Sonntag, Dezember 22, 2024

In der Baulehre ändert sich einiges – Mädchen entdecken die Baustelle, überzeugen durch handwerkliches Können und haben sehr gute Aufstiegschancen. Frauen in der Bauwirtschaft - Teil der Serie.

Maurer, Schalungsbauer und Tiefbauer zu sein, bedeutet körperlich schwere Arbeit. »Das schreckt Mädchen ab«, weiß Michaela Schindler, Lehrlingsexpertin in der Landesinnung Bau Wien. Dennoch nehmen immer mehr diese Herausforderung an. Beim heurigen Lehrlingscasting der BAUAkademie Ost waren bereits vier Mädchen am Start und bewiesen ihre Fähigkeiten als Maurerin. Julia Wetzer erzielte den hervorragenden achten Platz (von 62). Beim Lehrlings­casting der BAUAkademie Oberöster­reich überzeugte Kristina Aumayr als Viertplatzierte unter 113 Teilnehmern. »Mädchen sind durch bessere Feinmotorik oft handwerklich geschickter«, weiß Wilfried Weiss, Jugendkoordinator beim BFI.

Dass sie sich langsam auf den Weg in die praktische Bauwelt machen, sei sehr zu begrüßen. Österreich steht vor einem massiven Facharbeitermangel. »Es muss ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen, der Stellenwert des Handwerkes steigen«, fordert Maria Auer, Geschäftsführerin von Metall-Auer. Lust auf Outdoor macht Michaela Schindler von Bau Wien, indem sie Schulen einlädt. Atypische Berufe wie KFZ-Mechanikerin und Tischlerin seien kein No-go mehr. Eine hohe Quote würde aber bei Maurern, Schalern und Tiefbauern nie erreicht werden. Leichter hätten es Mädchen in Baubranchen wie Tapezierer, Maler und Steinmetz, »wo sie auch immer wieder bei Bewerben siegreich sind«, betont Franz Stefan Huemer, Geschäftsführer der Bundesinnungsgruppe Baunebengewerbe. Bei den EuroSkills 2016 siegte etwa Lisa Janisch bei den Malern und wurde als Europas beste Nachwuchskraft ausgezeichnet. Beim Europäischen Berufswettbewerb der Raumausstatter 2016 überzeugte Renate Gschirr in der Sparte Tapezierer und Dekorateur.

Blick auf den Bau

»Ich habe mich für einen handwerklichen Beruf entschieden, weil ich auf diese Weise etwas Bleibendes schaffen kann. Ich finde es toll, wenn man sieht, wie aus dem Nichts ein Gebäude entsteht«, berichtet eine junge Frau im dritten Lehrjahr. »Am Anfang wussten meine Arbeitskollegen nicht, was sie mir zutrauen können.« Das hat sich zwischenzeitlich geändert, die 17-Jährige ist im Team voll integriert. Auch Familie und Freunde sind stolz auf ihre bisherigen Erfolge. Wilfried Weiss ergänzt: »Mädchen überzeugen durch konzentriertes Herangehen an die Aufgabe, sie arbeiten mit Ruhe, Konsequenz, Bestimmtheit und nehmen Rücksicht. Dominanzverhalten fehlt.«


Julia Wetzer erreichte beim Aufziehen eines Kamins in der BAUAkademie Ost Platz 8.

Tamara Zbauzik, Projektleiterin ATM Architektur Technik Management ZT

Liebe und Talent für geometrisches Zeichnen im Gymnasium waren ausschlaggebend für ihre nunmehrige Tätigkeit als Baumeisterin. »Damals habe ich festgestellt, dass ich eine gute räumliche Vorstellungskraft besitze«, erzählt Tamara Zbauzik. Das Interesse für das Bauwesen hat zu einer Bau-HTL geführt. Bis heute bereut sie weder den Ausbildungsweg noch die Berufswahl. »Man kann laufend Neues lernen, es wird nie langweilig.« Dass sie in einer männerdominierten Branche arbeitet, ist für sie kein Problem. »Mit gewissen Kommentaren muss man leben«, lacht Zbauzik. »Unqualifizierte Bemerkungen darf man nicht ernst nehmen und am besten mit Witz darauf reagieren.«

