Freitag, Juli 05, 2024
Eine Branche atmet auf
Foto: Thinkstock

Jahrelang war die Dämmstoffbranche in einer Negativspirale gefangen. Rückläufige Volumina sorgten für einen brutalen Preiskampf, die Branche büßte in nur vier Jahren fast ein Fünftel ihres Umsatzes ein. 2017 folgte die lang ersehnte Trendwende, die Umsatzkurve zeigte endlich wieder nach oben. Mit der geringen Sanierungstätigkeit, steigenden Rohstoffpreisen und einem akuten Facharbeitermangel steht die Branche aber weiter vor großen Herausforderungen.

In den letzten Jahren hatten die heimische Dämmstoffindustrie nicht viel zu lachen. Von 2012 bis 2016 sanken die Umsatzerlöse von stolzen 330,1 Millionen auf 268,4 Millionen Euro. Das entspricht einem Rückgang von 18,7 % in nur vier Jahren. Hauptschuld an der Misere war laut Branchenvertretern die stetig steigende Sanierungsmüdigkeit in Österreich. Tatsächlich ist man von der in der österreichischen Klimastrategie als Ziel formulierten Sanierungsrate von 3 % meilenweit entfernt. Bei thermischen Fassadensanierungen liegt die Sanierungsrate bei 1,6 %, bei umfassenden Sanierungen dümpelt sie sogar bei 0,6 % herum.

Wer oder was für diese Entwicklung jetzt im Detail verantwortlich ist, darüber scheiden sich die Geister. Für die Nachhaltigkeitsinitiative Umwelt+Bauen sind es vor allem politische Fehler, die den Niedergang begünstigt haben – von der Kürzung des Sanierungsschecks von ursprünglich 100 Millionen Euro auf 40 Millionen bis zur Reduzierung der Energieeffizienzstandards im Rahmen der neuen Wohnbauförderung auf das Niveau der Bautechnikverordnung. Auch Clemens Demacsek, Geschäftsführer der GDI Gebäudehülle+Dämmstoff Industrie 2050, sieht vor allem die Politik in der Pflicht und hofft auf frische Impulse durch die neue Regierung.

Das Regierungsprogramm gäbe mit dem Bekenntnis zu »Klimaschutz« und der »weiteren Förderung der Wärmedämmung und thermischen Sanierung« auf jeden Fall Anlass zu leiser Hoffnung (siehe auch Seite 24). »Das Beste wäre eine steuerliche Abschreibung für Sanierungen wie bei unseren Südtiroler Nachbarn«, erklärt Demacsek. Gerald Prinzhorn, Geschäftsführer Austrotherm, schlägt in dieselbe Kerbe und sieht in Sachen Sanierung und Klimaschutz das Südtiroler Modell ebenfalls als best practice: »Wir brauchen einfachere Gesetze, um die Klimaziele zu erreichen.« Denn der Sanierungsmarkt hätte in den letzten Jahren stark unter den umständlichen Rahmenbedingungen gelitten.

Für Marktforscher Andreas Kreutzer resultiert die Schwäche des Sanierungsmarktes zum einen aus den niedrigen Energiepreisen, da dadurch der Handlungsdruck reduziert wurde, eine energetische Gebäudesanierung überhaupt in Angriff zu nehmen. Zum anderen hemmte aber auch der Facharbeitermangel eine Ausweitung der Nachfrage. Tatsächlich standen noch im Oktober 2017 zehn Bau-Berufsgruppen auf der Mangelberufslis­te, darunter alle Gewerke des Dachbaus (Zimmerer, Dachdecker, Schwarzdecker und Spengler), zudem Elektroinstallateure, Schlosser oder Fliesen- und Bodenleger. »Da die verfügbaren Personalressourcen in den ausführenden Unternehmen im Neubau gebunden waren, zusätzliche Kapazitäten aber kaum geschaffen werden können, wurden Sanierungsaufträge vielerorts nicht angenommen oder aber die Angebote mit Überstundentarifen kalkuliert«, erklärt Kreutzer. Vor den dann hohen Kosten schreckten dann viele eigentlich »Sanierungswillige« zurück.

Umsatz-Trendwende

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Der anhaltende Neubauboom hat dafür gesorgt, dass der Dämmstoffmarkt im abgelaufenen Jahr endlich wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich geben konnte. Bei den Dämmstoffen haben die Herstellererlöse laut Branchenradar um 4,8 % auf 280 Millionen zugelegt. Und selbst der arg gebeutelte Markt für Wärmedämmverbundsysteme konnte 2017 die Abschwungphase überwinden und um 3,1 % wachsen.

