Geht es um das Thema Brandschutz, geraten sich die Leicht- und Massivbaulobbys regelmäßig in die Haare. Die Überarbeitung der OIB Richtlinie 2 hat nur weiteres Öl ins Feuer gegossen. Unabhängige Experten sind sich über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Bauweise weitgehend einig. Außerhalb der Expertenkreise noch weitgehend unbekannt: Passivhäuser stellen im Brandfall eine echte Gefahr für Leib und Leben dar.
Österreich kommt es jährlich zu rund 25.000 Bränden. Im Schnitt brennt es also etwa alle 20 Minuten. In der Hälfte der Fälle wird laut dem österreichischen Brandschutzforum lediglich ein Kleinschaden mit weniger als 100 Euro Kosten verursacht. Dass der Schaden auch immens sein kann, zeigt das Beispiel der Firma Leykam in Neudörfl an der Leitha. Dort brach im Jahr 2006 ein Feuer aus, das mit 80 Millionen Euro den höchsten Einzelschaden in Österreich nach sich zog. Im langjährigen Mittel belaufen sich die Brandschäden österreichischen Brandschutzverhütungsstellen zufolge auf ca. 260 Millionen Euro pro Jahr, Tendenz steigend. Absoluter Ausreißer nach oben war dank einiger Großbrände im Bereich Gewerbe und Industrie das Jahr 2014 mit einer Rekordsumme von fast 420 Millionen Euro. Die häufigsten Brandursachen im Jahr 2014 waren »Blitzschlag« und »Offenes Licht/Feuer« (je 18 %), »elektrische Energie« (17 %) und »Wärmegeräte« (12 %).
Zwar gibt es keine schlüssige Zuordnung zwischen Brandursache, Häufigkeit und Baustoff. Dass die Bauweise und die verwendeten Baustoffe in Hinblick auf den Brandschutz eine große Rolle spielen, ist aber unbestritten. In schöner Regelmäßigkeit liefern sich Holz- und Massivbauer deshalb auch regelrechte mediale Schlammschlachten zum Thema. Jüngster Stein des Anstoßes war die Überarbeitung der OIB Richtlinie 2 vom März 2015. »Das Ziel war, die Bestimmungen zwecks Reduktion der Baukosten zu vereinfachen«, erklärt Rainer Mikulits, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB). Ob dieser prinzipiell vernünftige Gedanke auch erfolgreich umgesetzt wurde, darüber herrscht in den beiden Lagern naturgemäß keine Einigkeit. Während für Stefan Vötter, Geschäftsführer der Leichtbau-Interessensvertretung Bau.Genial, »mit der Überarbeitung der OIB-Richtlinien eine Gleichstellung der Bauweisen hergestellt worden ist«, führt für Reinhold Lindner, Sprecher des massiven Pendants Bau!Massiv!, die »Herabsetzung des Brandschutzniveaus dazu, dass bei Gebäuden aus Holz zusätzliche haustechnische Einbauten wie teure Brandmeldeanlagen getätigt werden müssen«. Ob dies im Sinne der angedachten Vereinfachung und Kostenreduktion ist, soll laut Lindner jeder selbst beurteilen.
OIB-kritische Experten
Unabhängige Experten sehen die Überarbeitung der OIB Richtlinie 2 weitgehend kritisch. Für Martin Swoboda, Brandschutzexperte beim TÜV, war die Lockerung der OIB Richtline »aus brandschutztechnischer Sicht ein Fehler«. Dabei bezieht er sich in erster Linie auf die Fluchtwegslängen, die erhöht wurden, und die Tatsache, dass im Brandfall die Türen nun von doppelt so vielen Menschen benutzt werden dürfen als zuvor. Auch für Stefan Horak, Geschäftsführer des Sicherheits- und Brandschutzglas-Spezialisten Vetrotech, ist die »Änderung der OIB-Richtlinie, die ohne Vorwarnung im Wiener Wahlkampf beschlossen wurde, nicht nachvollziehbar«. Otto Widetschek vom Brandschutzforum Austria bewertet die »getroffenen Klarstellungen und Vereinfachungen« zwar prinzipiell positiv, kritisiert aber, dass eine Reihe von Regulativen eingeführt wurden, welche grundsätzliche Fragen des Brandschutzes, wie Brandabschnittsbildung, Fluchtwegplanung und Rauchausbreitung, betreffen.
» Es darf vielfach bezweifelt werden, ob das Einsparungspotenzial im Einklang mit den dadurch erzeugten Brandschutzdefiziten steht«, sagt Widetschek. Sorgen bereitet ihm vor allem, dass nun die Möglichkeit besteht, Gebäude mit bis zu sechs oberirdischen Stockwerken in Holzbauweise zu errichten. »Eine derartige Liberalisierung ist gerade hier ohne flankierende Maßnahmen gefährlich und wird in Zukunft in vermehrtem Maße schwer bekämpfbare Brandereignisse auslösen.« Da man bei einer derartigen Bauweise ergänzend zusätzliche technische Brandschutzmaßnahmen setzen muss, um einen äquivalenten Brandschutzstandard im Vergleich zu Massivbauten gewährleisten zu können, sieht er auch kein wesentliches Einsparungspotenzial.
