Sonne und Licht sind essentiell für das Leben. Sie können aber auch zu viel werden. Dafür gibt es bauliche Lösungen – Sonnenschutz. Einige Technologien bestehen bereits seit Jahren erfolgreich, es gibt aber auch Innovationen.
Das Gespräch mit Johann Gerstmann, Repräsentant des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik, fand unter passenden Bedingungen statt – es war ein strahlend sonniger Tag. »Der Begriff Sonnenschutztechnik ist althergebracht. Es müsste eher Management von Energie- und Lichteintrag heißen«, so Gerstmann. Das Spektrum ist dabei sehr breit. »Bei einer Wand geht es seit Jahren um die Maximierung des U-Wertes. Bei den transparenten Bauteilen eines Gebäudes gibt es mehr Anforderungen – die architektonische Fassadengestaltung ebenso wie Lichteintrag, Energieeintrag bzw. solare Gewinne, um den Schutz vor Überwärmung durch Verschattung, aber auch die Versorgung von Räumen mit Frischluft.« Das Fenster bildet für ihn daher den kompliziertesten Bauteil. »Zwar steht in der Gebäuderichtlinie, dass ganzheitlich geplant werden muss, aber es zählt allein der maximale U-Wert.« Aufgrund der geltenden technischen Regeln, die keinen Nachweis hinsichtlich des Kunstlichtbedarfs am Tag einfordern sehen Bauphysiker somit wenig Bedarf, auf das Licht zu achten. »Insgesamt ist das Bewusstsein über die Rolle intelligenter, dynamischer Sonnenschutzsysteme noch zu gering«, bedauert auch Peter Gubisch, Geschäftsführer von Schlotterer Sonnenschutz. Die Herausforderung besteht heute darin, das alte Bild von Rollladen & Co beiseite zu legen und die Produkte als Lösungen für thermischen und visuellen Komfort sowie für gesunde Lebens(innen)räume zu begreifen. Konsequent eingesetzter Sonnenschutz spart bis zu 50 Prozent der Kühlenergie. Die Stromkosten für künstliche Beleuchtung können um bis zu 80 Prozent gesenkt werden. Nicht vernachlässigen darf man laut Gubisch den Faktor Durchsicht. »Dieser Aspekt wird heute noch gerne übersehen. Viele Produkte bieten sehr guten Schutz vor Hitze und Blendung, dafür ist den ganzen Tag lang keine Sicht nach draußen möglich.«
>> Licht-Steinzeit <<
Hat sich Sonnenschutz im Wohnbereich bereits durchgesetzt, befinden sich Bürobauten laut Gerstmann noch in der Steinzeit. Hier fehle das Bewusstsein für Licht. Noch nie zuvor lag der Glasanteil in Gebäuden so hoch. Dennoch ist keine positive Auswirkung auf die Versorgung der Räume mit Tageslicht bemerkbar. »Wer mit offenen Augen durch die Städte geht, sieht den massiven Einsatz von Kunstlicht. Statt Vertikaljalousien beiseite zu ziehen, wird einfach der Lichtschalter betätigt.« Im Viertel 2 in Wien haben die Fenster eher die Funktion einer Sichtverbindung denn der einer Lichtversorgung. Gleiches passiert am Wirtschaftscampus, beim DC Tower oder beim Sky-Link. »Der Energieeintrag wird um 60 bis 70 Prozent reduziert, damit aber auch das Tageslicht, das wir für Psyche und Gesundheit benötigen.« Und Gerstmann verweist auf die Zunahme von Augenerkrankungen.
