Manas Fuloria hat den IT-Dienstleister Nagarro vor knapp 20 Jahren gründet. Der Telekom & IT Report traf ihn gemeinsam mit Österreichgeschäftsführer Damianos Soumelidis zu einem Gespräch über den Wandel in der Wirtschaft, der stets durch IT ausgelöst wird.
Report: Was ist Ihre persönliche Geschichte zum IT-Markt? Mit welchem Auftrag sind Sie mit Nagarro am Markt tätig, Herr Fuloria?
Manas Fuloria: Wir betrachten unsere Dienstleis tungen rund um IT-Services und Software für unsere Kunden vom Standpunkt der Problemlösung aus. Ich selbst komme aus dem Operations-Management-Geschäft und war zunächst für verschiedene Unternehmen als Berater in Europa tätig. Damals – das muss um 1994 gewesen sein – waren wir an dem Punkt angelangt, Software für die Umsetzung der strategischen Entscheidungen, die ständig getroffen wurden, zu erstellen. Damals waren es Themen rund um Produktionsplanung und die Optimierung von Lieferketten, welche die Unternehmen beschäftigten. 1996 gründeten wir dann unser eigenes Unternehmen Nagarro. Es war von Anfang an darauf ausgerichtet, Probleme und Herausforderungen im Tagesgeschäft von Unternehmen mittels Software zu lösen. Mit den Jahren wandelte sich Nagarro dann von einem Beratungs- zu einem IT-Unternehmen. Heute arbeiten wir eng mit den drei weltweit größten ManagementConsulting-Firmen zusammen. Dabei gehen wir in ein Unternehmen und betrachten beispielsweise die Customer User Experience bei bestimmten Prozessen. Das Projekt nimmt dann weiter Form an und ist am Ende des Tages wieder ein Softwareprojekt, um Verbesserungen und Neugestaltungen von Unternehmensprozessen umzusetzen. Es ist faszinierend: Egal in welche Branche Sie schauen, es verändern sich die Unternehmen und auch Wirtschaftszweige komplett. Medien, Bankwesen, oder der Gesundheitsbereich – jede Industrie unterliegt einer starken Transformation. All diese Veränderungsprozesse werden letztlich durch IT hervorgerufen. Nagarro ist vielleicht nicht so groß wie die globalen IT-Konzerne, die man allgemein kennt. Wir haben aber unsere Nischen gefunden, vor allem in der agilen Softwareentwicklung und bei schnellen, leistungsfähigen IT-Umgebungen. Dort geht es weniger um Standardprodukte, die andere im großen Maßstab sicherlich genauso liefern können, sondern um »Gamechanger« für die verändernden Geschäftsfelder in Unternehmen. Wir sehen, dass die Schrittgeschwindigkeit dieser Veränderungen sogar noch zunehmen wird. Vor zehn Jahren habe ich noch geglaubt, dass wir alle Aufgaben bei unseren Kunden gut mit IT-Lösungen abgedeckt haben. Dabei haben wir erst damit begonnen. Wir generieren rund die Hälfte unseres Geschäfts in den USA und die andere Hälfte in Europa. Unser Vorteil dabei ist, Trends und Entwicklungen auch über die Grenzen hinweg betrachten zu können. Nagarro wurde ja im Silicon Valley gegründet und hat immer noch sein US-Hauptquartier dort. Wir sehen genau, welche Themen und Ansätze bei weltweit erfolgreichen IT-Unternehmen wie Facebook, Yahoo oder Google funktionieren. Diese Ideen und Konzepte lassen sich auch in andere Branchen übersetzen. Diese Firmen sind sehr agil, sehr beweglich auch in ihren Organisationen. Ich denke, dass davon auch wir lernen können, und ebenso auch andere Unternehmen.
Report: Was macht agile Unternehmen wie diese besonders? Was können andere von ihnen lernen?
