Lösungen zur Digitalisierung von Baumaschinen haben heute fast alle Hersteller im Programm. Allerdings handelt es sich dabei fast ausnahmslos um Insellösungen. Es gibt aber auch Ausnahmen, wie ein eben umgesetztes Großprojekt zeigt.
Man kann der Baubranche sicher vieles nachsagen, dass sie zu den Early Adopters zählt aber eher nicht. Während die Digitalisierung in anderen Brachen bereits weit fortgeschritten ist und zum Innovationstreiber wurde, geistert durch die Bauwirtschaft immer noch die Idee, dass Digitalisierung vor allem BIM bedeutet. Nicht nur, dass BIM in Österreich von einem flächendeckenden Einsatz ohnehin noch Lichtjahre entfernt ist, greift dieser Gedanke auch viel zu kurz. »Digitalisierung ist viel mehr als BIM«, sagt etwa Gerald Goger, seit 1. April Professor am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement der TU Wien, im Interview mit dem Bau & Immobilien Report (siehe Seite 18). Während BIM vor allem ein externes Instrument ist, ist die Digitalisierung ein interner Prozess.
»Nichts verändert unsere Gesellschaft und das Kommunikationsverhalten zur Zeit mehr als die zunehmende Digitalisierung«, sagt Phat Huynh, Geschäftsführer Telekom Austria Group M2M. Das gilt auch für die großen Maschinenparks der Bauunternehmen. Während die Transport- und Logistikbranche ihre Fuhrparks schon länger digitalisiert hat, halten vernetzte Telematiksysteme in der Baubranche mit Verzögerung Einzug.
Verbreitete Insellösungen
Entsprechende Lösungen haben heute aber fast alle namhaften Hersteller im Angebot. Bei JCB etwa werden heute 85 Prozent aller in Europa verkauften Maschinen serienmäßig mit dem Live-Link-Telematiksystem ausgerüstet. LiveLink stellt eine Telemetrie-Verbindung zur Maschine her, von der der Besitzer die Standortinformationen in Echtzeit erhält. LiveLink informiert über Auslastung und Zustand der Maschine, Stillstandszeiten, den Kraftstoffverbrauch, warnt in Echtzeit bei Störungen und liefert einen detaillierten Ereignisverlaufbericht. Bei Kunden besonders gefragt ist der aus Geofence und Curfew bestehende Diebstahlschutz. Geofence alarmiert in Echtzeit, wenn die Maschine einen festgelegten Korridor verlässt, Curfew bei einer Inbetriebnahme außerhalb des Einsatzbereiches. Dass das System auch in der Praxis funktioniert, weiß Michael Hutterer, Geschäftsführer der in Österreich für den JCB-Vertrieb verantwortlichen Terra Austria. »Damit ist es uns etwa im letzten Jahr gelungen, eine Maschine, die in Deutsch-Wagram verschwunden war, in einem tschechischen Stadl wiederzufinden.«
Bild oben: Gemeinsam mit der Telekom Austria Group M2M hat die Porr in einem zweijährigen Großprojekt ihren Maschinenpark digitalisiert, um durch präventive Wartung nachhaltige Einsparungen zu erzielen.
Bei Zeppelin wurde eine eigene Business Unit eingerichtet, die sich ausschließlich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. Dabei geht ebenso um die Frage nach zukünftigen Geschäftsmodellen wie um die Digitalisierung der Baumaschinen, dem Kundendienst und dem Support. Schon seit einigen Jahren kommt in den Caterpillar-Maschinen Vision Link zum Einsatz. Damit melden die Maschinen permanent ihre GPS-Position, Start-/Stopp-Zeiten, Kraftstoffverbrauch, Betriebsstunden, Kraftstofffüllstand, Fehlercodes und vieles mehr. Der Zeppelin Service nutzt VisionLink für die Betreuung der Kundenmaschinen, etwa im Rahmen eines Servicevertrags, und kann im Bedarfsfall schnell eingreifen.
