Hausdurchsuchungen im Kartellrecht können praktisch jedes Unternehmen treffen. Richtiges Verhalten vor, während und nach der Hausdurchsuchung kann potenziellen Schaden abwenden und ist damit eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Schadens- und Risikominimierung.
Der Autor: Rechtsanwalt Dr. Dieter Thalhammer ist Partner bei Eisenberger & Herzog und Leiter der Praxisgruppe Kartellrecht. Er berät Klienten in allen Bereichen des Kartellrechts: von Kartellverfahren, kartellrechtlichen Schadenersatzverfahren bis zur Fusionskontrolle und Vertretung bei Marktmissbrauchsverfahren.
Info: www.ehlaw.at
Was ist zu tun, wenn die Wettbewerbsbehörden vor Ihrer Tür stehen? Die zehn goldenen Regeln für eine Hausdurchsuchung:
1. Bewahren Sie Ruhe.
2. Halten Sie sich an die Verhaltensanweisungen und Abläufe für den Fall einer Hausdurchsuchung in Ihrem internen »Notfallplan«.
3. Hausdurchsuchungen erfolgen unangekündigt. Kontaktieren Sie umgehend die Mitarbeiter und jene auf Kartell spezialisierten Rechtsanwälte, die im »Notfallplan« festgelegt sind. Da die Wettbewerbsbehörde mit der Hausdurchsuchung beginnen kann, bevor die Rechtsanwälte im Unternehmen eingelangt sind, darf hier keine Zeit verloren werden.
4. In der Regel findet unmittelbar vor Beginn der eigentlichen Durchsuchung eine Vorbesprechung statt. In der Vorbesprechung wird vor allem der Untersuchungsgegenstand der Hausdurchsuchung mit den zuständigen Wettbewerbsbehörden besprochen. Die Vorbesprechung sollte daher dafür genutzt werden, den Ablauf der Hausdurchsuchung zielgerichtet auf den Untersuchungsgegenstand auszurichten.
5. Über die Hausdurchsuchung dürfen keine Informationen nach außen dringen, da dadurch die Ermittlungen der Wettbewerbsbehörde beeinträchtigt werden könnten. Pressemitteilungen dürfen nur nach vorheriger Abstimmung mit der zuständigen Wettbewerbsbehörde veröffentlicht werden.
6. Keinesfalls dürfen während der Hausdurchsuchung Unterlagen vernichtet oder beseitigt werden. Auch dürfen keine elektronischen Daten gelöscht werden.
7. Es ist sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter der IT-Abteilung von der Hausdurchsuchung Kenntnis haben und in diese eingebunden werden.
8. Fragen, die über rein organisatorische Themen hinausgehen, sollten nur in Anwesenheit Ihres Rechtsanwaltes beantwortet werden. Die Verweigerung der Beantwortung von Fragen darf keinesfalls ohne Abstimmung mit dem Rechtsanwalt erfolgen.
9. Das Verhalten gegenüber der Wettbewerbsbehörde sollte höflich und korrekt sein. Der Behörde sollten aber nicht mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden, als abgefragt oder angefordert werden. Als »single point of contact« sollte der von der Wettbewerbsbehörde bestimmte Einsatzleiter dienen. Alle maßgeblichen Fragen an die Behörde vor Ort sind (über den eingeschalteten Rechtsanwalt) an diesen Einsatzeiter zu richten.
10. Es muss sichergestellt sein, dass versiegelte Räumlichkeiten ununterbrochen von geschultem Wachpersonal bewacht werden.
Was ist parallel zur Hausdurchsuchung oder spätestens nach Abschluss einer Hausdurchsuchung zu tun? Die fünf wichtigsten Maßnahmen:
1. Ursachenfindung: Ein Unternehmen, bei welchem eine Hausdurchsuchung wegen des Verdachtes eines Kartellrechtsverstoßes durchgeführt wird, sollte sich sehr rasch nach dem Beginn der Hausdurchsuchung überlegen, warum es zu dieser Hausdurchsuchung kommen konnte.
2. Schnelle Reaktion: In jedem Fall gilt es, schnell zu reagieren, um das tatsächliche Risikopotenzial zu erfassen und um geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung setzen zu können.
3. Wettrennen um den Kronzeugenstatus: Gerade wenn an einem Kartell mehrere Unternehmen beteiligt waren, beginnt oft ein »Wettrennen«. In diesem Fall ist zu befürchten, dass bei den anderen am Kartell beteiligten Unternehmen gleichzeitig Hausdurchsuchungen durchgeführt werden und dass auch dort die Möglichkeit einer umfassenden Kooperation mit den zuständigen Wettbewerbsbehörden in Erwägung gezogen wird. Die Entscheidung, ob ein Kronzeugenantrag gestellt wird oder ob und in welchem Umfang in sonstiger Form mit den Behörden kooperiert wird, ist für kein Unternehmen einfach. Eine solche Entscheidung sollte daher unter Einbindung eines Kartellrechtsexperten getroffen werden.
4. Risikoabschätzung: Bei dieser Entscheidungsfindung ist in erster Linie das kartellrechtliche Risikopotenzial einzuschätzen. Neben der potenziellen Geldbußendrohung ist dabei zu evaluieren, ob eine Verteidigung des vorgeworfenen Verhaltens möglich erscheint.
5. Schadenersatzrisiko: Jede Entscheidungsfindung zu einem Kronzeugenantrag hat aber auch das Schadenersatzrisiko zu berücksichtigen. Es ist zu klären, ob und in welcher Höhe neben dem Geldbußenrisiko auch ein Schadenersatzrisiko droht und ob man über eine umfassende Kooperation mit den Wettbewerbsbehörden das Schadenersatzrisiko für das eigene Unternehmen zusätzlich erhöht.