Am 23. November wurden 92 Lehrlinge durch ein jahrhunderte altes Ritual ins Baugewerbe aufgenommen. Das „Aufdingen“ ist für den Lehrlingsnachwuchs der offizielle Startschuss zu einer Karriere, die in Österreich auf einem einzigartigen Ausbildungssystem fußt.
Zahlreiche Nachrichtenbeiträge der vergangenen Wochen zeichnen ein besorgniserregendes Bild vom Zustand des Bildungsniveaus heimischer Lehrlinge. Wer die Meldungen aufmerksam verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass die Lehrlinge der Bauwirtschaft in diesem Zusammenhang niemals genannt wurden. Das hat einen guten Grund: Ihre Ausbildung war und ist bis heute, selbst im internationalen Vergleich, hervorragend! Dass darüber hinaus sowohl ihre Einstellung als auch Motivation stimmen, ließen die jungen Maurer, Schalungsbauer und Tiefbauer von morgen bei der Aufdingfeier klar durchblicken.
Aufdingfeier 2017
Der heurige Festakt in der BAUAkademie Wien in Guntramsdorf spannte einen Bogen zwischen Tradition und Moderne. Während Breakdancer mit ihren Performances den Unterhaltungsrahmen der Feierlichkeiten bildeten, hielt man sich bei der Initiation der Lehrlinge an ein Zeremoniell, das bis zur Bauhüttenverordnung aus dem Jahre 1275 zurück reicht.
Eingangs folgte das versammelte Publikum einer spannenden Gesprächsrunde mit dem Landesinnungsmeister der Landesinnung Bau Wien, DI Dr. Rainer Pawlick und Bmstr. Ing. Josef Pein vom Fachverband der Bauindustrie. LIM Pawlick appellierte an die Jugendlichen: „Das Baugewerbe ist ein fundamentales Gewerbe, das immer Bestand haben wird. Da aber auch hier die Entwicklung immer rasanter wird, ist eine laufende Weiterbildung enorm wichtig. Hört nicht auf zu lernen und startet Eure Karierre jetzt!“ Dem pflichtete Bmstr. Pein zu: „Den Bauunternehmen ist Euer Können viel Wert, deshalb richten sie zusätzlich noch viele innerbetriebliche Ausbildungsstätten ein.“
Anschließend wurde den Festgästen die Erstausrüstung von Bauwerkzeugen, Arbeitskleidung und Unterrichtsmaterialien vorgestellt, die jedem Lehrling im Rahmen der zwischenbetrieblichen Ausbildung beim ersten Besuch des Lehrbauhof Ost von der Landesinnung BAU Wien zur Verfügung gestellt wird.
Der rituelle Höhepunkt der Feier folgte gleich darauf. Unter den Augen je eines Lehrlings und eines Baumeisters in traditionellem Kostüm und mit Fahne nahmen DI Dr. Pawlick und Bmstr. Ing. Pein die Aufdingung an zwei Lehrlingen, die stellvertretend für alle Jugendlichen dieses Jahrganges standen, mittels Handschlag vor. Die Namen aller aufgedungenen Lehrlinge wurden daraufhin hinter einem Ziegelstein mit der Jahreszahl 2017 eingemauert. Die völlig neu gestaltete Aula der BAUAkademie Wien stellte dafür den idealen Ort dar. Wie die Schriftrolle stellt auch der Ziegel ein dauerhaftes Bekenntnis der Verbundenheit zwischen den Auszubildenden, den Lehrenden und der Zunft dar. Wie ernst dieses Bekenntnis auch von den Jugendlichen genommen wird, deutete einer der Jung-Maurer an: „ Ich bin von den Karrieremöglichkeiten, die mir geboten werden begeistert und finde auch die verschiedenen Herausforderungen am Bau sehr spannend.“ Beeindruckt von der Reife der Lehrlingsanwärter zeigte sich auch der Bürgermeister von Guntramsdorf, Herr Robert Weber Msc, der als hochrangiger Vertreter der Politik den Nachwuchskräften seine Wertschätzung ausdrückte: „Handwerk hat nicht nur goldenen Boden, sondern ist eine Notwendigkeit für die zukünftige Entwicklung unserer Wirtschaft. Die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit, die diese jungen Leute heute gegenüber ihrer Berufswahl und Ausbildung gezeigt haben, stimmt mich sehr zuversichtlich.“ Fortan werden die neu aufgedungenen Lehrlinge als Maurer, Schalungsbauer, sowie Tiefbauer in dem für Österreich typischen trialen System ausgebildet.
