… vor dem Auto – so wurde beim 7. Herbstkongress der IG Lebenszyklus Bau das Verhalten der Bauwirtschaft im Angesicht der Digitalisierung beschrieben. Es gibt aber auch erfolgreiche Digitalisierungsbeispiele. Zukunft passiert bereits.
In der Schockstarre hat man alles das nicht, was man für die Zukunft braucht«, bezog sich Karl Friedl, Sprecher der IG Lebenszyklus Bau und Geschäftsführer von M.O.O.CON, auf die Reh-Situation. Man müsse alte Gewohnheiten loslassen, in Prozessen darf nicht hintereinander gearbeitet werden, Gräben zwischen Architekt und Ingenieur oder Errichter und Betreiber gilt es zu füllen. Auf dieses Miteinander verwiesen auch die anderen Redner am 7. Herbstkongress der IG Lebenszyklus Bau, so z.B. Christoph M. Achammer von ATP architekten ingenieure. »Wenn wir innerhalb des Entstehungsprozesses eines Gebäudes die Definitionsform fünf oder sechs Mal ändern, von virtuell über grafisch zu alphanumerisch und zurück, entsteht gewaltiges Verschwendungspotenzial. Gefordert ist ein Bekenntnis zum Gemeinsamen.« Achammer forderte jene auf, die dazu nicht bereit sind, BIM bleiben zu lassen. Es gäbe nur unnötig Kosten und Mühen, ohne eine bessere Qualität. Die Folge für Wolfgang Kradischnig, IG Lebenszyklus Bau. »Es geht an BIM kein Weg vorbei. Wir können uns von anderen Branchen etwas abschauen.« Widerstände von Mitarbeitern sind dabei laut Insite IT in Kauf zu nehmen. Bei Neuem sei das nichts Ungewöhnliches. Nach kurzer Zeit gäbe es gutes Feedback.
Zukunft passiert jetzt
Digitalisierung lebt – das war am Herbstkongress zu spüren, u.a. bei Stefanie Turber, die das lernende Licht ComfyLight präsentierte. »Diese digitale Sicherheitslösung in Form einer LED-Lampe schützt das Zuhause aktiv vor Einbrechern und bewahrt die Privatsphäre. Es erlernt das Bewegungsverhalten der Bewohner während ihrer Anwesenheit und simuliert es während ihrer Abwesenheit.« Domagoj Dolinsek präsentierte PlanRadar als Lösung für Baudokumentation und Qualitätssicherung während des ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes. Positives Feedback dazu gab es von Porr, wo seit fünf Jahren mit den digitalen Inventarnummern gearbeitet wird. Bestehende und neue Maschinen werden erfasst, wobei Betriebsanleitung bis zu Serviceanweisungen hinterlegt sind. »Die Effizienzsteigerung in Kommunikationswegen ist beachtlich. Wir sparen 180.000 Servicezettel pro Jahr«, so Gernot Wagner, Geschäftsführer der Porr Design & Engineering GmbH. hhpBerlin stellte mit safety next eine digitale Anwendung für den Brand- und Katastrophenschutz vor, die Datensilos aufbricht und Aktionen verknüpft.
Microsoft präsentierte sich beim Herbstkongress mit einem Praxisbeispiel als Treiber der Bau-Digitalisierung. Im Campus Redmond, Washington, erkennen die Gebäude, was innerhalb bzw. außerhalb passiert und reagieren darauf. Josef Stadlinger von Siemens Building Technologies brachte als Digitalisierungsbeispiel das Digital Service Center, an das bereits über 8.000 Gebäude vom Hotel bis zum Verwaltungsgebäude geschalten sind. Ein Baustellenlogistiksystem kam von Insite IT. »Das Material bildet einen Kernfaktor, daher stehen Lieferstatus, Termine, Baufortschritt und Schäden, erkennbar auf einen Blick, bei uns im Mittelpunkt«, so Geschäftsführer Thomas Roithmeier. Ebenfalls Thema beim Kongress waren Finanzen, denn die Qualität der finanziellen Bewertung von Projekten und Immobilien steigt durch digitale Lösungen. »Transaktionskosten reduzieren sich massiv, der Durchlauf einer Bewertung wird beschleunigt«, so Erich Thewanger von KPMG.
Technik und Recht
»Wir stehen vor neuen Fragen und brauchen innovative Lösungen«, hielt Stephan Heid von Heid Schiefer Rechtsanwälte fest und nahm u.a. auf die Datenschutzgrundverordnung Bezug, die Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt. Es gelte generell, ein neues Regelwerk aufzustellen. »Wir brauchen Regelungen für Urheber- und Nutzungsrechte, Klärung, wem z.B. die Daten gehören, wenn am Bauweg z.B. der Generalunternehmer wegfällt. Wie sieht es mit Haftungen aus?«, brachte Heid einige Punkte, die noch geklärt werden müssen. Er stellte aber auch fest, dass vom Gesetzgeber nur Rahmenbedingungen kommen. Verträge und Leistungsbilder, die den neuen Technologien gerecht werden, müssen selbst generiert werden.
Selbsttest Projektkultur
Im Rahmen des IG-Kongresses wurde auch der hohe Stellenwert der Projektkultur hervorgehoben. Dafür wurde ein Selbsttest entwickelt, mit dem Bauherren und Projektbeteiligte den Einfluss der gelebten Projektkultur auf den wirtschaftlichen Erfolg bei eigenen Projekten testen können. »Dieser Online-Selbsttest schafft die Möglichkeit, das eigene Projekt auf zentrale Erfolgskriterien zu testen«, erklärt Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer Delta, der das Projekt als Vorstandsmitglied der IG Lebenszyklus Bau vorantrieb.