Fuloria: Verallgemeinert lässt sich beobachten, dass sie mit relativ flachen Hier archien arbeiten. Es gibt kleinere Teams, die autonomer arbeiten, als es in Unternehmen üblich ist. Die Beschäftigten sind eigenverantwortlich tätig und finden offene Umgebungen für Projekte und Themen vor. Streng hierarchisch organisierte Firmen funktionieren dagegen völlig anders. Natürlich gibt es auch dort Beispiele, wie dies funktionieren kann – das gilt aber eben nicht für jedes Unternehmen, und schon gar nicht in der IT-Industrie. Die Kreativität Einzelner hat zunehmend Auswirkung auf unsere Gesellschaft. Eine mobile Applikation können heute zwei Programmierer entwickeln, und sie können damit die ganze Welt verändern. Uns sollte bewusst werden, dass Informationstechnologie an einem Punkt angekommen ist, an dem nicht mehr die Automatisierung von Prozessen den Unterschied ausmacht, sondern die Nutzererfahrung, das Erlebnis des Konsumenten. Das lässt sich auch gut mit der Textilindustrie vergleichen: Diese ursprünglich handwerklich geprägte Industrie wurde schließlich anhand von automatisierten Prozessen komplett umgestellt. Die Marktveränderungen haben damit aber nicht aufgehört. Heute ist sogar der Produktionsstandort in den Hintergrund getreten. Die Konsumenten wissen nicht einmal im Ansatz, woher die Kleidung im Geschäft kommt. Sie treffen ihre Kaufentscheidungen vielmehr aufgrund von Marken und Emotionen. Wir sehen: Sobald die Produktion von Gütern Standard ist, dreht sich vieles um User Experience und um die Befriedigung von Bedürfnissen. Dies ist auch in der IT so. Dabei den Fokus in der Produktentwicklung und in Projekten zu halten, ist essenziell. Und: Nicht Unternehmen an sich schaffen Produkte und Services. Es sind die Menschen, die das vermögen – meist in kleineren Teams von vielleicht maximal fünf Leuten. Wer das versteht, kann die Welt verändern. Das beginnen auch die Großen zu verstehen.
Report: Doch auch Unternehmen von Ihrer Größe tun sich in der Regel schwer, derart flexibel am Markt aufgestellt zu sein.
Fuloria: Wir sind keine monolithische Organisation, sondern in den zehn Ländern, in denen wir präsent sind, relativ kleinteilig aufgestellt. Wir stehen für einen vielleicht neuen Unternehmenstypus: großer Name, globaler Footprint, aber agile, lokal sehr eigenständige Teams. Diese können dann wieder auf Ressourcen nearshore und offshore zurückgreifen.
Damianos Soumelidis: Letztlich ist es auch genau das, was auch unsere Kunden brauchen. Sie suchen nach Partnern mit einer starken lokalen Präsenz und gleichzeitig einer globalen, schlagkräftigen Organisation mit entsprechend vorhandenen Ressourcen – eben das Beste aus beiden Welten.
Report: Welche IT-Services liefern Sie an Unternehmen? Können Sie ein Beispiel nennen?
Soumelidis: In einem aktuellen Projekt mit einer österreichischen Bankengruppe liefern wir Leistungen rund um SAP, Customer-Relationship-Management und Softwareentwicklung. Mit unserem agilen Entwicklungsansatz ermöglichen wir unseren Kunden, ihre Geschäftsposition in unterschiedlichen Aufgabenfeldern auszubauen oder neu zu gestalten.
Fuloria: Wir unterstützen unsere Kunden, sich selbst neu zu erfinden und wollen weiterhin in diesem Bereich führend sein und auch in unserer Größe weiter wachsen. Das Marktpotenzial ist auf jeden Fall da. Nagarro ist eines der am schnellsten wachsenden IT-Unternehmen am Markt. Technologie ist ein globales Geschäft geworden. Wir alle nutzen Tools und Plattformen wie Facebook, Spotify und Google. Mit IT-Services im Geschäftskundenbereich ist es ähnlich. Es ist weiterhin wichtig, auch persönlich mit seinem IT-Dienstleister zu verkehren. Aus welchem europäischen Land heraus aber ein IT-Dienst erbracht wird, ist in vielen Fällen unerheblich. Was zählt, sind Schlagkräftigkeit und Flexibilität. Mit unseren Services kratzen wir bestenfalls an der Oberfläche dieser vielen neuen Möglichkeiten, welche IT bietet. Ich denke, dass in zehn bis 15 Jahren die Industriesegmente, wie wir sie heute kennen, völlig anders aussehen werden.
Soumelidis: Dazu sind auch allerorts wieder Softwareentwickler gefragt. Auch in Österreich suchen wir dringend nach Fachkräften.
Unternehmen und Personen
Manas Fuloria ist einer von vier Stanford-Absolventen, die Nagarro 1996 gegründet haben. Der IT-Dienstleister beschäftigt heute 2.500 Mitarbeiter in den USA, Mexiko, Deutschland, Österreich, Schweden, Dänemark, Indien und Rumänien. Das Unternehmen hat sich auf Softwareentwicklung und Managed-Services spezialisiert und betreut Kunden wie ÖBB, Admiral, Automic und Lufthansa. Nagarro beschäftigt in Österreich rund 60 Mitarbeiter. Geschäftsführer sind Damianos Soumelidis, Paul Haberfellner und Thomas Riedl.
Info: www.nagarro.com