Auf die richtigen Zutaten kommt es an, damit Trockenbau den Anforderungen an Schall- und Brandschutz, Flexibilität und Akustik entspricht. Von innovativen Rezepten wird es künftig mehr geben, denn Trockenbau bleibt stark nachgefragt. Österreich wird in einigen Jahren neun Millionen Einwohner haben und diese benötigen flexiblen und kostengünstigen Wohnraum.
In den letzten Jahrzehnten hat der Trockenbau einen bedeutenden Schritt vorwärts getan. »Vor 15 Jahren war er die klassische Trennwand für Zimmer oder Dachgeschoßausbau. Heute sprechen wir vom Systemgedanken«, informiert Rainer Haubenwaller, Geschäftsführer von rhtb. Der Trockenbau habe sich vom klassischen Handwerk zum Gewerbe auf Ingenieurniveau entwickelt mit Zertifizierungen rund um Brand-, Schall- und Strahlenschutz.
Neben Gips gibt es als Alternativen Lehm und Holzfaser. »Bei jeder Baustelle kommt unser Handwerk vor«, zeigt Gregor Todt, Präsident des Verbandes Österreichischer Stuckateur- und Trockenbauunternehmungen, VÖTB, auf. In der Außenwahrnehmung sei das noch nicht gegeben. »Der Trockenbau ist nach wie vor dem Bauneben- oder -hilfsgewerbe zugeordnet. Es braucht eine Aufwertung«, fordert Rainer Haubenwaller und bemängelt, dass der Trockenbau gegenüber anderen Gewerken zu schwach sei, v.a. gegenüber der Massivbauweise. »Es liegt aber auch teilweise an uns. Wir lobbyieren kaum und betreiben zu wenig Bewusstseinsbildung.«
Viele vermuten unter Trockenbau einfach das Aufstellen von Ständerwänden. »Das stimmt aber nicht«, betont Todt und kündigt eine Informations- und Imagekampagne an. »Wir sind in der Ausführung viel weiter als in der Ausbildung, das ist meine Überzeugung.« Früher hat es drei Platten gegeben, die Brandschutzplatte, die imprägnierte Platte und die Bauplatte, heute gibt es 20 Plattentypen. In bildenden Schulen hat das Handwerk noch nicht Fuß gefasst. Grund sei die Vielschichtigkeit.
»Im Trockenbau ist Schallschutz ebenso integriert wie Bauphysik und Brandschutz. Systeme werden verkauft, die nicht gelehrt werden«, so Todt. In diese Richtung argumentiert auch ein Professor an der TU, der namentlich nicht genannt werden will. Die unübersichtliche Verkaufsstrategie der Industrie bewirke, dass sich die Leute immer weniger auskennen. Das Österreichische Siedlungswerk führt daher als Bauträger vor der Übergabe der Wohnungen u.a. stets punktuelle Schallmessungen durch. »Das hat sich sehr bewährt«, betont Michael Pech, Mitglied des Vorstandes der ÖSW, verantwortlich u.a. für Projektentwicklung und Baumanagement. Die Vielschichtigkeit erfordert gewerksübergreifende Arbeit. Rainer Haubenwaller: »Mit Lean Construction steht ein großer Entwicklungsschritt unmittelbar bevor.« Vernetzte und kollaborative Zusammenarbeit sind Themen, die aktuell aus England und Skandinavien kommen.
Trockenbau Theorie
»Wir haben im Trockenbau, ver-glichen mit anderen Gewerken, eine niedrige Einstiegshürde«, zeigt Michael Allesch, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb bei Saint-Gobain Rigips Austria, ein Problem auf. Sub- und Sub-Sub-Unternehmen mit oft fehlendem Wissen kommen zum Einsatz. Was schlecht verarbeitet ist, fällt immer auf das Produkt zurück. »Deshalb müssen Monteure besser geschult werden. Ein normaler Newsletter ist dafür aber zu wenig«, stellt Michael Pech klar. Es bedarf der praktischen Umsetzung.
Vorführungen und Informationen über die technischen Eigenschaften sind wichtig, ebenso fortwährende Weiterbildungsmöglichkeiten und multimediale, weniger sprachbasierte Module. rhtb will das Handwerk noch mehr in den Mittelpunkt stellen. Pech spricht sich für ein eigenes Unterrichtsfach Trockenbau im Bereich Hochbau an HTL, FH und TU aus. Der Schritt in Richtung begleitende Bildung ist bislang nur mit der Trockenbau-Akademie von Rigips gegeben. Mit externen Wissenschaftern und Praktikern werden hier alle Bereiche des trockenen Innenausbaus von der Planung über die Bauphysik bis zu Bauen im Bestand und Vergaberecht aufgearbeitet. Bei Rigips gibt es wie bei Knauf weiters eine Lehrlingstrophy. »Man muss auch junge Menschen gewinnen. Die Lehrlingsausbildung hat höchste Bedeutung«, betont Andreas Bauer von Knauf.
