B2B hat auch im Gebäudesektor Fuß gefasst. Nicht »Business to Business«, sondern »Building to Building« beschreibt das Re-Use-Konzept, die Wiederverwendung genutzter, noch brauchbarer Gegenstände vom Fenster über Heizkörper bis zur Treppe und Wandverkleidung.
Vebrauchte Holz-Alufenster mit Isolierverglasung, Sandsteinplatten, Glasziegel, Buchenparkett, Flachradiatoren oder Wandblech – all das muss nicht auf der Deponie landen oder rein stofflich genutzt werden. Es kann dem Re-Use-Prozess zugeführt und wiederverwendet werden. Darin steckt viel Wert – nicht nur stofflich, auch sozial. Studien belegen, dass Re-Use fünf- bis zehnmal mehr Arbeitsplätze schafft als Recycling der gleichen Art und Menge an Abfällen. Laut RepaNet, dem Re-Use- und Reparaturnetzwerk Österreich, gibt es in Österreich erst Startprojekte. »Wir werden aber schon vermehrt wahrgenommen«, freut sich Geschäftsführer Matthias Neitsch. International gebe es dagegen bereits zahlreiche Beispiele. Die Verspätung in Österreich erklärt er mit der bestehenden Gesetzeslage.
Die volkswirtschaftlichen Nutznießer bzw. die Herstellersysteme hätten zudem bislang kaum zur Mitfinanzierung beigetragen und die Finanzierungslast fast zur Gänze den sozialwirtschaftlichen Re-Use-Betrieben überlassen. Ein Schritt vorwärts ergibt sich mit der neuen Recyclingbaustoffverordnung. Beim Rückbau ist demnach noch vor dem Recycling prioritär die Wiederverwendung, das Re-Use, bzw. die Vorbereitung zur Wiederverwendung verpflichtend zu beachten. Auch der Entwurf zum Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 kennt Re-Use.
»Wir wissen noch nicht, wann der BAWP auf die Tagesordnung des Nationalrates kommt, er ist aber nach § 8 Abs 4 AWG dem Nationalrat nur vorzulegen«, informiert Thomas Fischer von der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik der Wirtschaftskammer Österreich. Bleibt zu hoffen, dass nicht zu viele negative oder verwässernde Stellungnahmen berücksichtigt wurden. Die Erstfassung sah die Entwicklung und Implementierung von Re-Use-Leitlinien für öffentliche Stellen vor, unterstützt durch Motivationskampagnen. Die Re-Use-Netzwerke in den Bundesländern sollen ausgebaut und verdichtet, eine Re-Use-Dachmarke und ein neues Design von Gebäudeteilen erarbeitet werden.
Re-Use beim Bau
Re-Use beim Bau erfordert ein Umdenken in der Planungsphase. Bauwerke müssten dazu so geplant werden, dass ihre Bauteile nach Ablauf der ersten Nutzungsphase wiederverwendet werden können. Bislang ist die Mehrzahl der bestehenden Gebäude nicht für Zerlegung und Wiederverwendung konzipiert. Markus Meissner, pulswerk: »Ecodesign ist sehr wichtig. Beispielsweise sind Verklebungen etwa bei Wänden oder im Wärmeverbund nur schwer wieder voneinander zu trennen.« Die Alternative: Hängesysteme, die auch mit Schraubverbindungen arbeiten, allerdings alle mit demselben Schlitz. Ein anderes Beispiel ist eine modulare Gebäudeplanung, bei der ein Bauträger auf einfache Weise auf sich ändernde Mietverhältnisse reagieren und Raumgrößen leicht adaptieren kann.
Noch scheitert es an der Bereitschaft der Industrie zu Re-Use. Unternehmen bewerten die Idee laut Barbara Bauer, Bauproduktmanagerin beim IBO, zwar als interessant, aber wirtschaftlich derzeit nicht durchführbar. Bauer beruft sich hier auf Gespräche u.a. mit der Aluminiumindustrie. »Wir sind im operativen Betrieb in erster Linie auf die Betrachtung von Bausubstanz fokussiert. Die intensive Evaluierung unterschiedlicher Alternativen vor Investitionsentscheidungen erfolgt unter der Prämisse, den Einsatz von Ressourcen so niedrig wie möglich zu halten. Im Zuge von Machbarkeitsstudien wird daher die Erhaltung der alten Bausubstanz bei Neuentwicklung einer Immobilie genau geprüft«, erklärt Ernst Eichinger die Position der BIG. Positives gibt es vom Wiener Standort von Coca-Cola auf der Triester Straße zu berichten: Für die dort neu entstehende Biotope City werden Baumaterialien für die Wiederverwendung aus- und abgebaut.
