Die Brandkatastrophe in London im Juni dieses Jahres hat den Dämmstoff Polystyrol einmal mehr mit einer erhöhten Brandgefahr in Verbindung gebracht. Wieder zu Unrecht, wie sich schnell herausgestellt hat. Dennoch besteht die Gefahr, dass eine falsche negative Berichterstattung Spuren bei Partnern und Kunden hinterlässt. Der Bau & Immobilien Report hat mit Branchenvertretern, Krisenmanagern und Kommunikationsexperten über das richtige Verhalten in solchen Situationen gesprochen.
Auch wenn relativ schnell klar war, dass Polystyrol beim verheerenden Brand des Grenfell Tower keine Rolle gespielt hat, haben vor allem deutsche Medien in ersten Reaktionen über die Verwendung von Styropor in der Fassade gemutmaßt. Diese Falschinformation wurde zum Teil auch in Österreich aufgegriffen und verbreitet. Damit wurde ein altes Vorurteil aufgewärmt, mit dem sich die Branche seit Jahrzehnten konfrontiert sieht: der vermeintlich höheren Brandgefahr bei gedämmten Gebäuden.
Auch wenn die Aufregung verhältnismäßig kurz war, zeigt dieser Fall, wie schnell ein Produkt oder eine Produktgruppe fälschlicherweise ins mediale Kreuzfeuer geraten kann.
Dazu kommt, dass Polystyrol nicht zum ersten Mal beschuldigt wurde, Brände beschleunigt zu haben. Es stellt sich also die Frage, wie die betroffenen Unternehmen und Interessensvertretungen mit der Situation umgehen sollen, um den Schaden möglichst gering zu halten. »Ungerechtfertigt negative Schlagzeilen kann man nicht im Raum stehen lassen. Dagegen muss man sich wehren«, erklärt Kommunikationsexpertin Susanne Senft. Das Problem ist: Wer als Erster informiert bzw. berichtet, bestimmt die Richtung. »Wer als Zweiter informiert, und das ist bei ungerechtfertigten negativen Schlagzeilen der Fall, hat es sehr viel schwerer, gehört zu werden und befindet sich per se schon in einer, wenn vielleicht auch unbegründeten, Verteidigungshaltung«, sagt Senft.
»Der Verband und auch wir als Unternehmen sind den Falschmeldungen, die teilweise auch vom Mitbewerb lanciert wurden, mit einer faktenbasierten und sachlichen Kommunikation entgegengetreten«, sagt Steinbacher-Geschäftsführer Roland Hebbel.
Auch in der Verteidigungsposition geht es um die sachliche Darstellung der Fakten. »Wir haben versucht, den Sachverhalt so schnell wie möglich richtig zu stellen. Dabei hat uns auch die Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum GPH sehr effizient geholfen«, erklärt Austrotherm-Geschäftsführer Gerald Prinzhorn. Die GPH hatte nicht nur umgehend alle Fakten zur Hand, sondern auch dafür gesorgt, dass diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. »Wir haben die österreichischen Medien sehr aufmerksam verfolgt und festgestellt, dass es nur wenige Falschmeldungen gab«, berichtet Clemens Demacsek, Geschäftsführer GPH. »Sowie die Bestätigung aus London über die tatsächlich verwendeten Materialien vorlag, konnte eine Berichtigung eingefordert werden.«
Vorbereiten auf den Ernstfall
Für Risikomanager Burkhard Neumayer, Geschäftsführer Risma Management, haben die betroffenen Unternehmen und Verbände im Fall Grenfell Tower alles richtig gemacht, um nachhaltigen Schaden vom eigenen Produkt abzuwehren. »Polystyrol wurde im Zusammenhang mit dem Grenfell-Tower-Brand von einem einzigen Feuerwehrmann ins Spiel gebracht. Das wurde zwar mehrfach übernommen, konnte aber durch Statements der Industrie schnell richtiggestellt werden«, erklärt Neumayer. Außerdem wurde sehr gut kommuniziert, dass eine Katastrophe wie in London in Österreich aufgrund unterschiedlicher Bauvorschriften nicht passieren könne.
Ausnahmesituationen wie eine falsche oder auch diffamierende Berichterstattung sind zwar nicht absehbar, darauf vorbereiten kann man sich aber dennoch. »Wenn es ein Risiko gibt oder man weiß, dass etwas falsch ausgelegt werden kann, muss man entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen«, sagt Neumayer. Am Beginn der Risikoanalyse muss definiert werden, was einem Unternehmen überhaupt gefährlich werden kann. Dann werden Früherkennungsmerkmale wie etwa signifikant steigende Kundenanfragen festgelegt und schließlich ein Krisenteam zusammengestellt, wo im Bedarfsfall jeder weiß, was er genau zu tun hat. Neben dieser organisatorischen Vorbereitung braucht es natürlich auch eine inhaltliche Vorbereitung. Dafür empfiehlt Neumayer etwa die Sammlung von Fachartikeln, ständig aktuelle Statistiken sowie im Idealfall die Einrichtung sogenannter »Dark Sites«, die im Bedarfsfall sofort online gehen können.
TIPP
Was Kommunikationsexpertin Susanne Senft Unternehmen empfiehlt, die mit falschen Vorwürfen konfrontiert sind, lesen Sie hier