Das Telematik-System von Komatsu hört auf den Namen Komtrax und optimiert das Flottenmanagement und ermöglicht vorausschauende und präventive Wartungseinsätze. Angezeigt werden der aktuelle Maschinenstandort und die Maschinenhistorie, die Betriebsstunden, Maschinenfehler- und Warnmeldungen sowie die Betriebsstunden bis zur nächsten Wartung und die dafür nötigen Teile. Bei Volvo liefert CareTrack jede Menge Informationen, vom Kraftstoffverbrauch über die Betriebsstunden bis zum Standort der Maschine. Zudem kann das CareTrack-Portal für die Verwaltung der Maschinenwartung und der Verschleißteile verwendet werden.
Die Vorteile digitalisierter Baumaschinen
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Bei Liebherr kommt das sogenannte LiDAT-System zum Einsatz, das eine Vielzahl von datenbezogenen Auswertungen für Kunden, Kundendienst und Entwicklung ermöglicht. »Typische Einsatzgebiete sind das Flottenmanagement, die Maschineneinsatzoptimierung inklusive Dokumentation, die präventive Wartung sowie die anwendungsbezogenen Optimierungen der Bauteilauslegung«, erklärt Johann Stickler, Geschäftsführer der Liebherr-Werk Bischofshofen GmbH für den Bereich Technik.
Der Vorteil von LiDAT ist, dass auch Maschinen anderer Hersteller integrierbar sind und so umfassende Maschinenparks verwaltet werden können. Das ist aber die absolute Ausnahme – in der Regel handelt es sich derzeit in den allermeisten Fällen noch um Insellösungen, die nicht miteinander kompatibel sind. Das bestätigen auch Michael Hutterer und Friedrich Mozelt, Vorsitzender der Geschäftsführung von Zeppelin Österreich. »Vor allem große Unternehmen haben das Problem, dass sie verschiedene Marken in ihrem Maschinenpark haben, die alle über ein eigenes System verfügen«, sagt Hutterer. Ziel müsse es daher sein, die unterschiedlichen Systeme über Schnittstellen zusammenzuführen. »Es muss nicht immer alles neu erfunden werden«, so Hutterer. Auch für Mozelt muss das Ziel sein, dass sich auch die Maschinen verschiedener Hersteller untereinander verstehen. »Wir arbeiten schon jetzt daran, bestehende Systeme zu öffnen. Und die nächste Generation von VisionLink wird so gestaltet sein, dass eine offene Kommunikation möglich ist«, kündigt Mozelt an. Hinter vorgehaltener Hand hört man allerdings von mehreren Seiten, dass sich die Begeisterung über offene Systeme bei vielen Herstellern in Grenzen hält. Schließlich will nicht jeder, dass andere einen Blick in das Herz der eigenen Maschinen werfen.
Alle Maschinen unter einem Dach
Solange die Systeme untereinander nicht oder nur schlecht kommunizieren, braucht es die Hilfe Dritter, um alle Maschinen unter einen Hut zu bekommen. »Unsere Flotte und der Maschinenpark bestehen aus unterschiedlichsten Modellen verschiedener Hersteller. Darunter befinden sich modernste Neuanschaffung und bestehende Gerätschaften unterschiedlichen Alters«, berichtet etwa Werner Zenz, Geschäftsführer der Porr Equipment Services GmbH, der eine Lösung suchte, die für alle Anlagen kompatibel ist. Deshalb wurde bereits im Herbst 2014 ein Pilotprojekt mit zwei Anbietern, der Telekom Austria Group M2M und der Kapsch BusinessCom AG, gestartet. Den Zuschlag erhielt schließlich die Telekom Austria Group M2M gemeinsam mit dem oberösterreichischen Telematik-Spezialisten Ceplus. Asset Tracking nennt sich die Lösung, die Fahrzeuge, Maschinen und Gerätschaften aller Art mittels GPS-Ortung und Sensorik elektronisch erfasst und die Daten per M2M-Kommunikation in Echtzeit überträgt.
Bild oben: »LiDAT ist seit Jahren bei Liebherr eingeführt und ermöglicht eine Vielzahl von datenbezogenen Auswertungen für Kunden, Kundendienst und die Entwicklung«, erklärt Johann Stickler, Geschäftsführer der Liebherr-Werk Bischofshofen GmbH für den Bereich Technik.