>> Auto-Schutz <<
Laut ift Rosenheim beträgt das Energieeinsparpotenzial im Gebäudesektor über 60 Prozent. Eine intelligente Sonnenschutztechnik ist eine der bewährten Technologien dafür. Entscheidend dafür ist v.a. die Automatisierung. Gerstmann bringt ein Beispiel. »In einer Wiener Siedlung mussten die Nutzer dem Bauträger gegenüber unterschreiben, dass sie den Sonnenschutz hochkurbeln, wenn sie weggehen, damit der Wind keine Angriffsfläche hat. Am Nachmittag sind die Bewohner oft in brütend heiße Räume zurückgekehrt. Billigster Sonnenschutz hat hier keinen Sinn.« Es braucht eine dem Standort entsprechende mechanische Belastbarkeit, Automatisierung und intelligent gesteuerten Sonnenschutz. »Bei Automatisierung erfolgt die Steuerung über ein Windrad und im Zeitalter des Apps über das Handy.« Hochwertige Systeme sind bis 90 km/h windstabil. Außen installierter Sonnenschutz ist die effektivste und energiesparendste Methode, sommerliche Überwärmung zu vermeiden. Innenliegenden Produkten obliegt primär die Funktion des Blendschutzes. Auf welche Technologie dabei gesetzt wird, Plissee oder Rollo, ist laut BVST reine Geschmacksfrage. Auch im Außenbereich wirken die Technologien in etwa gleich, egal ob Raffstore, Rollo oder Markise. Allein in der Funktion gebe es Unterschiede. »Mit einem Rollladen kann man gut verdunkeln, er stellt auch eine psychologische Einbruchbarriere dar. Ein Raffstore erlaubt die bessere Regelung von Licht im Gegensatz zu flächiger Verschattung.« Der Markise kommt oft die Aufgabe der Fassadengestaltung und der Durchsichtsituation zu. »Aus eigener Erfahrung empfehle ich transparentes offenes Gewebe. Es reflektiert 90 Prozent der Sonneneinstrahlung, versorgt den Raum aber mit Licht, ohne zu überwärmen.« Im Glas integrierter Sonnenschutz hat laut BVST derzeit noch einen verschwindend geringen Anteil.
>> Sonnenschutzmarkt <<
Schlotterer zählt zu den Marktführern für außenliegenden, nicht textilen Sonnenschutz. »Wir entwickeln unsere Produkte selbst und haben eine hausinterne Forschungs- und Entwicklungsabteilung«, berichtet Peter Gubisch. Zu den jüngsten Innovationen zählt PlexoLux. Dabei handelt es sich um eine speziell für Ganzglasecken entwickelte Raffstorelamellen-Führungsschiene aus poliertem Plexiglas, die hohe Stabilität ohne optische Einbußen ermöglicht und eine Alternative zu herkömmlichen Systemen mit Seilabspannung bietet. Der Tageslichtraffstore RetroLux lenkt dank seiner speziellen Lamellengeometrie das Tageslicht blendfrei über die Decke tief in den Raum. Hella bietet mit dem Tageslichtrollladen Luz einen wahren Klimapuffer. »Bei energieoptimierter Bauweise kann ein Rollladen die Klimaanlage ersetzen, da ein Luftpolster zwischen Scheibe und Lichtschutz sowohl Hitze als auch Kälte wirkungsvoll absorbiert«, informiert Geschäftsführer Martin Troyer. Durch die kompakte Bauweise ist Luz gut geeignet für den Einbau in Niedrigenergiehäusern und architektonisch anspruchsvollen Neubauten. 2017 treten neue EU-Normen für die energiewirtschaftliche Effizienz und Qualität von Fenstersystemen in Kraft. »Die bauphysikalische Latte liegt damit hoch.«
Andreas Klotzner, Geschäftsführer von Valetta, nennt als Innovationen seines Unternehmens die ISO-Blende, Farfalla sowie io-homecontrol. Letzteres Produkt spiegelt den Trend der Automatisation bei Valetta wider. ISO Roll Raff wird in der Rohbauphase eingebaut, die Entscheidung für Rollladen oder Raffstore kann später getroffen werden. »Farfalla lässt sich wie ein Schmetterlingsflügel öffnen«, so Klotzner.