Für Treppenläufer sind die 2.750 Stufen im ICC in Hongkong machbar. Um die 490 Meter jedoch auf angenehme Weise zu bewältigen, braucht es Aufzugtechnik. Auch der oftmalige Etagenwechsel in Wohn- und Bürogebäuden verlangt nach Fördersystemen – in richtiger Dimensionierung, effizienter Anordnung und optimaler Verfügbarkeit.
Hochhäuser gelten als nachhaltige Antwort auf die zunehmende Urbanisierung. Architekten und Planer konkurrieren um die Realisierung immer höherer Gebäude und das ist Herausforderung für die Fördertechnik. Denn solche Bauten haben lange Transportwege, verbunden mit einem hohen Gewicht der Förderanlagen. Im 828 m hohen Burj Khalifa in Dubai kann der eingebaute Aufzug beispielsweise nicht direkt vom Erdgeschoß zur Spitze durchfahren. Für das Gewichtsproblem hat die Aufzugindustrie aber bereits Lösungen.
Leicht und flott
Kone arbeitet mit dem UltraRope, einer Innovation, die die 500-Meter »Schallmauer« durchbricht und eine durchgehende Aufzugsfahrt bis 1.000 Meter ermöglicht. Das Aufzugsband aus Kohlefaser und Polyurethan bietet im Vergleich zu Stahlseil doppelt so hohe Förderhöhen, signifikante Energieeinsparung und eine doppelt so lange Lebensdauer. Das Material hat die Reißfestigkeit von Stahl bei nur 15 Prozent des Gewichts. Die neue Seiltechnologie vereinfacht die Aufzugsfahrt und sorgt für eine reibungslose Wartung. Anders als Stahl rostet UltraRope nicht und hängt sich nicht aus. Otis schafft Abhilfe durch stahlseelenarmierte Polyurethan-Gurte, GeN2 löst die konventionellen Stahlseile der ersten Aufzugsgeneration ab. »Die GeN2-Gurte bieten Langlebigkeit und Laufruhe, die Überwachung kann leichter durchgeführt werden«, betont Geschäftsführer Roman Teichert und verweist auf die elektronische Überwachung durch Otis Pulse. Die Diagnose erfolgt über das Fernüberwachungssystem REM. ThyssenKrupp bietet ein seillos und seitwärts fahrendes Aufzugssystem. Damit können mehrere Kabinen unabhängig voneinander zirkulieren.
Bild oben: 50 Prozent seiner Aufzüge verkauft Otis bereits mit digitaler Kommunikation im Aufzug. eView bietet tagesaktuelle Nachrichten und Wetterauskünfte, ebenso personalisierte Botschaften an die Benützer. Weiters wird im Falle eines Notrufes eine Videoverbindung zur Otis-Line aufgebaut.
Ein mehrstufiges Bremssystem schützt die seillosen Kabinen, die über ein redundantes, kabelloses EDV- und Energiemanagement verfügen. Im Gegensatz zum seilgebundenen Aufzug unterliegt die ThyssenKrupp-Lösung keinerlei Beschränkungen in der Höhe. Zum Thema Energie: Kone bietet mit SuperEco den ersten Solarstrom-Aufzug. Allerdings erlaubt laut Kommunikationsdirektor Günter Baca die PV-Technologie noch keinen wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Betrieb. Auch Otis offeriert einen solarenergiebetriebenen Aufzug.
Herausforderung Digitalisierung
Für Gottfried Jung, Existing Installation Director von Schindler, ist die Abstimmung der Aufzüge entscheidend. »Mit Port bieten wir je nach Personenfluss eine zielgerichtete Steuerung. Dadurch kann die Anzahl der Aufzüge reduziert und Energie gespart werden.« Personenfluss ist auch Thema bei Kone. Managing Director Gernot Schöbitz: »Wir richten den Blick über den Rahmen von Personenleitsystemen hinaus auf den tatsächlichen Personenfluss innerhalb der Gebäude.« Im Fokus der PeopleFlow-Intelligence-Lösungen steht die Optimierung des gesamten Bewegungsvorganges – vom Betreten des Gebäudes bis zum Arbeitsplatz. Otis optimiert den Fluss im Gebäude mit dem Compass Destination Management. »Vor dem Aufzug erwartet den Fahrgast ein moderner Touch Screen, der über Berührung oder mit Chipkarte bedient wird. Der Benutzer gibt seine Zieletage ein, Otis Compass prüft die Eingabedaten und teilt den effizientesten Aufzug zu«, erklärt Teichert. Via kostenlosem eCall kann der User mobil von seinem Handy vorab seine Wahl treffen.