Trockenbau-Praxis
Modernes Bauen ist ohne Trockenbau nicht mehr möglich. Immer mehr Leistungen fließen ein. Das werde aber leider nach wie vor zu wenig wahrgenommen. Andreas Bauer: »Vor zehn Jahren hat man begonnen, Gipsplatten mit Zusatznutzen zu entwickeln, etwa Platten mit Luftreinigungseffekt, einbruchsichere Platten, Platten mit erhöhtem Schallschutz.« In diese Richtung werde sich der Trockenbau weiter entwickeln.
Bild oben: Für gute Akustik und optimalen Schallschutz sorgen im Tonstudio Soundproof-Entertainment-Wände aus Knauf Diamant und Knauf Silentboard.
Bauer nennt dazu Thermoboard von Knauf, eine Platte mit besserer Leitfähigkeit, um Räume zu temperieren, und Silentboard für erhöhten Schallschutz. Knauf Cleaneo Akustik integriert akustische Funktionen wie auch Luftreinigung. Eine Klimaanlage unnötig macht auch Alba balance von Rigips Austria. Sie wird im Juli in Österreich eingeführt. Mikrogekapseltes Paraffin nimmt überschüssige Wärme aus dem Raum auf und speichert sie im Schmelzzustand. Thermische Speichermassen sind damit schnell und wirtschaftlich v.a. in alte Gebäude einzubringen. »Das fördert die Motivation der Hausbesitzer, ihre Bestände ökologisch aufzuwerten«, betont Allesch.
Hergestellt wird Alba balance aus Gips und gesundheitlich unbedenklichen Paraffinen für die PCM-Mikrokapseln. Durch die verschiedenen Additive werden Gipsplatten feuer- und feuchtebeständiger, widerstandsfähiger und erreichen höhere Auszugswerte. Eine weitere Innovation von Rigips ist die Habito-Platte mit einer bis zu 50 Prozent widerstandsfähigeren Oberfläche. Große Lasten können ohne Dübel montiert werden. Rigips Window Planline ist ein mit dem Rahmen oder Wandanschluss flächenbündiger Glasverbund zur Herstellung optisch und sicherheitstechnisch anspruchsvoller Verglasungen. Michael Pech vom Österreichischen Siedlungswerk sieht den Trockenbau der Zukunft in erhöhter Vorfertigung. »Bauen muss industrialisiert werden, um die Kosten zu halten.
Die Produktion in der Fabrik erhöht auch die Qualität, sie erfolgt bei immer gleichen Bedingungen. Der Wertschöpfungsgrad wird höher, es gibt auch weniger Probleme mit Fachkräften am Bau.« In Zukunft soll Trockenbau nicht mehr nur im Innenraum, sondern auch an der Außenwand zum Einsatz kommen, ein Thema der nächsten Jahre ist auch Digitalisierung. »Noch wird viel zu individuell gearbeitet, es braucht aber ein einheitliches Programm«, zeigt der VÖTB auf. Die verstärkte Anwendung von BIM werde in den nächsten Jahren zu spürbaren Veränderungen der Planungsabläufe führen. Einen kritischen Blick auf BIM wirft der Senior Scientist an der TU Wien: »Es gibt bereits viel zu viel Software am Bau. BIM erfordert eine teure Ausbildung. Kein Wunder, dass sich bald keiner mehr Bauen leisten kann.«
In den 60er- und 70er-Jahren habe man hunderte Meter lange Wohnbauten, die heute noch stehen und bewohnbar sind, auf vier oder fünf Meter langen Plänen geplant. Gregor Todt hält dagegen: »Wer sich nicht mitentwickelt, ist auf Dauer gesehen weg vom Markt.« Walter Michor, Building Technologies, Siemens: »Der digitale Zwilling erlaubt eine optimierte Planung und Kostenreduktion.« Das sichert Arbeitsplätze und hilft bei der raschen baulichen und funktionellen Umsetzung neuer Technologien im Gebäude. Kein Bauunternehmen kann es sich leisten, die heutigen Technologien zu negieren, ist sich der Trockenbau sicher.