Samstag, Dezember 21, 2024

Laternendach, Zwiebelhelm, Welsche Haube, Schmetterlingsdach – die Vielfalt an Dachausformungen ist sehr groß. In Österreich dominiert im privaten Bereich nach wie vor das Steildach. Nicht umsonst – denn es überzeugt sowohl ökologisch als auch ökonomisch, wie aktuelle Studien zeigen.

Ich lebe in einem Steildachhaus und würde kein anderes Dach wählen, weil ich die Fehler kenne«, bekennt Alfred Steingress, Sprecher der Plattform Dachvisionen. »Junge  Menschen, die heute bauen, wissen nicht, dass ein Flachdach bereits nach 15 Jahren Reparaturen erfordern kann. Und das zu einer Zeit, in der sie noch den Kredit zurückzahlen müssen.« Beim Flachdach sind auch jährliche Kontrollen nach ÖNORM B 3691 vorgeschrieben. Das Steildach überzeugt hingegen durch Wartungsfreiheit und Langlebigkeit. Erst nach etwa 30 bis 50 Jahren fällt Erneuerungsbedarf an. Iva Kovacic, Leiterin der Forschungsgruppe für Integrale Planung an der TU Wien, fasst eine Studie zusammen, die Dachkonstruktionen im Lebenszyklus verglich: »Hinsichtlich der Kosten für den Bauteil Dach, also Dachhaut inkl. Unterkonstruktion, ist das Steildach sowohl in der Anschaffung als auch im Lebenszyklus von 50 Jahren günstiger.«

Die Studie wurde in Kooperation mit Plattform Dachvisionen erstellt. Steildächer sind in der Regel zweischalig und erfordern geringe Mengen an Dämmmaterial. Bei der Ausführung mit Unterdach entsteht zwischen Eindeckung und Unterdach ein Entlüftungskanal, wodurch die Hitze im Bereich des Firstes entweichen kann und ein angenehmes Raumklima gewährleistet ist. Bei einem freien Dachbodenraum sorgt die Hinterlüftung für den Abtransport von solarem Wärmeeintrag. Entstehende Feuchtigkeit und Niederschlagswasser werden problemlos abgeführt. Ein auftretender Schaden kann schnell und einfach behoben werden. Ein weiterer Vorteil des Steildaches: seine Aerodynamik.

Steil und Grün

Das Steildach punktet auch ökologisch. Anhand von zwei realen Mehrfamilienobjekten in Franking und Lohnsburg wurden die Indikatoren Primärenergiebedarf (PEI) – unterschieden nach Konstruktion und Betrieb, Treibhauspotenzial (CO2) und Versauerungspotenzial (SO2)  laut OI3-Index – näher betrachtet. Konkret weist das Steildach-Objekt beim Bauteil Dachhaut um 19,8 % (PEI), 33,4 % (CO2) und 7,1 % (SO2) geringere Emissionen pro m² Dachfläche auf als das Flachdach. Das Bauteil Dach reduziert Emissionen um 13,7 % (PEI), 54,3 % (CO2) und 7,9 % (SO2). Die Hauptgründe dafür nennt die Firma Bauder, Hersteller von Dachsystemen: Es werden weniger Schichten, weniger und dafür langlebigere Bauteile, Bauteile mit Zusatzfunktionen für Wärme, Schall und Brandschutz, Bauteile mit integriertem Schutz vor Stark­regen und Hagel sowie leichte Baumaterialien wie Holz benötigt. Damit werden im Lebenszyklus von 50 Jahren laut TU Studie über 26 Tonnen CO2 eingespart. Ein weiteres Öko-Plus ist die optimale Eignung für PV. Durch die Dachneigung von über 20 Grad braucht es keine aufgeständerten Lösungen. Eternit bietet mittlerweile nur mehr integrierte Lösungen an. »Eine konventionelle Aufdachanlage ist zwar günstiger, aber durch die Mengen der von uns verkauften integrierten Lösungen kommen wir auf ein vergleichbares Preisniveau«, so  Michael Foisel, Leiter Business Unit Dach. Effizienzunterschiede zwischen aufgestellten und integrierten Lösungen gibt es nicht mehr.

Präferenz für steil

Laut Michael Foisel stellen sich 85 Prozent der Bevölkerung unter Dach ein Steildach vor. Ein Kind zeichnet ein Haus immer mit Steildach. Franz Kolnerberger, Vorstand Tondach Österreich, ist überzeugt, dass das geneigte Dach bei ÖsterreicherInnen beliebt bleibt, auch wenn es einen Zimmermann als zusätzliches Gewerk erfordert. »Es fügt sich gut in die Landschaft, ist ausbaufähig und bietet besondere Haltbarkeit.« Ein weiteres Plus: Im urbanen Raum besteht Wohnraummangel. Dachgeschoße, die bisher als Lager und Waschküche dienten, können ausgebaut und als Wohn- oder Arbeitsraum genutzt werden. Millionen Quadratmeter sind auf diese Weise laut Steingress für die Nachverdichtung verfügbar. Velux sieht im Ausbau des Dachbodens die Chance, lichtdurchflutete Wohnräume zu schaffen. Man braucht nur Fenster einbauen, Elektro- und Wasseranschlüsse sind meist vorhanden. Geeignet sind Räume in Steildächern auch für generationsbedingt geänderte Wohnanforderungen. Die bauphysikalischen Eigenschaften des Steildaches wirken als thermischer Puffer.

Nicht alt und fad

Aufgrund moderner Bauformen ist das Steildach laut Plattform Dachvisionen etwas zurückgegangen. »Das Steildach kann auch modern sein«, betont Steingress. Thomas Schöffer, Vertriebsleiter von Bramac, nennt die Bramac Dachsteine und die Ceramic Line, mit der individuelle Bauweisen realisiert werden können. Einen Trend könne man zum Walmdach sowie zu modernen Steildachlösungen mit eher geradlinigen Formen und einer dunklen Optik bemerken, z.B. Bramac Tegalit. Auch Bauweisen mit der Kombination Steil- und Flachdach liegen im Trend. Eine Nachfrage nach der Holzschindel-Optik sieht Franz Kolnerberger von Tondach Österreich. »Mit dieser Produktlinie, die aus drei Dachziegeln in unterschiedlicher Länge besteht, gelingt es, das Dach zu einem absoluten Schmuckstück zu gestalten. Zudem haben wir bereits einige Projekte umgesetzt, bei dem dieses Produkt auch in der Fassade eingesetzt und somit ein einheitlicher und außergewöhnlicher Look erreicht wird.« Mit den Unterdeckungen und Wärmedämmungen der Firma Bauder lässt sich eine Palette vom filigranen Metalldach bis hin zum begrünten Steildach realisieren. Damit das geneigte Dach Favorit der ÖsterreicherInnen bleibt, braucht es laut Alfred Steingress ein Umdenken: »Das Steildach wird zu wenig gelehrt. Jeder zeichnet nur mehr waagrechte Linien.«

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