Im Blick: Wartung
Bei Kone erkennen spezielle Sensoren kleine Abnutzungen oder Abweichungen, die noch nicht zu einem Stillstand des Aufzugs führen. Ebenso wird eine Häufung derzeit noch unauffälliger Vorfälle an der Anlage aufgezeigt, woraus eine in absehbarer Zeit auftretende Störung ableitbar wird. Gernot Schöbitz: »Wir arbeiten intensiv an smarten und transparenten Tools für Nutzer und Betreiber.« Die 24/7 Connected Services, die auf der IoT-Technologie Watson von IBM basieren, lassen z.B. verbesserte Analysen und Ferndiagnosen zu. Das cloudbasierte System sammelt Daten von Anlagensensoren, um in Echtzeit Informationen über den Status zu liefern. Das bringt weniger Stillstandszeiten, detaillierte Informationen zur Anlagenperformance sowie zeitnahe Wartungsarbeiten. Komplexe Programme mit Fuzzy Logic sorgen dafür, dass Aufzüge miteinander kommunizieren und die spezifischen Verkehrsmuster eines Gebäudes lernen. Eine weitere Innovation von Kone: Residential Flow verbindet Aufzüge, Türen und Tore, Informationskanäle und Gegensprechanlagen über eine benutzerfreundliche Smartphone-App.
Bild oben: Das Kone UltraRope erlaubt eine durchgehende Aufzugsfahrt bis 1.000 Meter. Derzeit wird der Kingdom Tower in Djeddah, 1.007 Meter, ausgestattet.
Auch die cloudgestützte Wartungslösung MAX von ThyssenKrupp denkt voraus –die Ausfallzeiten von Aufzügen können halbiert werden. CBM, Condition Based Maintenance, lautet die Lösung von Otis. Aufzugssteuerungen und elektronische Messwertgeber melden permanent alle Leistungsparameter der angeschlossenen Aufzüge an die zentralen Server. Noch vor dem Ausfall werden Maßnahmen gesetzt. Bei Schindler lautet die Lösung FieldLink. Jeder der 30.000 Servicetechniker ist mit einem digitalen Werkzeugkoffer ausgestattet. »Intelligenz aufzubauen ist für jeden Aufzug sinnvoll, weil er zielgerichteter und schneller gewartet und auf Störungen eingegangen werden kann«, so Gottfried Jung. Dies minimiert die Stillstandszeiten einer Anlage und verlängert ihre Lebensdauer. Mit Ahead bietet Schindler eine digitale Plattform, die Betreiber und User miteinander vernetzt.
Blick voraus
Die Digitalisierung der Anlagen bildet laut Gottfried Jung ein zentrales Forschungsthema von Schindler. Kone hat auf die Herausforderungen mit einem neuen Forschungszentrum reagiert. Ein 350 Meter tiefer Schacht bietet die Möglichkeit, Innovationen zu entwickeln und umfassend zu testen, etwa Kone UltraRope. Im Testturm von ThyssenKrupp werden Hochgeschwindigkeitsaufzüge erforscht, entwickelt und zertifiziert.
Lange voraus
Seit Anfang September dieses Jahres sind die beiden neuen Aufzugsnormen EN 8120 und EN 8150 verbindlich – geändert hat sich in der Aufzugspraxis aber nichts. Denn die Hersteller von Fördersystemen sind den Normen lange voraus. Der Grund: Normen hinken dem Stand der Technik hinterher. Das Thema Digitalisierung ist heute aktuell wie nie, in den Normen ist es erst in Ansätzen vorhanden. Mit der EN 81-20 und EN 81-50 sind nun höherer Fahrkomfort und mehr Sicherheit für Fahrgäste und Aufzugsfachpersonal in Europa auch am Papier normiert.