Samstag, Februar 22, 2025
Försterin eines neuen Ökosystems
Doris Lippert: "Europa hat im Vergleich zu Regionen wie den USA ­sicherlich mehr als nur Regulierung zu bieten."

KI als Basis für die Wirtschaft und welche Wertschöpfung damit in Österreich möglich ist: Doris Lippert ist Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft und Präsidentin des Verbands Österreichische Software Innovation (VÖSI).

 

Welche Bedeutung haben KI-Lösungen für die Wirtschaft generell  – und in ihrer Aufgabe als Leiterin des Partnermanagements bei Microsoft?

Doris Lippert: KI ist heute bereits eine Basistechnologie, so wie Strom aus der Steckdose. Strom allein bringt uns aber nichts, er wird erst durch den Betrieb von Geräten, den Lösungen, nützlich. Unsere Partner bei Microsoft liefern diese Lösungen für KI – von kleinen Start-ups, die auf unserer Plattform entwickeln, über Boutique-Partner mit Umsetzungsprojekten bis zu den großen Dienstleistern, die eine breite Palette von der Beratung bis zum IT-Betrieb bieten. Es ist eine große Vielfalt, vom Laptop-Geschäft im Media Markt über Tourismusspezialisten in der Beratung im Westen Österreichs bis zu den großen Telcos, die ihren Kunden Microsoft 365 liefern. Meine Aufgabe ist, dieses vielschichtige Ökosystem aufzubauen, zu befruchten und weiter zu bewirtschaften – ähnlich der Bewirtschaftung eines Waldes in seinen vielfältig vernetzten Ebenen.

Was sind konkret Ihre Aufgaben dabei?
Lippert: Eine zentrale Aufgabe ist der Wissenstransfer und das Aufbauen von Know-how neuer Technologien. Ich bin auch eine Übersetzerin von Trends und des Nutzens durch IT für den Markt in Österreich. Gemeinsam mit den Unternehmen hierzulande entwickeln wir Geschäftsmöglichkeiten und auch neue Lösungen, für die es bislang vielleicht noch gar keinen Anbieter für die Unternehmenskunden gegeben hat.

Ein weiteres Thema ist die Unterstützung bei der technischen Umsetzung von Lösungen und Projekten. Im Jahr 2025 gibt es keine Skepsis mehr: Cloud und Innovation sind eng miteinander verwoben, gerade wenn es um KI und Daten geht. Dennoch haben wir weiterhin historisch gewachsene IT-Landschaften in Unternehmen mit all ihren Abhängigkeiten bis zum Mainframe gehend. Diese Technik mitsamt ihren Schnittstellen kann natürlich nicht so einfach in die Cloud geschoben werden. Hier unterstützen wir mit einem Technikteam unsere Partner, diesen Weg Schritt für Schritt zu gehen. Und ich bin auch die Stimme des österreichischen Marktes bei Microsoft. Was brauchen die Unternehmen? Wo gibt es Geschäftsmöglichkeiten? Im Sommer eröffnen wir unser erstes eigenes Rechenzentrum in Österreich. Damit kann Microsoft der Wirtschaft vor Ort nachhaltig Rechenkapazitäten zur Verfügung stellen.

Wird dieser Rechenzentrumsstandort die Abhängigkeit der heimischen Wirtschaft von global tätigen Infrastrukturbetreibern reduzieren? Oder sehen Sie wenig Veränderung?

Lippert: Microsoft wird sein Rechenzentrum mit Strom aus Österreich betreiben, wir haben österreichische Lieferanten, es werden Arbeitsplätze geschaffen und die heimische Wertschöpfung in der KI-Ökonomie gestärkt. Am erfolgreichsten aber sind jene, die am meisten aus einer Technologie herausholen können. Dafür gibt es auch historische Beispiele. Die Basistechnologie des Buchdrucks wurde in Deutschland erfunden, in den ersten Jahrzehnten war dieser besonders in den Niederlanden erfolgreich. Es wurden dort einfach mehr Bücher gelesen, gedruckt und verkauft. Das wird auch für KI gelten: Wenn es große Entwicklungsleistungen für Lösungen in Österreich gibt, ist es nebensächlich, woher die Technologie ursprünglich stammt.

Welche Bereiche sind aus Ihrer Sicht für den Einsatz von KI besonders spannend?
Lippert: Ich spreche gerne von »AI for Good«, von KI für das Gute: Setze KI dort ein, wo es einen großen Mehrwert stiftet, wo es dir vielleicht auch mühselige Arbeiten abnehmen kann. Eine meiner Tätigkeiten ist, relativ oft Texte von Englisch auf Deutsch und umgekehrt zu übersetzen. Eine automatische Übersetzungsleistung erleichtert mir diesen ungeliebten Prozess ungemein.

