Mit mehreren Studien wollen die Vertreter des Massivbaus die Vorzüge von Ziegel und Beton untermauern und hoffen auf eine Berücksichtigung in der Wohnbauförderung. Einige Länder zeigen sich gesprächsbereit. Währenddessen unterzeichnen Regierungsmitglieder die »Charta für Holzbau« – und bringen die Massivbauer damit ordentlich in Rage.
ie österreichische Holzbauindustrie scheint derzeit eine richtig gute Lobbying- und Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Mit den Themen CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit ist man absolut am Puls der Zeit. Dass nicht jede Behauptung einer genaueren Prüfung standhalten kann, fällt da offenbar kaum ins Gewicht. Schließlich gilt die CO2-Neutralität nur dann, wenn das Holz aus nachhaltiger, am besten heimischer Waldbewirtschaftung stammt. Da wirft es natürlich kein allzu gutes Licht auf die Branche, dass Österreich laut einer Studie des Instituts für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung (ISIS) nach China der weltweit größte Holzimporteur ist. Erst kürzlich hat zudem ein Bericht, wonach das österreichische Holzunternehmen Schweighofer rumänisches Holz aus illegaler Herkunft kauft, für Rauschen im Blätterwald gesorgt. Zwar konnten die Vorwürfe durch eine »Chain of Custody«-Zertifizierung der international anerkannten Organisation PEFC mittlerweile entkräftet werden, die Tatsache der fehlenden Herkunftsbezeichnung bleibt aber bestehen.
Verzerrter Wettbewerb
Der jüngste PR-Coup, der den Holzbauern gelungen ist, ist die sogenannte »Charta für Holzbau«, deren Unterzeichner »sich öffentlich zum vermehrten Einsatz von Holz im Wohnbau« bekennen. Bereits unterschrieben haben mit Andrä Rupprechter, Rudolf Hundstorfer und Sophie Karmasin auch drei Regierungsmitglieder. Ein Schlag ins Gesicht der Massivbauer, wie Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbandes Steine Keramik, offen zugibt: »Das ist eine klare Wettbewerbsverzerrung, wenn Regierungsmitglieder einseitig den Einsatz eines bestimmten Baustoffes fordern.« Damit konfrontiert, warum sie die Charta unterzeichnet hat, bleibt Familienministerin Karmasin sehr vage: »Sichtbare Zeichen für Nachhaltigkeit zu setzen, ist auch für mich als Familien- und Jugendministerin zentral. Der nachhaltige und energieeffiziente Umgang mit Ressourcen wie Holz spielt in Österreichs Familien eine immer größere Rolle«, so Karmasin ausweichend. Und Andrä Rupprechter rudert sogar etwas zurück: »Die Holzbau-Charta weist darauf hin, dass Holz im Wohnbau sinnvoll eingesetzt werden kann. Es geht nicht darum, bestimmte Baustoffe als besser oder schlechter zu bewerten und damit zu stärken oder zu schwächen, von einer Wettbewerbsverzerrung kann daher keine Rede sein.«
Die Massivbauer versuchen mit Fakten zu punkten und präsentieren im Gegenzug Hard-Facts in Form von mehreren wissenschaftlichen Studien. Im Auftrag von BAU!MASSIV! verfasste das Institute of Building Research & Innovation eine Metastudie anhand 26 wissenschaftlicher Arbeiten, in denen die Thematik Kostenoptimalität und Nachhaltigkeit beim Wohnungsneubau untersucht wurde. Das Institut für Industrielle Ökologie nahm die Klimarelevanz von Baustoffen unter die Lupe und die TU Graz beleuchtete zusätzliche Ökoindikatoren zur Bewertung der Umweltwirkung von Bauprodukten. Die Austrian Cooperative Research (ACR) unterzog ihrerseits 45 Variationen energieeffizienter Häuser einem Test.