Neben den Feierlichkeiten rund um die frisch Aufgedungenen gab es noch einige Neuigkeiten über die BAUAkademie Wien zu berichten. Der Leiter Ausbildungseinrichtung, Bmstr. DI Andreas Hauser, freute sich, seine Gäste in der neue gestalteten Aula begrüßen zu können und berichtete, daß die Lehrräume nun mit Whiteboards top ausgestattet sind und in modernem, ansprechenden Design erstrahlen. Außerdem hat die BAUAkademie Wien nun ein Qualitätsmanagementsystem für die Aus- und Weiterbildung eingeführt und ist seit Ende Oktober ISO 29990 zertifiziert. Und auch eine neue Art der Inhaltsvermittlung wird ab sofort angeboten: um up to date zu bleiben, können Lernende eine E-Learning-Plattform nutzen.
Was bedeutet „Triales Ausbildunssystem“?
Das triale System in der Bauwirtschaft ist eine Sonderform der österreichischen Lehrlings-Ausbildung. Zu dem dualen System mit Praxis im Betrieb und der theoretischen Ausbildung an der Berufsschule kommen als drittes Standbein die BAUAkademien dazu. Sie sind das Fundament für lebenslanges Lernen, für die zwischenbetriebliche Aus- und Weiterbildung. Die BAUAkademien stehen daher nicht nur den Lehrlingen offen, sondern sind ein Berufsleben lang wiederkehrende Anlaufstelle für sämtliche Fachkräfte am Bau. Das Modell beweist sich seit vielen Jahren als höchst erfolgreich und wird international geschätzt und bewundert. Insgesamt gibt es in Österreich acht BAUAkademien. Der Lehrbauhof Ost in Guntramsdorf gehört zu der ersten ihrer Art.
Weltmeisterliche Fachkräfte
Die profunde Qualifikation, die sich die heimischen Fachkräfte durch die triale Ausbildung aneignen, wird in internationalen Wettbewerben immer wieder bestätigt. Bei den Welt- und Europameisterschaften finden sich österreichische Maurer, Schalungsbauer und Tiefbauer mit schöner Regelmäßigkeit im absoluten Spitzenfeld wieder. Erst im Oktober errangen sogar sowohl der Maurer Robert Gradl als auch die beiden Schalungsbauer Alexander Tury und David Wagner bei den „World Skills“ in Abu Dhabi jeweils die Goldmedaillen mit ihren Gewerken.
Karriere mit Benefits
Die Baubranche bietet den Jugendlichen konkrete und gesicherte Zukunftsperspektiven. Eine stetige Weiterentwicklung dank der Gelegenheit zum lebenslangen Lernen schafft Abwechslung und hält die Motivation auch nach Jahrzehnten im Berufsalltag hoch. Die Möglichkeit sich rasch hochzuarbeiten und die Gewissheit, dass in diesem Beruf persönliche Leistung noch etwas wert ist, sind oft genannte Gründe für die Berufswahl. Ein ebenso häufig angeführtes Entscheidungskriterium sind die guten Verdienstmöglichkeiten. Schon während der dreijährigen Ausbildung zum Maurer, Tiefbauer oder Schalungsbauer werden die Lehrlinge eindeutig besser bezahlt als Auszubildende anderer Berufssparten. Nach dem Lehrabschluss eröffnen Spezialisierungen, beispielsweise zum Polier, zum Bautechniker und in weiterer Folge zum Bauleiter attraktive Perspektiven.