Ein anderer guter Einsatzbereich ist unsere Umwelt. Es gibt kaum einen Nachhaltigkeitsbereich, in dem nicht Daten eine große Rolle spielen. Die KI selbst verbraucht zwar Energie, hilft aber auch, Ressourcen zu schonen. So wurde in einem KI-Projekt von Accenture mit Wien Energie ein Prognoseverfahren für die Leistungsoptimierung von Photovoltaikanlagen entwickelt, das auf viele verschiedene Parameter zurückgreift. Auch der Gesundheitssektor profitiert von KI-Lösungen, beispielsweise in der Diagnostik. Diagnosen sind wesentlich schneller erstellt oder sogar überhaupt erst durch den Einsatz von KI in einer größeren Anwendungsbreite und besseren Qualität wirtschaftlich möglich.

Persönlich hat mich ein Projekt der Hera-Mission der Europäischen Weltraumorganisation mit Terra Mater, dem Start-up Impact AI und Microsoft Österreich beeindruckt. Es macht Raumfahrt für alle erlebbar, indem ich einen Chatbot über Erkenntnisse aus dem All befragen kann. Sich aktiv mit dem Raumfahrzeug unterhalten zu können, bringt den Nutzer*innen Wissenschaft sehr nahe.

Sie wurden an die Spitze der Branchenvereinigung VÖSI gewählt – als erste Frau. Was wollen Sie bewegen?

Lippert: Der »Purpose« des VÖSI war immer das interdisziplinäre Vernetzen zwischen der Softwarebranche und den Anwender*innen, den Unternehmen, der Wissenschaft und dem Bildungssektor. 36 Jahre Temperament treffen auf 38 Jahre Tradition – solange gibt es den Softwareverband bereits in Österreich. Mich hat das Wahlergebnis, das einstimmig war, sehr gefreut.

Unsere strategischen Themen sind in diesem Jahr KI, Nachhaltigkeit und Resilienz. Mit der neuen Regierungsbildung und einer schwächelnden Konjunktur insbesondere in der Automobilindustrie gibt es genügend Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort. Damit ist es auch die richtige Zeit, um die Chancen durch die Digitalisierung sichtbar zu machen. Ich liebe dieses Land und ich sehe jeden Tag, welche Möglichkeiten uns KI bietet. Daher ist mein oberstes Ziel, möglichst viele der Potenziale hier zu realisieren und gemeinsame Themen in der Branche übergreifenden zu lösen.

Der Wirtschaftskammer-Fachverband UBIT hat 80.000 Mitglieder und wächst nach wie vor. Die Softwarebranche ist einer der größten Arbeitgeber im Land. Unser Wunsch ist ein Digitalisierungsministerium und ein Fokus auf Innovation. Europa hat im Vergleich zu Regionen wie den USA sicherlich mehr als nur Regulierung zu bieten.

Wie steht es um den Frauenanteil in der IT-Branche?

Lippert: Eine Studie des VÖSI zufolge liegt der Frauenanteil in IT-Unternehmen bei nur rund 18 Prozent. Je technischer ein Beruf ist, desto weniger sind Frauen anzutreffen.
Wir konzentrieren uns auf die Dinge, die wir selbst in der Hand haben. So gehen wir mit unserer Special Interest Group WOMENinICT direkt in die Schulen – allein am 9. Dezember 2024 waren es über 100 Besuche. Mit unseren rund 170 Botschafterinnen schaffen wir auch in dem Mentoring-Programm »Grace« eine starke Sichtbarkeit von Frauen als Rolemodels. Das ist wichtig, denn Frauen in IT-Berufen in Unternehmen ziehen weitere Frauen an. Mit dem Projekt »She goes Digital« der Initiative Digitalisierung Chancengerecht werden auch Quereinsteigerinnen für das Berufsfeld IT gewonnen. Ich habe eben erst mit einer ehemaligen Kindergärtnerin gesprochen, die jetzt erfolgreich eine Karriere in der IT macht. Solche Erfolgsgeschichten inspirieren mich und zeigen mir, dass wir als Netzwerk viel bewegen können.

Zur Person
Doris Lippert, 36, ist seit Dezember 2024 Präsidentin des Verband Österreichischer Software Innovationen (VÖSI). Die Absolventin der FH Krems (Unternehmensführung) und der HTL Ungargasse (Betriebsinformatik) ist Global Partner Solutions Lead und Mitglied der Geschäftsführung bei Microsoft Österreich. Die gebürtige Wienerin ist Botschafterin bei WOMENinICT, dem Frauen-Netzwerk des VÖSI. 

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