Ziel des Projektes war die Optimierung der Wartungszeitpunkte durch zeitnahe und korrekte Erfassung von Kilometerständen und Betriebsstunden von Baufahrzeugen und Baumaschinen. Die Digitalisierung bringt laut Zenz vor allem eine größere Flexibilität. »Wir können jetzt beispielsweise unser Controlling von einer reinen Euro-Betrachtung je Zeitraum auf eine Kilometer- bzw. Betriebsstundenbasis umstellen. Durch die neue Ausstattung fällt uns auch die Bestimmung des Einsatzgrades leichter und in weiterer Folge jene des Auslastungsprofils unserer Geräte. Im Instandhaltungsmanagement ergibt sich mit der proaktiven Servicesteuerung ebenfalls ein Vorteil.« Ein weiterer Vorteil sei der Diebstahlschutz. »Die Möglichkeit der Nachverfolgung der digitalisierten Maschinen hat sich schon zweimal bewährt Als die entwendeten Maschinen am Bestimmungsort eintrafen, wartete schon die Polizei auf die Kriminellen«, erzählt Zenz.
In den letzten vier Monaten wurden an 30 Standorten in Österreich, Deutschland und Tschechien über 4.000 Fahrzeuge und Geräte mit Asset Tracking ausgestattet. Dem vorausgegangen ist die Schulung der Porr-eigenen Montagemitarbeiter in einem Train-the-Trainer-Konzept. »Digitalisierung bedeutet immer auch Transformation und daher Change Management. Wird dies nicht erkannt, dann liegt der größte Aufwand darin, im Nachhinein die betroffenen Unternehmensbereiche, Mitarbeiter und Prozesse abzustimmen«, erklärt Phat Huynh von der Telekom. »Die erfolgreichsten Umsetzungsprojekte sind jene, die gut geplant sind und alle betroffenen Unternehmenseinheiten frühzeitig involvieren, um betroffene Prozesse und organisatorische Implikationen zu berücksichtigen und zu planen – das geht vom Baggerfahrer über den Servicetechniker bis hin zum Systemadministrator und hört zuletzt beim Datenschutzverantwortlichen der Personalvertretung auf.«
Bild oben: »85 % aller in Europa verkauften JCB-Maschinen sind serienmäßig mit dem LiveLink-Telematiksystem ausgerüstet«, erklärt Michael Hutterer, Geschäftsführer Terra Austria.
Die Schulung der Mitarbeiter sei daher erfolgskritisch. Denn das beste System ist nicht jenes mit den meisten Funktionen, sondern jenes, das durch überzeugende Usability von den Mitarbeitern am besten akzeptiert wird und fehlerfrei eingesetzt werden kann. »Ein zentrales Administrations-System und dezentrale Montage-Apps für das Smartphone helfen Mitarbeitern mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Tipps für die effiziente Nutzung. Unsere Signaltester helfen dem Mitarbeiter mit einfachen Ampelsystemen die richtige Verkabelung sicherzustellen und erhöhen damit die Qualität des Einbaus. Der Rollout bei Porr während der kurzen Winterpause wäre ohne diese Systeme und ohne entsprechend geschulte Mitarbeiter undenkbar gewesen.«
Digitalisierung ist Chefsache
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, die Digitalisierung als Technikprojekt zu sehen und sie von den entsprechenden Abteilungen abwickeln zu lassen. »Es wird häufig übersehen, dass Digitalisierung die Prozesse des gesamten Unternehmen betrifft und daher Chefsache sein sollte«, sagt Phat Huynh. Die Aufwände für die Einführung des technischen System sollten zumindest in gleicher Höhe Einsparungen entlang der Prozesskette bringen. »Daher ist Digitalisierung nicht als Kostenfaktor, sondern als Investition zu sehen.«
Sinnvoll ist es auch, an den Beginn des Digitalisierungsprozesses ein Pilotprojekt zu stellen. Dieses hilft nicht nur bei der Auswahl der Technologie und des Lieferanten, sondern auch dabei, das eigene Team mit dem System vertraut zu machen und mögliche Implikationen zu planen. Die Einführung eines flächendeckenden Systems sollte frühzeitig geplant werden. »Bei großen Unternehmen sollte mit mindestens zwei Jahren Vorlaufzeit gerechnet werden, kleiner angelegte Projekte schaffen dies auch schneller«, sagt Phat Huynh.