Sonntag, Dezember 22, 2024

Um mehr Nutzfläche herauszuholen, sollen Gebäudehüllen immer dünner werden – und das, obwohl die Anforderungen an Fassaden stetig steigen. Innovative Lösungen und smarte Bauprodukte sind daher gefragt wie nie.

Von Gertrud Purdeller

Damit ein Gebäude wirtschaftlich, ökologisch nachhaltig und komfortabel in der Nutzung ist, müssen sehr viele, teils gegensätzliche Bedingungen erfüllt werden. Sollen neben ästhetischen Anforderungen die erforderlichen Werte in Bezug auf Wärme- und Schalldämmung, Wind- und Regendichtheit sowie Wasserdampfdurchlässigkeit erreicht werden, sind in der Regel mehrere Schichten und beträchtliche Fassadenstärken nötig. Dicke Wandstärken aus schweren Materialien bedeuten jedoch einen höheren Aufwand an grauer Energie. Außerdem gilt: Je dicker die Gebäudehülle, umso kleiner die Nutzfläche, welche ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit eines Bauwerks ist.

Weniger ist mehr

Baustoffforscher und Konstrukteure sind daher seit geraumer Zeit auf der Suche nach intelligenten Verbundwerkstoffen und Sandwichkonstruktionen, die den vielfältigen Anforderungen, die an Fassaden gestellt werden, begegnen und dabei wesentlich schlanker und somit wirtschaftlicher sind. Zwei dieser Ansätze, die sich in Amsterdam und Mannheim bereits in der Praxis zu bewähren scheinen, wurden auf der Advanced Building Skin in Bern präsentiert.

All in one

Das vor ca. einem Jahr fertiggestellte Hilton Hotel am Schiphol Airport in Amsterdam etwa ist rundum in Plastik gehüllt, genauer gesagt handelt es sich um gebogene Sandwichelemente, deren dicke Schale aus glasfaserverstärktem Polymer, kurz FRP (fibre reinforced polymer), besteht und innen mit einem harten, aber sehr leichten Dämmmaterial ausgefüllt ist. Die relativ großen Elemente von ca. 1,5 mal 2 Metern lassen sich schnell und einfach zu einer 275 Millimeter dünnen Wand mit homogenem Erscheinungsbild zusammensetzen. Da das Material weder spröde noch porös wird, geht man von einer Lebensdauer von etwa 50 Jahren aus, wobei kaum Wartungsarbeiten zu erwarten sind. Durch die lange Lebensdauer und den geringen Materialaufwand kann trotz Plastikhülle durchaus von einem ökologisch nachhaltigen Projekt gesprochen werden. Eine ordnungsgemäße Verarbeitung reduziert die Freisetzung schädlicher Substanzen auf ein Minimum.

Um den teils stark, teils weniger stark geschwungenen Baukörper mit dem leichten Verbundmaterial zu umhüllen, reichten insgesamt sieben verschiedene Formen aus. Da die Fertigung der Matrizen aufwendig und sehr teuer ist, war es wichtig, diese Zahl möglichst gering zu halten. Aus Kostengründen entschied man sich darüber hinaus, auf eine doppelseitige Schalung zu verzichten. Für große Elemente mittlerer Komplexität eignet sich das Vakuuminjektionsverfahren mit dem zusätzlichen Vorteil, dass das trockene Gewebe dabei in einer luftdichten Folie eingeschweißt wird, welche die Freisetzung schädlicher Substanzen verhindert. Verwendet man jedoch eine übliche Folie, ist die Faserstruktur nach dem Verformungsprozess an der Oberfläche sichtbar, wenn auf eine Gegenform verzichtet wurde.

Die Innenseite der Elemente wurde daher mit einer steiferen Folie überzogen, welche eine unregelmäßige Verformung der Oberfläche unterbindet. Um die erforderliche Festigkeit zu erreichen, mussten erst sowohl das richtige Kunstharz als auch die ideale Platzierung und Ausrichtung der Fasern ermittelt werden. Mit einer nur acht Millimeter dicken Schale und einer 135 Millimeter dicken Füllung aus PIR-Dämmstoff wurde schließlich ein Optimum an Festigkeit und Wärmedämmung erreicht. Zur Verbesserung der Schallisolierung war es jedoch nötig, die rautenförmigen Elemente mit Steinwolle zu hinterlegen. Für ausreichende Feuerwiderstandsfähigkeit sorgt eine bereits während des Verformungsprozesses angebrachte integrierte Gel-Beschichtung.

Beton von seiner dünnsten Seite

An einem anderen Verbundwerkstoff wird derzeit in Mannheim experimentiert. Aufgrund der durchgehenden Verwendung von Betonsandwichkonstruktionen als Fassade erklärten Fischer Architekten den Gewerbepark Eastsite Mannheim zu einem Versuchsfeld, in dem die Möglichkeiten des zeitgemäßen Plattenbaus ausgelotet werden. Mittlerweile wurden bereits zwölf Gebäude realisiert, wobei unterschiedliche Strategien, mit dem neuem Werkstoff umzugehen, erprobt wurden. Aufgrund der starken Materialersparnis birgt auch Textilbeton ein großes Potenzial, graue Energie einzusparen und Projekte darüberhinaus ökonomischer zu gestalten.

Spätestens seit dem 2010 von Boogertman und Partner entworfenen Soccer City Stadion in Johannesburg ist Textilbeton keine Neuheit mehr. Massenhersteller erzeugen seit Jahren Platten, die vor allem als vorgehängte Fassade Verwendung finden. Dem Team von Fischer Architekten geht es jedoch darum, eine Bauweise zu entwickeln, die dem Baustoff besser entspricht und sein Potenzial voll ausschöpft. An den zwölf Gebäuden, welche sich in Proportion, Material und Konstruktion sehr ähnlich sind, wurde jeweils ein anderer Ansatz verfolgt, wodurch jedes einzelne trotz strenger Vorgaben sein eigenes Gesicht erhielt. Die Energiebilanz der Bauten lag dabei immer unter 50 Prozent der Mindestanforderungen und durch die Verwendung von Textilbeton gelang es zusätzlich Ressourcen zu schonen. Im Gegensatz zu einer 10 bis 12 Zentimetern dicken stahlbewährten Vorsatzschale, ist eine glasfaserverstärkte Textilbetonplatte lediglich drei bis vier Zentimeter dick. Das bedeutet nicht nur eine Materialeinsparung, sondern auch einen beträchtlichen Gewinn an Fläche.

Neue Gestaltungsmöglichkeiten

Während auf der einen Seite die wirtschaftlichen und energetischen Vorteile einer sehr schlanken Fassade stehen, möchte man auf der anderen Seite nicht auf die Möglichkeiten von Beton in Bezug auf seine Plastizität verzichten. Am Projekt Eastsite Mannheim wird derzeit ausgelotet, wie der sogenannte flüssige Stein auch flächig in Szene gesetzt werden kann. Fassaden erhielten etwa eine schuppenartige oder geometrisch ornamentale Struktur und in Zusammenarbeit mit Künstlern wurde mit sehr flachen Matrizen experimentiert. Eine andere Möglichkeit wäre es aber auch sich von der japanischen Papierfaltkunst Origami inspirieren zu lassen. Ein Ansatz, dem es noch nachzugehen gilt.

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