Die wesentlichsten Ergebnisse: Laut ACR-Studie gibt es nicht »das« beste Haus, sondern sowohl Baustoffwahl als auch Energiestandard müssen im Kontext der Gesamtsituation betrachtet werden. Dabei sind etwa Standort, Klima und das Wohnverhalten der Bewohner ausschlaggebend. Die Metastudie kommt zu dem Ergebnis, dass die Bauweise ein wichtiger Faktor für leistbares und nachhaltiges Wohnen ist. Demnach verursacht die Holzbauweise Mehrkosten von bis zu 141 Euro pro Quadratmeter Bruttogeschoßfläche. Zur CO2-Bilanzierung ortet die TU Graz Studie eine Überbewertung des Baustoffes: Beim Bau seien Ressourceneffizienz, Landverbrauchsänderungen und der Erhalt der Biodiversität die relevanteren Ökoindikatoren, da sie den ökologischen Fußabdruck und damit auch CO2 wesentlich umfassender bewerten. »Wir sind heute alle der Nachhaltigkeit verpflichtet und da Herkunft und lange Transportwege die CO2-Bilanz entscheiden, fordern wir einen Herkunftsnachweis von Baustoffen ein«, sagt Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie.
Fasst man alle vorliegenden Studien zusammen, schneidet der Massivbau laut Pfeiler sowohl im ökologischen als auch im ökonomischen Vergleich unterschiedlicher Gebäudekonzepte gesamtheitlich betrachtet besser ab als andere Bauweisen. »Massive Baustoffe sind regional verfügbar, können regional verarbeitet werden und bringen regionale Wertschöpfung. Massivbauten sind ökologischer, weil ressourceneffizienter, zu 100 % wiederverwertbar und helfen, die Biodiversität zu erhalten. Massive Bauwerke weisen eine Lebensdauer von 100 Jahren auf und sind damit ressourcenschonend und investorensicher«, sagt Pfeiler und fordert, diese Vorzüge auch in der Wohnbauförderung zu berücksichtigen.
Reaktionen der Länder
Manfred Haimbuchner, Wohnbaulandesrat in Oberösterreich, kann der Argumentation von BAU!MASSIV! viel abgewinnen, einen Herkunftsnachweis kann er sich sehr gut vorstellen. »Bei keinem Produkt und Baustoff ist es sinnvoll, wenn es zu langen Transportwegen kommt.« Auch aus Salzburg kommen Signale, die die Massivbauer freuen werden. »Wir teilen einen Großteil der Argumente, vor allem was die Kosten anlangt, hat der Holzbau nach wie vor Handlungsbedarf«, sagt Wohnbaulandesrat Hans Mayr.
In den anderen Bundesländern möchte man sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen und verweist auf den Ökoindex 3. Dabei werden Produkte wie Holz, Schilf, Stroh oder Hanf deutlich bevorzugt.»Ziel ist, den Einsatz von emissions- und schadstoffarmen Produkten im Neubau und in der Sanierung zu forcieren«, sagt etwa die Kärntnerin Gaby Schaunig. In Tirol gibt es für »ökologisch vorteilhafte Baustoffe laut Ökoindex 3« einen zusätzlichen finanziellen Zuschuss von 3.300 Euro. Auch in Vorarlberg werden »Bau- und Dämmstoffe sowie Bauelemente mit geringerer grauer Energie, geringerem CO2-Ausstoß bei der Produktion und geringerem Versäuerungspotenzial über den OI3-Index besser gefördert«, erklärt Landesrat Karlheinz Rüdisser, der explizit den Wienerberger Ziegel mit Dämmstofffüllung, den Porotherm W.i., als positive Entwicklung hervorhebt. »Diese erlauben auch mit monolithischer Wand die kostengünstige Herstellung von Niedrigstenergiegebäuden. Das sollte sich auf die Marktpreise der Wohnungen und Einfamilienhäuser durchschlagen.«
Mit- statt Gegeneinander
Auch wenn sich die Holz- und Massivbauer in der Regel nicht sonderlich gut leiden können, zeigen aktuelle Beispiel aber auch, dass ein sinnvolles Miteinander von Holz- und Massivbau durchaus möglich ist. So ist etwa der Kern des Vorzeigeholzbau HoHo in der Seestadt Aspern ein massiver Turm aus Beton. Dasselbe gilt für den berühmten LifeCycle Tower von Cree in Dornbirn, der ebenfalls ein Hybridbau ist.
