Sonntag, Dezember 22, 2024

Seit April 2013 ist Michel Combes der neue Mann an der Spitze von Alcatel-Lucent. Mit einem Zweijahresplan will er den angeschlagenen Branchenriesen aus der Krise katapultieren. Tünde Kiss aus Paris.

Nach Milliardenverlusten in den letzten Jahren soll Alcatel-Lucent durch einen Führungswechsel und den damit verbundenen Strategieplan wieder auf Vordermann gebracht werden. Bereits vor Dienstantritt im April 2013 hat der neue CEO akribisch am Sanierungsplan gebas­telt. Michel Combes setzt vor allem auf schnelles Breitbandinternet und verbesserte IP-Netzwerk-Technologien. Im Fokus dabei ist die LTE-Technik der vierten Mobilfunkgeneration. Zudem soll der Kundenkreis erweitert werden.

Rote Zahlen und der Vormarsch aus Asien
Alcatel-Lucent schreibt seit Jahren rote Zahlen. Das liegt nicht zuletzt an den chinesischen IT-Ausrüstern, die den Wettbewerbsdruck verstärkt haben. 2006 sollten mit der Fusion mit dem US-Konzern Lucent Technologies auch bessere Jahre einkehren. Während Alcatel-Lucent noch im Umstrukturierungsprozess steckte, traten die asiatischen Anbieter massiv auf und warben Kunden ab. Als Konsequenz der problematischen Entwicklungen trat die damalige Konzernchefin Patricia Russo zurück. Ihr Nachfolger, Ben Verwaayen vollzog ein großes Einsparungsprogramm und strich Stellen. Das Unternehmen schrieb dennoch Milliardenverluste. Combes tritt nun an, um das schier Unmögliche zu schaffen: Er muss weiter Kosten senken und gleichzeitig den technologischen Vorsprung sichern.

Bell Labs – my home
Combes ist Absolvent der Elitehochschule für Ingenieurstudien in Paris (École polytechnique Paris). Er fühlt sich in den Bell Laboratories  »wie zu Hause – und einsam in seinem Arbeitszimmer in Paris«, wie er augenzwinkernd gesteht. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung befindet sich in Villarceaux, 30 km südlich von Paris, und vo hier aus soll der Neustart erfolgen: »Ich möchte dieses Unternehmen von seinen Wurzeln aus wieder aufbauen – dort, wo Alcatel-Lucent begonnen hat: in Frankreich, in den Bell Labs und bei der Innovation.« Beispielhaft sei die Entwicklung auf dem US-amerikanischen Markt, der laut Combes bereits aus dem Teufelskreis ausgestiegen sei und wo auch Investitionen in die Technologieforschung experimentierfreudiger gehandhabt werden: »Die USA ist dem bereits vor zehn Jahren entkommen. Wir hinken hinterher.«  Der Fokus liegt für die nächs­ten zwei Jahre auf verbesserten, innovativen Cloud-Computing-Technologien, IP-Netzwerken und Highspeed-Breitbandtechnologie. Mehr Datenvolumen schneller übers Netz zu bringen ist das Ziel. Mit dem Ankurbeln der Technologieforschung in den Bell Labs sollen Produkte und Dienstleistungen für die kommenden, zunehmend datenhungrigen Kundengenerationen gefunden werden. »Wir müssen einfach Geld verdienen, um auch sicherstellen zu können, dass dieses wieder in die Zukunft investiert werden kann«, sagt Combes und setzt darauf, dass seine Kunden mitziehen.

Verantwortung für die eigene Effizienz
72.000 Mitarbeiter sind gegenwärtig bei Alcatel-Lucent beschäftigt. Zu Beginn der Unternehmensvereinigung mit Lucent im Jahr 2006 waren es noch 89.370 und Combes will diese Abwärtsspirale stoppen: »Es wäre außerdem auch viel zu einfach, die Schuld für unsere Situation bei anderen zu suchen«, so der neue Firmenchef, »bei der Branche, der Krise, der Politik, den Kunden. Aber das tue ich nicht. Wir müssen die Verantwortung für unsere Effizienz selbst übernehmen.«

Ziele stimmen, neue Ära
Die Börsen reagierten positiv auf Combes Ansagen. Zwar erinnert der Führungswechsel an die letzten beiden Umstrukturierungsprozesse mit Patricia Russo und Ben Verwaayen. Die Analysten geben Combes allerdings einen Vertrauensvorschuss. Dem Portal finanzen.net zufolge bewerten zwei Analysten Alcatel-Lucent als Kauf, sieben als Halteposition und sechs als Verkauf. Für Alcatel-Lucent beginnt mit Combes eine neue Ära –  der Plan steht, die Ziele sind hochgesteckt. Was fehlt, ist Zeit.



In welchen Feldern Alcatel-Lucent beispielsweise forscht und entwickelt

- Hochleistungsübertragung über 100 Gb: Bei Laborexperimenten wird Hochleis­tungsübertragung von Daten über 400 Gb bis zu 1 Tb simuliert. Ziel ist die Leistungs- und Geschwindigkeitserhöhung bei weiten Strecken (Übersee) durch verbesserte Übertragungsformate.

- Smart Walk: Das Servicemodell »Smart Walk« ist ein Ergebnis der Big-Data-Forschung. Metadaten werden über Telekommunikationsinfrastruktur wie BTS Data Austauschrate, Geolokalisierung, Call Logs, usw. generiert. »Smart Walk« zeigt, wie ein verbesserter Algorithmus gemeinsam mit einer Applikationsstruktur die Verkettung innerhalb der heterogenen Daten erkennt. So kann in Zukunft eine App beispielsweise bei zu häufigen Wachphasen vor Schlafrhythmusstörungen warnen. Damit soll das Servicemodell physische und soziale Aktivitäten des Menschen optimieren.

- Social Multimedia bei Videokonferenzen: Ein Videokonferenzsystem soll erkennen, ob und wie das Publikum dem Vortrag folgt. Das System analysiert den Grad der Aufmerksamkeit und gibt dem Vortragenden noch während seines Referates Feedback. Dazu ist eine spezielle Kamera an den jeweiligen Endgeräten installiert, die die Mimik der Zuhörenden »erkennen« soll.


Der neue Zweijahresplan 2013–2015 des Konzerns

- Verkauf von Unternehmensteilen um 1 Milliarde Euro
- Weitere Kostensenkung um 1 Milliarde Euro
- Fokus auf schnelles Breitband und IP-Netzwerk
- Einnahmen aus Breitband und IP-Netzwerken sollen bis 2015 zu 85 % in Forschung & Entwicklung fließen (Bell Laboratories)
- Gleichzeitige Reduktion der Ausgaben in alte Technologien
- Nach Erreichen der Planziele 2015 weitere Reduktion der Schulden um 2 Milliarden Euro
- Wettbewerbsfähigkeit erhöhen
- Verbesserung des Cash-Managements

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