Sonntag, Dezember 22, 2024

Erstschlag: Stuxnet als Vorbote für die Cyber-Kriege der Zukunft. Wunderbare Welt des Web: Es herrscht Krieg im Cyberspace: Militärische Schadsoftware eröffnet ein neues Schlachtfeld in den weltweiten Computernetzen.

Das Atomprogramm des Iran liefert schon seit mehreren Jahren immer wieder Schlagzeilen, und nun sieht es so aus, als wäre der Konflikt um die angeblich friedliche Nutzung der Kernenergie für die islamische Republik, deren Führung sich erst vor einem Jahr mit zweifelhaften Wahltricksereien gegen großen zivilen Widerstand an der Macht halten konnte, zum Schauplatz für den vielleicht ersten Cyber-Militärschlag geworden: Über 30.000 PC-Systeme in Industrieanlagen hauptsächlich im Iran hat der Trojaner „Stuxnet“ befallen und gezielt deren Steuerungsanlagen lahmgelegt oder manipuliert – darunter auch jene des iranischen Atomreaktors in Buschehr und des Versuchsreaktors in Natanz, in dem die umstrittene Urananreicherung vorgenommen wird.

Die Experten zerbrechen sich bereits seit längerem über den mysteriösen Trojaner den Kopf, der bereits zu Beginn des Jahres 2009 in den Netzen auftauchte: Das Schadprogramm, so mutmaßte etwa der US-Security-Experte Frank Boldewin im Juni dieses Jahres, sei zu komplex, um wie andere Trojaner oder Würmer von „Amateuren“ oder einfachen Kriminellen erdacht worden zu sein. Die einzigartige Verbindung mehrerer Schwachstellen in den Zielcomputern, die unbemerkte Installation als Rootkit sowie die Spezialisierung auf hauptsächlich in der Industrie verwendete SPS-Computersysteme von Siemens würde auf Industriespionage in den höchsten Kreisen hindeuten. Im Verlauf des Sommers häuften sich allerdings die Hinweise, dass Stuxnets Aufgabe aber sogar weit über das simple Ausspähen fremder Industriesysteme hinausging: Auffällig häufig drangen Berichte über Verzögerungen und Pannen im iranischen Atomprogramm an die Öffentlichkeit, bis schließlich sogar der Leiter der iranischen Atombehörde seinen Rücktritt einreichte. Für Frank Rieger, den Sprecher des deutschen Chaos Computer Clubs CCC, alles eindeutige Hinweise darauf, dass Stuxnet die vielleicht erste digitale Waffe ist, die von einem Staat gezielt gegen die Infrastruktur eines anderen Staates zum Einsatz gebracht wurde – der Erstschlag in den stillen Cyber-Kriegen der Zukunft ist somit bereits gefallen.

Doch nur weil keine offensichtliche Gewaltanwendung im Spiel ist, sind Angriffe dieser Art nicht weniger gefährlich. Die Spezialisierung von Stuxnet auf industrielle Systeme bedeutet, dass gezielt Infrastruktur ins Visier genommen und ausgeschaltet oder manipuliert wurde. Das kann im Fall von Kraftwerken, Pipelines oder Stromnetzen die völlige Lähmung bedeuten, im Fall von Atomkraftwerken aber auch durchaus real tödliche Konsequenzen haben, wenn Anlagentechniker eines von Stuxnet befallenen Reaktors die Kontrolle über die atomaren Reaktionen verlieren. Allen Anzeichen nach war es das Ziel von Stuxnet, vor allem die umstrittene Urananreicherung in Natanz zu sabotieren – ein Ziel, das in Anbetracht der veröffentlichten Zahlen auch erreicht wurde. Erst Anfang Oktober hatte das Regime in Teheran den großflächigen Trojanerbefall bestätigt, verdächtigte Ingenieure unter dem Vorwurf der Sabotage und Industriespionage verhaftet und zugleich die üblichen Verdächtigen im Westen als Urheber beschuldigt.

Tatsächlich ist die Quelle des Trojaners unbekannt. Die erst im Mai 2010 offiziell gegründete Cyber Command-Abteilung des amerikanischen Heeres kommt als Urheber genau so in Frage wie Israel, das Irans Atomwaffenambitionen als existenzielle Bedrohung einstuft. Viele Mutmaßungen, viel Geheimnis, wenige Fakten – der vielleicht erste Krieg im Cyberspace erinnert an einen Science-Fiction-Thriller. Tatsache ist jedoch, dass die Existenz von Stuxnet unter Beweis gestellt hat, dass die elektronischen Schlachtfelder der Zukunft auch reale Bedrohungen zur Folge haben können. Antivirenexperte Symantec entwarnt in seiner Analyse allerdings auch ein wenig: Ein derart komplexes Schadprogramm können Kriminelle oder Terroristen eben nicht so einfach im Keller zusammenstoppeln – und immerhin habe Stuxnet auch eklatante Schwachstellen aufgezeigt, auf die bei der zukünftigen Sicherung besonders zu achten sei. Dennoch: Ein neues Schlachtfeld in den immer wichtiger werdenden Netzen der Welt ist eröffnet.

Meistgelesene BLOGS

Firmen | News
24. September 2024
Konkrete Lösungen und relevante Technologien für eine klimaneutrale Industrie stehen im Mittelpunkt der dritten internationalen Konferenz am 24./25. Oktober in Wien Am 24. und 25. Oktober 2024 veranst...
Firmen | News
20. September 2024
Gemeinsam die Welle der Vorschriften meistern: Navigieren im Cybersecurity-Meer Donnerstag, 10. Oktober 2024, 09:00 Uhr bis 17:15 Uhr Austria Trend Hotel Savoyen WienRennweg 16, 1030 Wien Neue Regulie...
Marlene Buchinger
11. September 2024
Prozessverständnis und Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist wie das Thema Qualität – jede*r trägt dazu bei und die Betrachtung endet nicht am Werkstor oder der Bürotür. Daher sind Pr...
Redaktion
27. August 2024
Die Zertifizierung- und Trainingsinstanz CIS – Certification & Information Security Services GmbH im Bereich Informationssicherheit, Datenschutz, Cloud Computing und mehr, beleuchtet erstmalig die...
Redaktion
04. September 2024
Ökologische Baumaterialien: Der Weg zu umweltfreundlichen Gebäuden Die Bauindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, bei dem ökologische Baumaterialien eine zentrale Rolle spielen. Tradit...
Alfons A. Flatscher
06. November 2024
Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus zeichnet sich ein neues Kapitel der Handelspolitik der USA ab – und für europäische Unternehmen könnten die nächsten Jahre herausfordernd werden. Trump, bekan...
LANCOM Systems
14. Oktober 2024
Die österreichische Bundesbeschaffung GmbH (BBG) hat die Lösungen des deutschen Netzwerkinfrastruktur- und Security-Herstellers LANCOM Systems in ihr Portfolio aufgenommen. Konkret bezieht sich die Ra...
Firmen | News
30. September 2024
Die Wahl der richtigen Matratze kann einen großen Unterschied in Ihrem Leben machen. Es gibt viele Faktoren zu berücksichtigen, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Erfahren Sie, wann der beste Zeitpu...

Log in or Sign up