Unterstützung bekommt der Holzbau von unerwarteter Seite. Denn Feuerwehren stehen dem Baustoff Holz im Gegensatz etwa zu Stahlkonstruktionen aufgrund des kalkulierbaren Abbrandverhaltens grundsätzlich positiv gegenüber. Das bestätigt auch Stefan Vötter, selbst als Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, und führt weiters ins Rennen, dass die oberste Gefahrenquelle für Bewohner die mobile Brandlast ist. »Zuerst brennen die Inneneinrichtung und dekorative Gegenstände. Dabei entstehen Rauchgase, und die sind die größte Gefahr für Leib und Leben – lange bevor die Brandlast des Gebäudes zum Tragen kommt.« Tatsächlich fallen rund 80 Prozent der Brandtoten den Rauchgasen zum Opfer, nur 20 Prozent sterben durch direkte Flammeneinwirkung.
Vorteil Massivbau
Für Otto Widetschek ist dennoch klar, dass »Massivbauten im Vergleich zur Leichtbauweise beim Thema Brandschutz Vorteile besitzen«. Massive Baustoffe sind nicht brennbar, Geometrie und Form der Konstruktion bleiben auch im Brandfall weitgehend erhalten. »Zudem setzt mineralisches Mauerwerk der Ausbreitung von Feuer erheblichen Widerstand entgegen und es entstehen keine giftigen Rauchgase. Damit ist die Chance, sich im Brandfall unverletzt aus einem Massivbau retten zu können, sehr groß«, nennt Lindner weitere Vorteile »seiner« Baustoffe.
Zwar sind die geltenden Brandschutzbestimmungen auch mit Holz umsetzbar, der Teufel liegt aber im Detail. »Wird Holz als Baustoff verwendet, liegen die Brandschutzdefizite häufig im Bereich von Ausführungsmängeln. Beispielsweise sind Durchführungen von Leitungsanlagen der Elektro- oder Haustechnik im Holzbau problematisch, wenn sie nicht präzise geplant und danach dementsprechend ausgeführt werden«, sagt Widetschek. Hat sich das Feuer erst einmal in eine Wand gefressen, kann es bei Holzbauten rasch übergreifen. Das Gesamtsystem verzeiht aus brandschutztechnischer Sicht keine Fehler. Zwar gibt es mittlerweile Lösungen, bei denen mit Dichtungsstreifen der Wand-Decken-Anschluss brandschutztechnisch qualifiziert ausgebaut werden kann, um eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Aus Kostengründen kommen diese laut Alfred Pölzl, Geschäftsführer der Pölzl Totter Brandschutzmanagement GmbH, aber nicht standardmäßig zur Anwendung.
Gefahr Passivhaus
Großes Gefahrenpotenzial sieht Alfred Pölzl in modernen Bauweisen wie dem Passivhaus. Die luftdichte Bauweise führt dazu, dass im Brandfall im Rauminneren ein deutlich höherer Druck entsteht. »Bei herkömmlichen Objekten entsteht ein Überdruck von 50 Pascal. Bei diesem Druck benötigt man einen Kraftaufwand von zehn Kilogramm, um ein Fenster oder eine Tür zu öffnen. In einem Passivhaus hingegen entsteht in den ersten 320 Sekunden ein Druck von 500 Pascal. Das heißt, Fenster und Türen lassen sich praktisch nicht mehr öffnen.« Genau dieses Zeitfenster sei aber wichtig, um rechtzeitig die Flucht ergreifen zu können.
Ein weitere Gefahrenquelle stellt naturgemäß die Dämmung dar. »Massivbauten werden meist mit Styropor gedämmt. Das führt zu einem Brandüberschlag in wenigen Sekunden«, sagt TÜV-Experte Martin Swoboda. Hier könnte der Leichtbau durch vorgefertigte Paneele unter Umständen sogar im Vorteil sein, wenn schon in der Produktion vermehrt auf Brandschutz geachtet wird.
Generell empfiehlt Pölzl den Einsatz von nicht brennbarer Mineralwolle. Kommen klassische Wärmedämmverbundsysteme zum Einsatz, geht es vor allem um eine sachgerechte Verarbeitung. Denn wenn man die Fehleranfälligkeit der einzelnen Gewerke unter die Lupe nimmt, ist es in der Regel menschliches Versagen, das zu Problemen führt. »Es ist leider festzustellen, dass Brandschutz bei den Handwerksausbildungen vernachlässigt wird oder überhaupt keine Erwähnung findet. Die mangelnde Unterweisung führt dazu, dass Brandschutz oft stiefmütterlich behandelt wird und oft nur durch Glück lebensbedrohende Ereignisse nicht eintreten«, sagt TÜV-Experte Swoboda. Schon ein geringfügiger Mangel in der Verarbeitung kann zu einem Versagen des Gesamtsystems führen. Deshalb muss laut Pölzl die Herstellungsüberwachung weiter forciert werden. »Das, was im Bereich von Brandmeldeanlagen, Löschanlagen, Brandrauchentlüftungsanlagen und sogar bei Wandhydranten schon längst üblich ist, muss auch bei allen anderen Bereichen des Brandschutzes praktiziert werden. Eine dritte Person muss prüfen«, so Pölzl. Das garantiere nicht nur, dass ausschließlich zugelassene Bauteile verwendet werden, sondern auch, dass die Teile richtig eingebaut werden und zum Zeitpunkt der Abnahme keine Mängel vorhanden sind.