlich einen Mehrwert für unsere Kunden bieten und auch im Hinblick auf die Lebenszykluskosten des Objekts sinnvoll sind.«
Als Beispiel nennt er automatische Komfort-Wohnungslüftungsanlagen mit deutlichen Vorteilen aus ökologischer und hygienischer Sicht. Innovationen, die sich in der Automobilbranche bereits durchgesetzt haben, überträgt die Buwog auf Immobilien. Derzeit laufen Tests für schlüsselloses Sperren von Türen. Für Winfried Kallinger ist im reinen Wohnungswesen noch wenig von Digitalisierung zu merken, auch wenn die Industrie mittels Smart Homes alles technisieren möchte. Vor Jahren hat Kallco etwa das elektronische schwarze Brett eingeführt, das allerdings kaum benutzt wurde – das Handy war für die Bewohner effizienter. Kallinger: »Das Haus sollte mit möglichst wenig Technik belastet werden, z.B. ohne komplizierte Regelungs- und Lüftungsanlagen.«
Die Kosten der Wartung kompensieren oft die Energieeinsparung. Dadurch ist die Sinnhaftigkeit der Ehe Energie/Technik nicht erkennbar. Bei Kallco lautet das Konzept Erdwärme, für Kühlung und Fußbodenheizung. Das ist heute noch nicht State of the Art in der Branche, aber sollte die Zukunft sein. »Während im Bürosegment moderne technische Ausstattung ein wichtiges Erfolgskriterium darstellt, erleben wir als Wohnbauunternehmen, dass unsere Kunden und Mieter zu viel Technik in ihren eigenen vier Wänden eher skeptisch sehen«, berichtet Michael Herbek aus der Praxis. Die bereits bestehenden technischen Möglichkeiten sind dem, was sich Wohnungskäufer und -mieter tatsächlich wünschen, weit voraus. CA Immo-Wohnbauexperte Dragan Andric sieht für das digitale Schwarze Brett dagegen steigende Akzeptanz, denn damit könnten Räume verwaltet, Funktionsstörungen aufgezeigt und Informationen zwischen Hausverwaltung und Bewohnern getauscht werden.
Erhaltung oder Verbesserung
Geprägt durch Smart Building, Big Data und Industrie 4.0 bildet die Digitalisierung den Trend in der Gebäudetechnik. Beim Bestand stößt die Nachrüstung laut Winfried Kallinger jedoch auf Probleme. »Die Frage ist immer, was ist Erhaltung und was ist Verbesserung. Wenn man elektronische Systeme nachrüstet, wird man das aus dem Hauptmietzins decken müssen. Das ist nicht auf den Mieter überwälzbar.« Es ist immer die Frage der Bereitschaft des Vermieters, inwieweit er sein Haus an neue Markterfordernisse heranführt. Bei Dachgeschoßausbauten im hochpreisigen Segment wird das eher der Fall sein als bei der mietzinsgebundenen Kategorie oder bei Richtwertmietzinswohnungen. Kallinger: »Ich halte das für eine Lücke in der Gesetzgebung.«
Abstimmung ist gefordert
Alle Wohnbauexperten sind sich einig: Sicherheits- und Gebäudetechnik wachsen zusammen. Es braucht die Abstimmung der Gewerke, denn z.B. Sensoren werden vielschichtig genutzt, als Kontakte an Fenstern für Alarm- und gleichzeitig Klimaanlage. »Wir erleben immer wieder, dass Haustechnik in ein Projekt hineingezwängt wird oder eine Umplanung erforderlich ist, weil die Komponenten nicht aufeinander abgestimmt sind«, betont Renate Scheidenberger. Die gesamte Gebäudetechnik kann nicht integriert werden, wenn die Statik das nicht unterstützt. Dragan Andric weist darauf hin, dass bereits in der Entwicklungs- und Planungsphase großes Augenmerk auf Schächte oder Technikräume zu legen ist, um eine bestmögliche Versorgung zum sofortigen oder späteren Nachbau von z.B. Nutzwasser und Kühlmöglichkeiten zu gewährleisten.