Seit drei Jahren ist Charles Phillips, der Ex-Oracle Präsident, Frontmann bei Infor. Er dirigiert den Frontalangriff auf SAP und Oracle.
Von Alfons Flatscher aus Orlando
2,8 Milliarden Dollar Umsatz und12.400 Mitarbeiter – und dennoch definiert sich Infor als »das größte Startup der Geschichte«. Charles Phillips, der seit September 2010 die Geschicke des in New York beheimateten Konzerns lenkt, ist angetreten, um SAP und Oracle das Fürchten zu lehren. Die Geschichte des Afroamerikaners, der wie Bill Clinton aus Little Rock, Arkansas, kommt, zeigt: Er ist ein Eroberer. Er war Captain bei den gefürchteten US-Marines, ließ sich von der US-Luftwache zum Computerspezialisten ausbilden. Dann machte er in der Bankenwelt bei Morgan Stanley seinen Aufstieg, ehe er bei Oracle landete und dort für Übernahmen zuständig war: Sun Microsystems, BEA-Systems, Hyperion und Siebel Systems hat er in den Konzern von Larry Ellison einverleibt und auch jetzt steht Einkaufen ganz oben auf der Prioritätenliste. Bei seinem Amtsantritt hatte Infor 8.000 Mitarbeiter, heute sind es 4.400 mehr. Gewachsen ist das Unternehmen primär durch Zukäufe. Phillips will SAP gerade im Bereich der Mittelbetriebe den Rang ablaufen und er will das tun, indem Infor einfacher, flexibler und anwenderfreundlicher ist als die Konkurrenz.
Über Excel-Charme hinaus
Datenbankysteme, egal ob CRM oder ERP oder Sonstiges, begegneten dem Nutzer bisher mit dem Charme eines Excel-Sheets. Infor hat hochkarätige Designer angesetzt und herausgekommen ist eine standardisierte Benutzeroberfläche, Min.gle, die für ein Look and Feel à la Facebook sorgen soll. Phillips hat bei Infor ein 80-köpfiges Designteam installiert, das im ewigen internen Ringen mit den Technikern klar die Oberhand behalten hat. »Das war nicht einfach«, erklärt Phillips bei einem Presse-Hintergrundgespräch anlässlich der Inforum 2013 in Orlando, Florida. »Aber Design ist für uns zentral, deshalb haben wir es auch nicht outgesourct.« Mit Ming.le wird die Unternehmenskommunikation neu definiert und der Informationsaustausch unter den Mitarbeitern einfach wie bei Facebook, und effizient, weil alle relevanten Business-Infos in die Dialoge einfließen.
Peter Goldman, ein Analyst bei Cowen und Co, meint dazu: »Infor hat massiv in die Bedienerfreundlichkeit investiert und macht damit Business-Software bedienbar wie Konsumenten-Software. Infor kommt mit dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit.« Das Design ist zentral, dass dahinter Cloud-Systeme stecken, ist mittlerweile selbstverständlich. »Aber der Dienst aus der Wolke allein ist kein Differenzierungsmerkmal mehr«, meint Phillips. Er ist längst selbstverständlich in einer Welt, in der permanent von den unterschiedlichsten Endgeräten- Smartphones, Tablets, Laptops – auf sensible Daten zugegriffen wird.
Wer im Business-Segment neue Kunden gewinnen will, muss nicht nur (bediener-)freundlich sein – das ist Infors Min.gle zweifelsfrei –, er muss auch eine Antwort auf die Frage liefern, wie alte Datenbestände in Unternehmen in die neuen Welten übernommen werden können. Da hat Infor ein interessantes Middleware-Konzept entwickelt, es heißt ION und ist die Schnittstelle zu unterschiedlichen Datenwelten, die den problemlosen Austausch ermöglichen soll.
Es hilft, ältere Infor-Produkte an die Segnungen der neuen, dramatisch verbesserten anzubinden, schafft aber auch die Integration fremder Datenquellen. Schließlich ist für den Nutzer ziemlich gleichgültig, woher die für seine Arbeit relevanten Daten kommen und auf welchem System sie laufen. Richtig müssen sie sein, den Job sollten sie leichter machen und den Kunden am Ende besser bedienen.
Wachsen will Infor vor allem in rund einem Dutzend einzelner Industriebereiche – darunter Gesundheit, Hotellerie, Logistik, Automotive, dem öffentlichen Dienst. Mit der Fokussierung auf klare Branchensegmente will man im Bereich der Mittelbetriebe wachsen, während sich SAP und Oracle um die Großkonzerne raufen. Vielleicht ist das ja die Strategie, um aus dem Windschatten der Giganten zu kommen.