Eine gelebte, partnerschaftliche Projektkultur ist kein zeitgeistiges Feigenblatt, kein »Nice-to-have«, sondern eine Notwendigkeit mit unmittelbaren positiven betriebswirtschaftlichen Konsequenzen. Was eine gute Projektkultur ausmacht, woran sie scheitern und wie man sie verbessern kann, zeigt der Bau & Immobilien Report.
Wenn Sie über Projektkultur reden, dann reden Sie über Geld« – so lautet das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie, die von der IG Lebenszyklus Bau in Kooperation mit der TU Wien und der TU Graz erstellt wurde. »Die Studienergebnisse zeigen einen hohen Einfluss der partnerschaftlichen Projektkultur auf den Projekterfolg, der sich etwa durch die Einhaltung von Kosten, Terminen und Qualität definiert«, erklärt der Leiter der IG-Arbeitsgruppe, Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer bei Delta. Während eine mittelmäßige, nicht konsequent gelebte Projektkultur ein hohes wirtschaftliches Risiko birgt, sind Bauprojekte ohne ein eingehaltenes Mindestmaß an Projektkultur zum Scheitern verurteilt. Nur eine vertrauensvolle, positive Projektkultur kann laut Studie den stabilen Projekterfolg sichern. Der hohe Stellenwert einer gelebten, partnerschaftlichen Projektkultur wird auch von wichtigen Stakeholdern bestätigt. Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft BIG und damit einer der wichtigsten öffentlichen Bauherren, sieht im partnerschaftlichen Umgang zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern »einen zentralen Aspekt für das Gelingen eines Bauprojekts«. Unerwartete Ereignisse oder Problemstellungen im Verlauf komplexer Bauprojekte hätten oft Mehrkostenforderungen, Terminverschiebungen oder unterschiedliche Erwartungen an die Qualität der Ausführung zu Folge. »In regelmäßigen Abständen abgehaltene Gespräche führen zeitnah zu konstruktiven Lösungen, die alle Beteiligten akzeptieren und mittragen«, erklärt Gleissner. Das sorge wiederum für Kostensicherheit, Zufriedenheit mit den Leistungen und nicht zuletzt für positive Stimmung und fairen Umgang miteinander im Projektalltag. Ganz ähnlich sieht das auch Porr-CEO Karl-Heinz Strauss. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber, Planern, Sonderfachleuten und Nachunternehmen hat für ihn gleich mehrere positive Effekte. »Höhere Ausführungsqualität, raschere Entscheidungen und präzisere Einhaltung der Terminpläne. In der Regel führen genau diese Faktoren auch zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen«, ist Strauss überzeugt.
>> Worauf es ankommt <<
Ein wesentlicher Aspekt einer gelebten Projektkultur ist Vertrauen, von Wolfgang Kradischnig auch als »Währung« der Baukultur bezeichnet. »Je höher das gegenseitige Vertrauen, desto besser ist die Projektkultur. Umgekehrt wird Vertrauen auch durch eine offene, wertschätzende Kultur geschaffen. Es handelt sich also um einen Kreislaufeffekt«, erklärt Kradischnig. Ein weiteres Merkmal einer positiven Projektkultur ist die Möglichkeit der Mitgestaltung. Für Olga Winkler, Human Resource Managerin und Leiterin des Bereichs »Kulturgestaltung im Bauprojekt« bei Delta, bedeutet das, dass sich die Projektbeteiligten aktiv mit neuen Ideen und Ansätzen einbringen, mit dem Ziel, die Effizienz im Projekt kontinuierlich zu verbessern. »Des Weiteren gibt es eine kollektive Verantwortung, was konkret heißt: Ich übernehme nicht nur für mich selbst Verantwortung, sondern für das gesamte Projekt, in dem ich tätig bin«, so Winkler.