Noch einen Schritt weiter ist die Kirchdorfer Gruppe gegangen und hat gemeinsam mit der Mayr-Melnhof Holz Holding das Joint Venture MMK ins Leben gerufen, das sich zu einem Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der Holz-Beton-Verbund-Anwendungen entwickeln soll. Die beiden Eigentümer bringen ihre jeweiligen F&E-Abteilungen in gemeinsame Projekte ein, die das Ziel verfolgen, standardisierte, industriell vorgefertigte Holz-Beton-Fertigteile zu produzieren und international zu vermarkten. »Die Vielseitigkeit, Belastbarkeit und Langlebigkeit von Beton wird im Verbund durch die Charakteristika von Holz optimal ergänzt und ermöglicht Anwendungen, die in Hinblick auf Gestaltungsvielfalt und bauphysikalische Eigenschaften wirklich herausragend sind«, sagt Alexander Barnaš, Forschungs- und Entwicklungsleiter der Kirchdorfer Fertigteilsparte.
Reaktionen der Wohnbaulandesräte
»Herkunftsnachweise könnten vernünftig sein, denn bei keinem Produkt und Baustoff ist es sinnvoll, wenn es zu langen Transportwegen kommt«, sagt Manfred Haimbuchner, Wohnbaulandesrat Oberösterreich.
»Wir teilen einen Großteil der Argumente, vor allem was die Kosten anlangt, hat der Holzbau nach wie vor Handlungsbedarf«, sagt der Salzburger Wohnbaulandesrat Hans Mayr.
»Ziegel mit Dämmstofffüllung erlauben auch mit monolithischer Wand die kostengünstige Herstellung von Niedrigstenergiegebäuden«, lobt Karlheinz Rüdisser, Wohnbaulandesrat Vorarlberg, die Innovation aus dem Hause Wienerberger.
»Wir sind laufend auf der Suche nach Nischen«
Helmut Oberndorfer, Geschäftsführer der Franz Oberndorfer GmbH & Co KG, im Interview.
Report: 2014 kam der der Großteil Ihrer Projekte aus dem Industrie- und Gewerbebau. Welches Bild zeichnet sich für 2015 ab? Wie sieht es mit Aufträgen der öffentlichen Hand aus?
Helmut Oberndorfer: Auch 2015 haben wir zahlreiche schöne Projekte aus der Industrie. Die öffentlichen Bauten halten sich heuer ebenso in Grenzen.
Report: Zu Beginn des Jahres konnte Oberndorfer einige Großprojekte umsetzen. Was erwarten Sie von der zweiten Jahreshälfte?
Oberndorfer: Auch in der zweiten Jahreshälfte haben wir tolle Großprojekte, das bekannteste ist mit Sicherheit das neue Allianz-Stadion in Wien!
Report: Welche Rolle spielt der konstruktive Fertigteilbau bei Oberndorfer?
Oberndorfer: Der konstruktive Fertigteilbau ist eines unserer wesentlichen Standbeine. Die Industrie Österreichs baut, im wahrsten Sinne des Wortes, auf Oberndorfer. Zahlreiche unserer Projekte umfassen beinahe alle Produkte unserer Produktpalette, vom Köcherfundament bis zum Leichtdach.
Report: Was sind die Hauptanwendungsgebiete für Beton im Modulbau?
Oberndorfer: Vom Keller bis zum Dach ist alles möglich. Im Industriebau sind es aber mit Sicherheit Fundamente, Stützen, Träger, Binder und Fassadenplatten, im Privatbaubereich Decken- und Wandelemente und auch Stiegen sowie Loggiaelemente.
Report: Welche Nischen bzw. Anwendungsgebiete sehen Sie für die Zukunft?
Oberndorfer: Innovation und Weiterentwicklung ist am heute stark umkämpften Betonfertigteilmarkt unabdingbar, daher ist der Bereich F&E eine der Kernkompetenzen der Firma Oberndorfer. Wir arbeiten laufend an neuen Produkten und daran, neue Nischen und Anwendungsgebiete zu finden. Welche das sind, wird natürlich erst mit der Markteinführung bekanntgegeben.
Report: Mit welchen Materialien arbeiten Sie im Modulbau?
Oberndorfer: Unser Hauptmaterial ist natürlich Stahlbeton, den wir allerdings auch einfärben und oberflächenbehandeln. Wir bieten aber auch gedämmte Elemente an, für die dann EPS und XPS verwendet werden.