Frauen am Bau spricht sie eine entscheidende Rolle zu, da diese meist gründlicher an die Sache herangehen und nicht auftrumpfen wollen. Mieterinnen und Eigentümerinnen fühlen sich bei Gesprächen mit Bautechnikerinnen, etwa bei Schadensbegehungen, oft wohler und besser zverstanden. Tamara Zbauzik geht ihrer Tätigkeit bei ATM mit Präzision nach. Es gibt keinen Stillstand, Kursangebote zur technischen Weiterbildung sowie zu Normen und Begutachtung treffen laufend ein. Derzeit arbeitet Zbauzik als Projektleiterin an einem großen Umbauprojekt in Wien. Abwechslung findet sie im sportlichen Bereich – beim Radfahren und auf dem Golfplatz.

Monika Döll,  Präsidentin BAU.GENIAL

Zur Bauwirtschaft ist Monika Döll, Präsidentin von BAU.GENIAL, zufällig gekommen. In dieser, wie sie selbst betont, ehrlichen und erdigen Branche fühlt sie sich wohl. Als Marketingleiterin von Isover wurde ihr schließlich die Präsidentschaft bei BAU.GENIAL angeboten. »Diese Aufgabe hat mich von Beginn an begeistert. Ich kann mich nun dem Holzbau widmen, der mich immer sehr angesprochen hat.« Mit Holz ist interessante Architektur möglich, es ermöglicht schnelle Bauzeiten, hohe Wirtschaftlichkeit und steht für Nachhaltigkeit. Besonders Letzteres ist Döll sehr wichtig. Sie wohnt in einem Passivhaus und lebt bewusst energieeffizient.

»Der Bau ist leider nicht in Holzleichtbauweise ausgeführt. Wir haben aber überall zumindest Holzböden«, so Döll, die auch in ihrer Freizeit die Natur sucht. Auf dem Berg und im Wald kann sie am besten ausspannen und nachdenken. Auch ihr Kind liebt Holz. Das Material fasziniert laut Döll jede Altersstufe, es bietet für jedes Kind viel Entdeckungspotenzial. Dass sie keine Technikerin ist, wertet Monika Döll als Vorteil. »Durch persönliche Gespräche habe ich mir ein fundiertes Know-how angeeignet. Man erfährt mehr als aus einem Lehrbuch.« Diese fachliche Kompetenz ist entscheidend in der Baubranche. Das Gegenüber muss sehen, dass man weiß, wovon man spricht, dass man sich dafür interessiert und gemeinsam in eine Richtung geht. »Dann wird man ernst genommen«, ist sie überzeugt. Eine Tätigkeit ohne bauspezifischen Hintergrund kann sich Monika Döll nicht mehr vorstellen.

Manuela Bruckner, Bauleiterin im Tiefbau Leyrer+Graf

Während ihres Studiums der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der BOKU Wien hat Manuela Bruckner festgestellt, dass ihre Stärken eher im Praktischen liegen. »Mir war wichtiger, vor Ort etwas in Händen zu halten als auf Plänen etwas zu zeichnen, das dann keiner bauen kann.« Damit war für sie ihre heutige Tätigkeit klar vorgegeben: Bauleiterin im Tiefbau bei Leyrer+Graf. Jeder Tag erfordert eine lösungsorientierte Herangehensweise, um plötzlich auftretende Herausforderungen, die im Bau immer wieder vorkommen können, einfach und rasch zu bewältigen.

Dafür fühlt sie sich bestens aufgestellt. Vor allem ihr Ehrgeiz, ihre Ausdauer, Geduld, Ruhe und Flexibilität würden sie als Bauleiterin befähigen. Diese Eigenschaften, aber auch Geradlinigkeit und Lösungsorientiertheit sind laut Manuela Bruckner Argumente, die für Frauen am Bau sprechen. Den nötigen Respekt müsse man sich am Anfang mit viel Fleiß erarbeiten, konsequent hinter den eigenen Aussagen stehen und mit der nötigen Dominanz die Richtung vorgeben. Dann sei die Zusammenarbeit mit Männern kein Problem. Derzeit überzeugt sie u.a. bei Abwasserprojekten in Obritzberg und Waidhofen/Ybbs. Wasser ist auch im privaten Umfeld wichtig: beim Schwimmen, Segeln und bei der Gartenarbeit.

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