Das Thema Digitalisierung steht auch am Bau im Fokus. Neben digitalem Planen am Arbeitsplatz braucht es auch neues Denken: ganzheitlich.
Die Digitalisierung in der Baubranche ist weit fortgeschritten. »Architekten haben sich bereits in den 90er-Jahren intensiv damit beschäftigt«, weiß Georg Suter vom Center for Geometry and Computational Design an der TU Wien. Zunehmende Projektgrößen, komplexere Gebäudegeometrien und erhöhte Anforderungen an die Gebäudeperformance im Hinblick auf Energie- und Ressourceneffizienz bedingen eine vertiefte Digitalisierung im Planungs- und Bauprozess. Die Zahl der am Planungsprozess beteiligten Disziplinen wächst ständig. Laut Porr müssen alle Projektbeteiligten auf Augenhöhe arbeiten. »Jeder muss den anderen verstehen und Probleme erkennen. Derzeit gibt es zwar viele Besprechungen mit allen Fachdisziplinen, aber meist ist jeder nur auf seinen Bereich fokussiert«, betont Gernot Wagner, Geschäftsführer von Porr Design & Engineering. »Viele Projekte, die wir von der Einreichplanung übernehmen, sind weder koordiniert noch abgestimmt.«
Integrales Denken
Digitalisierung am Bau hat sich durchgesetzt – nicht mehr wegzudenken ist sie etwa durch den extremen Termindruck beim Vermessen. Baubegleitend dürfen sich Fachplaner aber nicht auf die eigenen Planungsgedanken reduzieren. Laut Porr ist ganzheitliches Denken gefragt, damit es nicht zu zeitlichen und finanziellen Nachteilen führt. »Je schneller die Informationen in der Bauphase umfassend berücksichtigt werden, umso besser kann gesteuert werden«, betont Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von Baukultur.
Den großen Stellenwert ganzheitlichen Agierens bestätigt auch Peter Reichel, Geschäftsführer des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins. Nur 20 Prozent der Baukosten fallen in der Errichtung an, 80 Prozent im Betrieb. Daher ist eine umfassende Planung wichtig, die im Planungsstab schon einschließt, welche technische Gebäudeausrüstung das Gebäude hat, und frühzeitig das Facility Management einbezieht. Dazu Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der Bundes-immobiliengesellschaft: »Wir setzen auf CAFM, computergestütztes Facility Management System. Das ist Stand der Technik und bereits breit in der Anwendung. Kosten können damit reduziert und Bewirtschaftungsprozesse optimiert werden.«
Digitale Zukunft
Renate Scheidenberger vertraut in ihrer Planungsarbeit auf Plattformen. Sie arbeitet mit Datenpool von Delta, einem virtuellen unternehmensübergreifenden Aktenschrank. Architekt, Haustechniker, Statiker und ausführende Firmen können darüber verfügen, Dokumente ablegen, verteilen oder herunterladen. Auch aus der Baustellenkontrolle und in der Dokumentation ist Digitalisierung nicht mehr wegzudenken. Hier setzt Baukultur auf docu tools. Bei der Strabag kommen Planplattformen wie Think Project oder Fusion Live zum Einsatz. Ein Problem sieht Gerald Malits, Digitalisierungs-Experte bei der Strabag darin, dass es noch keine gemeinsame digitale Sprache von Planer, Bauherr, Baufirma, Nachunternehmen, Materialherstellern und FM gibt. »Der Plan von Architekten trifft als pdf, vielleicht dwg, am schlimmsten in Papierform ein. Darin steckt kein digitales Wissen, z.B. zu Bewehrungsgehalt oder Oberfläche.
Erst wenn die Sprache durchgeht, entsteht ein durchgängiger Prozess.« BIM wird sich durchsetzen, ist Malits überzeugt. »Es muss künftig einfachere Lizenzmodelle geben, vielleicht auch Modelle, bei denen große Bauunternehmer Lizenzgeber für kleinere Nachunternehmen sind. Diese Herangehensweise ist gedanklich aber erst am Entstehen.« Baumeister Anton Gasteiger von BIM Management hofft in diesem Zusammenhang auf eine Vorreiterrolle der öffentlichen Hand. »Die BIM-Technologie soll bei Pilotprojekten erprobt und die gewonnenen Daten allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden.« Für die Bauplanung haben laut Gasteiger künftig elektronische Hilfsmittel wie Virtual Reality Augmented Reality, Oculus Rift oder HoloLens Potenzial.
Gerald Malits ergänzt: »Wir befinden uns auf dem Weg vom reinen Baudienstleister zum Totalunternehmer und werden die gesamte Wertschöpfungskette erweitern.« Damit ergibt sich die Notwendigkeit, den gesamten Lifecycle eines Produktes zu erfassen, mit allen Projektbeteiligten. »Architektur, Statik, Haustechnik, Bauphysik und Brandschutz müssen verstärkt miteinander reden und stärker verzahnt arbeiten«, fordert Wolfgang Gleissner von der BIG abschließend.
Hintergrund Das Center for Geometry and Computational Design an der TU Wien ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum der Fakultäten Mathematik, Informatik, Architektur und Raumplanung sowie Bauingenieurwesen. Die Forschungsgruppen entwickeln Technologien und Werkzeuge für das digitale Design der Zukunft. |