Eine gute Projektkultur erkennt man zudem oft daran, wie mit Problemen und Krisen umgegangen wird. Für Porr-Chef Strauss geht es darum, dass »alle Beteiligten ihre Kapazitäten auf den Erfolg des gemeinsamen Projekts fokussieren, anstatt zu beweisen, dass der jeweils andere einen Fehler begangen hat.« Statt den »Schuldigen« zu identifizieren, muss also die gemeinsame Suche nach Lösungen im Vordergrund stehen. Zusammenhalt, Teamgeist und ein wertschätzender Umgang zwischen den Projektbeteiligten sind in einer offenen Kultur deutlich spürbar. »Eine positive Projektkultur schafft Transparenz, Klarheit, aber auch Verbindlichkeit gegenüber meinen Mitmenschen«, fasst Winkler zusammen.
>> Woran Projektkultur scheitert <<
Am Beginn eines Projekts wird die Idee einer partnerschaftlichen Projektkultur in der Regel von allen Beteiligten begrüßt. Schließlich erlebt jeder gerne Wertschätzung und Anerkennung und wird in Entscheidungsprozesse eingebunden. Auch ist grundsätzlich einsichtig, dass ein kooperatives Verhalten nicht nur ein angenehmes Arbeitsklima schafft, sondern auch zu einem tendenziell besseren Ergebnis führt. Dennoch kann bei der Umsetzung einiges schief laufen. Die größte Stolperfalle lauert laut Wolfgang Kradischnig darin, dass die Projektkultur nicht bewusst kontinuierlich gefördert und weiterentwickelt wird: »Wenn es etwa bei einzelnen Maßnahmen zu Projektbeginn, wie einem einmalig durchgeführten Workshop oder der schriftlichen Festlegung von Regeln, bleibt und diese nicht regelmäßig aktiv gepflegt und reflektiert werden.« Fälschlicherweise herrsche dann oft die Meinung vor, dass »bereits genug zur Unterstützung der Projektkultur getan wurde«. Ganz ähnlich sieht das Martin Steininger, Vorstand des eben für den Neubau der Firmenzentrale mit dem Lebenszyklus-Award ausgezeichneten Windstromproduzenten Windkraft Simonsfeld. »Partnerschaftliche Projektkultur muss mit Leben erfüllt werden. Sie ist daher eine tägliche Herausforderung in der Umsetzung, besonders dann wenn Interessen einmal nicht in übereinstimmen.«
Hinderlich für den Aufbau einer positiven Projektkultur ist außerdem, wenn Unsicherheit unter den Projektbeteiligten besteht, Projektbeteiligte nicht aktiv einbezogen werden, unter Druck gearbeitet wird, Erfolge nicht gefeiert werden oder keine bzw. mangelnde Balance zwischen Forderung und Belohnung vorliegt.
Die größten Vorbehalte gegenüber dem Thema Projektkultur haben in der Regel jene Personen, die Schwierigkeiten haben, ihrem Umfeld zu vertrauen und sich auf andere einzulassen. »Typischerweise handelt es sich um Einzelkämpfer, die nicht daran gewöhnt sind, im Team zu arbeiten und gemeinsam Entscheidungen zu treffen«, weiß Olga Winkler.
>> Wie man die Kultur verbessert <<
Eine positive Projektkultur muss von Anfang an aktiv gefördert werden. Alle Projektbeteiligten sollten gleich zu Beginn die Möglichkeit haben, sich gegenseitig kennenzulernen. »Sowohl die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Teammitglieder als auch die Erwartungen des Bauherrn müssen bekannt sein und berücksichtigt werden«, erklärt Kradischnig. In weiterer Folge gelte es, gemeinsame Spielregeln zu erarbeiten und die Zusammenarbeit immer wieder zu reflektieren. Essenziell ist zudem, sich auf die individuellen Projekte und Teams einzustellen. Denn jedes Projektteam ist anders und hat seine eigenen Dynamiken.
Die zentralen Punkte einer erfolgreichen Projektkultur:
- Transparenz, Vertrauen und Verbindlichkeit schaffen
- Projektabwicklung auf Augenhöhe, wertschätzender Umgang zwischen den Projektbeteiligten
- gegenseitige Unterstützung
- Feedbackkultur
- Stärken sichtbar machen
- Referenzen durch gemeinsamen Erfolg schaffen
- ehrliche Kommunikation
- lösungsorientierte Konfliktkultur
- Mediation und andere Lösungsmethoden der außergerichtlichen Konfliktregelung
- positive Fehlerkultur leben