Die positive Entwicklung wird auch von den Herstellern bestätigt. Sowohl Rockwool, Steinbacher, Austrotherm, Capatect und Isover als auch Baumit oder Sto, alle berichten von steigenden Absatzmengen und Umsätzen. Im Ertrag spiegeln sich die höheren Erlöse aber noch nicht wider. Der teils ruinöse Preiskampf der letzten Jahre hat tiefe Spuren hinterlassen. Und sind die Preise erstmals im Keller, lässt sich das nur sehr schwer ändern. Es gelingt der Branche nicht einmal, steigende Rohstoffpreise bei Styrol, dem Ausgangsmaterial für EPS und XPS, vernünftig einzupreisen. Kostete im Jahre 2012 weißes EPS noch etwas mehr als 50 Euro je m³, so konnten 2017 trotz einer Erhöhung des Rohstoffpreises in diesem Zeitraum von rund 15 % nur mehr deutlich unter 40 Euro erzielt werden.

»War es in den letzten Jahren der verschärfte Wettbewerb in einem schrumpfenden Markt, der diesen Umstand mehr oder weniger rechtfertigte, sollte es mit den angekündigten Prognosen von allen Playern am Markt möglich sein, dieses Delta zu kompensieren«, sagt Capatect-Verkaufsleiter Wolfgang Folie. Auch Steinbacher-Geschäftsführer Roland Hebbel glaubt, dass der Turnaround möglich ist. »Vorausgesetzt, die Marktteilnehmer unterstützen sich gegenseitig und handeln fair und ehrlich. Ich kann mich da nur wiederholen: Wir müssen alle zusammenhalten und uns jeweils wieder auf unsere Stärken besinnen.« Sich gegenseitig die Butter vom Brot zu holen, sei nicht zielführend. Jedes Unternehmen sollte seine Zielgruppen kennen und seine Vertriebsstrategie daran ausrichten.

»Dazu gehört dann auch, dass man mal nein sagt und beim allgemeinen Preisdumping nicht mitmacht. Nicht jedes Produkt kann über den Preis verkauft werden. Sonst verliert der Konsument irgendwann die Wertschätzung für Qualität«, glaubt Hebbel. Neben dem Sinn für Qualität droht allerdings auch die Glaubwürdigkeit der Branche verloren zu gehen, wie Sto-Geschäftsführer Walter Wiedenbauer feststellt. »Es ist kontraproduktiv, wenn die gesamte Dämmstoffindustrie monatelang Preiserhöhungen ankün­digt und dann diese kurzerhand wieder zurücknimmt. Da wird jede neue Ankündigung unglaubwürdig.«

Neue Hürden

Die Preis- und Margensituation macht der Branche unbestritten zu schaffen. Fragt man die Branchenvertreter aber nach den aus ihrer Sicht aktuell größten Herausforderungen, bekommt man andere Punkte zu hören (siehe Kasten). Es sind vor allem der Facharbeitermangel und die Marktversorgung, die Sorgen bereiten. Manfred Wagner, Vertriebsleiter Rockwool, berichtet etwa bedingt durch die Rohstoffverknappung bei Schaumprodukten von einer verstärkten Nachfrage nach Steinwolle im letzten Jahr, speziell für Flachdach- und WDVS-Anwendungen. »Deshalb wurde Österreich ab der zweiten Jahreshälfte 2017 nicht mehr von allen Herstellern uneingeschränkt beliefert, was bei den verbleibenden Herstellern eine noch höhere Auslastung und damit verbunden auch deutlich verlängerte Lieferzeiten zur Folge hatte«, erklärt Wagner. Rockwool habe deshalb schon im zweiten Quartal hohe Lagerstände aufgebaut, um seinen Kunden Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Einen Teil zur Versorgungssicherheit mit Steinwolle beitragen wird demnächst auch Isobasalt. Mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme eines Steinwolldämmstoffwerkes in der Steiermark befindet man sich laut Franz Böhs, Direktor Marketing und Vertrieb, in »der Zielgeraden«. Der Startschuss soll noch im ersten Halbjahr erfolgen. Dann werden planmäßig rund 250.000 Kubikmeter Steinwolle-Dämmstoff pro Jahr in Großwilfersdorf produziert. Nach der Schließung des Isover-Werkes in Stockerau im November 2015 wird Isobasalt dann das einzige Mineralwolle-Werk Österreichs betreiben. Aber selbst bei Isover hat man die schwierige Phase nach der Werkstilllegung überwunden. »Die Herausforderung war, sowohl mit dem Sortiment als auch mit unseren Kunden das Niveau von früher wieder zu erreichen. Mit den beiden sehr erfolgreichen Innovationen Topdec Kellerdeckendämmung und Ultimate ist uns das gelungen«, erklärt Vertriebsdirektor Franz Hartmann. 

Blick in die Zukunft

Nach dem erfolgreichen Jahr 2017, fällt auch die Prognose für 2018 positiv aus. Marktforscher Andreas Kreutzer rechnet mit einem Umsatzplus von 4,6 % bei Dämmstoffen und 3,2 % bei Wärmedämm-Verbundsystemen. Ähnlich fällt die Einschätzung der Branchenvertreter aus. Gerald Prinzhorn und Wolfgang Folie rechnen mit »einem ähnlich erfolgreichen Jahr wie 2017«, auch Roland Hebbel und Manfred Wagner gehen von einem Wachstum aus. 

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