Re-Use ist nicht Re-Cycle
Viel Wert legt Markus Meissner auf die Feststellung, dass Re-Use nicht Re-Cycle bedeutet. Das Einzige, was die beiden Wörter gemein haben, ist das Re. Ansonsten bedeuten sie grundsätzlich Unterschiedliches, nämlich Wiederverwendung und stoffliche Verwertung. Dass die Begriffe verwechselt bzw. falsch verwendet werden, erlebt Meissner oft, selbst in Fachkreisen. Auch Urban Mining geht in eine andere Richtung (siehe auch Kommentar S. 62). »Bei Urban Mining wird die Stadt als Abbaugebiet gesehen. Es geht dabei eher um mineralische Stoffe, Rohstoffe, die am Ende ihrer Lebensdauer rückgewonnen werden – nicht aber um Bauteile«, stellt IBO-Expertin Barbara Bauer fest.
Re-Use-Kreislauf
Markus Meissner weiß, wovon er spricht. Er ist Koordinator des Projekts BauKarussell, das darauf abzielt, für die Wiederverwendung geeignete Gebäudebauteile und Bauprodukte wie Fenster, Türen, Heizkörper, Treppen, Wand- und Deckenverkleidungen sowie Ausstattungsobjekte aus Abbruch- und Sanierungsobjekten zu organisieren. »Es ist ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, aber nicht durch verstärktes Recycling, sondern durch die Wiederverwendung alter, aber noch brauchbarer Gegenstände.« Er erwähnt in diesem Zusammenhang einen Bauträgerwettbewerb in Wien, bei dem sich BauKarussell mit einem Konzept für Re-Use von rund 2.500 Fensterelementen beteiligt hat.
»Wir hatten sogar einen österreichischen Fensterhersteller gefunden, der die Fenster ausgebaut, zur Wiederverwendung vorbereitet und wieder eingebaut hätte. Leider ist der Auftrag aber an ein anderes Bieterkonsortium vergeben worden.« Entscheidend bei Re-Use ist auch der Faktor Zeit. »Oft wird Kritik laut, dass der Prozess zu lange dauert, da die Abbruchfirma beim Abriss bereit steht und nicht darauf warten kann, bis Re-Use abgewickelt ist. Zum Zeitpunkt des Abrisses ist es für Re-Use aber ohnehin zu spät«, zeigt Meissner auf. Für die Wiederverwendung von Bauobjekten und Baumaterial muss die Abwicklung Monate, wenn nicht Jahre vorher mit Bauträgern und Eigentümern geklärt und geplant werden. Re-Use wird umgesetzt, wenn das Gebäude noch in Verwendung steht oder in der Phase der Zwischennutzung ist.
Entwicklung Re-Use
Die letzten 20 Jahre waren vor allem von thermischer und stofflicher Verwertung sowie der getrennten Sammlung geprägt. »Nun folgt ein nächster Schritt: die Kreislaufwirtschaft«, betont Markus Meissner und verweist auf das neue Kreislaufwirtschaftspaket. Hier ist die Abfallwirtschaft mit der Sozialwirtschaft im Hintergrund verknüpft. Ein weiteres Re-Use-Projekt ist die HarvestMap, die seit 2015 in Österreich aufgebaut wird (der Bau & Immobilien Report berichtete). Ihr zufolge werden Bauprodukte nach einem Abriss wiederverwendet, entweder in derselben Funktion oder adaptiert. Notwendig sind leerstehende Hallen und ungenützte Lagerflächen. Im Bereich Logistik unterscheidet sich BauKarussell. »Für uns ist oberste Priorität, die Objekte direkt vor Ort, im Idealfall sogar am gleichen Standort im neuen Gebäude wieder einzusetzen«, informiert Meissner.
Der Öko-Gedanke müsse genau geprüft werden, wenn Baumaterialien etwa über weite Strecken transportiert werden. Vielfach gibt es bei Gebäudeabriss oder -renovierung denselben Eigentümer. Es besteht vielleicht der Wunsch, eine architektonische Brücke zu früher zu knüpfen etwa durch einen bestimmten Aufgang, durch Fliesen oder ein Türportal. Dieser Vorgang reduziert auch die Haftungsfragen.
Aus Sicht der BauKarusell-Partner ist Re-Use im großvolumigen Bau mit hohen Stückzahlen ökonomisch eher darstellbar. »Unser erster Bauträgerwettbewerb, an dem wir teilgenommen haben, betraf ein Pflegeheim mit 2.500 Fenstern. Hier lohnt sich Re-Use«, berichtet Matthias Neitsch und verweist dezidiert darauf, dass Re-Use in anderen Dimensionen spielt. »Es ist nicht willhaben.at für zehn Fenster oder vier Heizkörper.«
⇒Termin
Am 9. und 10. Nov. 2017 veranstaltet das IBO am Semmering wieder sein Jahressymposion, heuer unter dem Titel »Stadt der Zukunft. Nachhaltigkeit vom Quartier zum Baustoff.« »Auch die kühnsten Planungen benötigen Materialien zum Bau«, so Barbara Bauer. Daher sind emissionsarme und ressourcenschonend hergestellte Baustoffe oberstes Gebot.