Am Erste Bank Campus diskutierte ein prominentes Podium auf Einladung des Ausschusses Nachhaltiges Bauen der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen über die Auswirkungen der Vergaberechtsnovelle. Dabei wurde insbesondere auf die Relevanz der Bestellqualität von öffentlichen AuftraggeberInnen eingegangen.
80 bis 90 % der öffentlichen Beschaffungsvorgänge weisen Schwachstellen im Vergabeprozess bzw. Verstöße gegen die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes auf«, skizzierte Hermann Primig, Leiter der Abteilung für Bauangelegenheiten im Rechnungshof, die derzeitige Situation im Bestellwesen. Dies zeige auf, dass die Anwendung des stetig komplexer werdenden Bundesvergaberechtsgesetzes eine enorme Herausforderung für diese sei. Vor allem kleinere Gemeinden wären von der Komplexität der rechtlichen Vorgaben überfordert.
Architektin Hemma Fasch warf an dieser Stelle ein, dass es sich weniger um »Komplexität«, sondern vielmehr um »Kompliziertheit« des Bundesvergabegesetzes handle, die dessen korrekte Anwendung für AuftraggeberInnen fast unmöglich mache. Dabei müsse es doch im Interesse des Gesetzgebers sein, das Gesetz so zu gestalten, dass es für AnwenderInnen les- und bewältigbar ist. Gleichzeitig plädierte sie für eine Kontrolle des Bestellprozesses, da vonseiten der PlanerInnen schlichtweg kein nachhaltiges Bauen ohne die entsprechenden Bestellqualitäten und den Willen der AuftraggeberInnen möglich sei.
Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft, führte diese Überlegungen weiter und warnte vor dem Szenario, dass der immer größer werdende Aufwand der Umsetzung für AuftraggeberInnen zu einer Verschiebung des Vergabeprozesses von der traditionellen Einzelgewerke- zu einer Generalunternehmerausschreibung führen könne. Denn Generalunternehmer tendierten zum Aufbau einer Subunternehmerkette, wodurch genau das Gegenteil dessen bewirkt würde, was durch die Stärkung des Bestbieterprinzips im Bundesvergabegesetz erreicht werden sollte.
Im Sinne des Nachhaltigkeitsthemas relativierte Helmut Moser, Gruppenleiter der Sektion III/A im BMBF: Das bis jetzt geübte Vergaberecht bot genug Möglichkeiten, um nachhaltig zu bauen. Was zähle, sei der Wille der BauherrInnen etwas aus diesen Möglichkeiten zu machen.
>> Hinderlich und nicht zielführend <<
Was ein zukunftsträchtiges Bundesvergabegesetz im Sinne der Stärkung des Bestbieterprinzipes laut Hermann Primig benötigen würde, wäre das Einbeziehen von Lebenszykluskosten: »Man spricht ständig von Baukostenüberschreitungen, von Lebenszykluskostenüberschreitungen hört man aber nie.« Laut Primig wäre ein Monitoring für BauherrInnen notwendig, um Lebenszykluskosten über etwa 50 Jahre feststellen zu können.
Alfred Jöchlinger, Geschäftsführer des Auftragnehmerkatasters Österreich, betonte hingegen den Beratungsprozess, der maßgeblich für die Bestellqualität sei – Kriterien und rechtliche Rahmenbedingungen könnten aber Vertrauen und das Wahrnehmen von Verantwortung nicht ersetzen, da die Entscheidung letztlich bei den BauherrInnen liege.
Am Ende der Diskussion waren sich alle Podiumsgäste einig, dass der rechtliche Überbau des Bundesvergabegesetzes per se Nachhaltigkeit nicht verhindere, durch seine Komplexität und eine steigende Anzahl von Regelungen im Sinne des Bestbieterprinzips und der Nachhaltigkeit im Bau jedoch nicht notwendigerweise zielführend, vielleicht sogar hinderlich sei. Die Anwendung des Gesetzes sowie die Verantwortung und der Wille zu nachhaltigem Bauen liegen nach Meinung aller SprecherInnen bei den AuftraggeberInnen – deren Bestellqualität sei entscheidend. Ob Lebenszykluskosten eines Tages Teil eines zukunftsträchtigen Bundesvergabegesetzes werden, bleibt offen. Änderungen sind aber bereits im Herbst 2016 zu erwarten.