In einer Ära, in die Digitalisierung unser Leben grundlegend verändern, hat auch künstliche Intelligenz ihren Weg in die Mobilfunknetze gefunden.
Was einst als reine Infrastruktur galt, hat sich zu einem dynamischen Ökosystem entwickelt, das durch Machine Learning und smarte Lösungen optimiert wird. Von der automatisierten Netzwerkwartung bis hin zur Optimierung der Netzwerkauslastung haben Mobilfunkanbieter Machine-Learning-Algorithmen implementiert, um Engpässe zu identifizieren, die Netzleistung zu maximieren und sogar potenzielle Sicherheitsbedrohungen frühzeitig zu erkennen. Basierend auf dem Verhalten und den Vorlieben der Nutzer*innen kann KI individualisierte Dienste und Angebote bereitstellen, die über herkömmliche Massenangebote hinausgehen. Von maßgeschneiderten Tarifplänen bis hin zu speziellen Empfehlungen für Apps und Inhalte – die Integration von KI ermöglicht Mobilfunkanbietern, ihren Kunden einen Mehrwert zu bieten und ihre Bindung zu stärken.
Auf der Branchenleitmesse Mobile World Congress in Barcelona stellte der Hersteller Huawei Ende Februar eine umfangreiche Palette neuer Produkte und Lösungen für die nächste Generation 5.5 vor. Mehr als 300 kommerzielle 5G-Netze, die insgesamt mehr als 1,6 Milliarden Nutzer weltweit verbinden, haben bis Ende 2023 die Entwicklung von 5G maßgeblich vorangetrieben. Die Wachstumsrate der globalen 5G-Nutzer ist siebenmal höher als die der 4G-Nutzer im gleichen Zeitraum. Derzeit nutzen 20 Prozent der weltweiten Mobilfunkteilnehmer bereits 5G. Die kommerzielle Einführung von 5.5G wird für 2024 erwartet. Der „halbe“ Schritt zur nächsten Technologiegeneration hat es in sich: 5.5G-Komponenten in den Netzen bieten mit einem Datendurchsatz von fünf bis 10 Gbit/s die zehnfache Leistungsfähigkeit, die verschiedenen Frequenzbänder im Mobilfunk werden von singulären, smarten Antennen abgedeckt – die natürlich auch weniger Energiebedarf haben, als ihre Vorgänger. Auch die Abdeckung von Sendebereichen in Innenräumen wird technisch einfacher. All das sind Features, die für neue leistungsfähige Services mit KI-Unterstützung gebraucht werden. „Jede Transformation in der Geschichte der Menschheit hat enorme Möglichkeiten mit sich gebracht. Der Eintritt in eine intelligente Welt funktioniert am besten, indem man sie gestaltet“, weiß Li Peng, President of ICT Sales & Service bei Huawei. Als größter Aussteller in Barcelona demonstrierte Huawei Lösungen für Vernetzung in der smarten Stadt, dem smarten Klassenzimmer und der smarten Fabrik.
Welchen Schub nun KI für Endkundenservices der Mobilfunker bringen kann, zeigt bereits China Mobile. Der große Mobilfunker setzt bereits auf KI-Unterstützung bei Zusatzservices in der Telefonie. So kann ein Videocall mit dem Gesprächspartner visuell an einen Avatar ausgelagert werden. Dieser transportiert den Anruf lippensynchron auf den Bildschirm des Empfängers. Für Kundenservices in der Wirtschaft sind beispielsweise Unternehmensavatare im Einsatz – bis hin zur automatischen Übersetzung in Sprache und Bewegtbild. Für den Mobilfunker ist es auch eine kommerziell spannende Erweiterung seine Netzes, die Rechenleistung beispielsweise für die Übersetzung wird direkt im „Core“ oder im Rechenzentrum des Providers erbracht. Es tut sich wieder eine Chance für die Mobilfunkbranche auf, Wertschöpfung nativ mit der eigenen Infrastruktur – abseits der dominierenden IT-Konzerne – zu erzielen.
Interview: Unterstützung für alle Seiten
Bild: Volker Libovsky ist Chief Technology & Information Officer (CTIO) bei Magenta Telekom.
Wie KI in den Kundenservice der Mobilfunker einzieht, beschreibt Volker Libovsky, Chief Technology & Information Officer bei Magenta Telekom.
Wo kommen KI-Lösungen bei Magenta Telekom im Kundenservice zum Einsatz?
Volker Libovsky: Es gibt unterschiedliche Anwendungsfälle, die für die Kund*innen in den nächsten Monaten sichtbar werden. Bei der Interaktion im Shop oder im Callcenter etwa werden wir den Kundenservice mit einem KI-basierten „Assisted Agent Support“ unterstützen. Unsere Mitarbeiter*innen im Service werden aber bei der Erkennung des Kundenbedarfs und beim zielgerichteten Finden von Antworten unterstützt. Es hilft allen Beteiligten. Für die Endkunden bedeutet das auch kürzere Wege zur Problemlösung am Telefon.
Wie weit ist die KI-Integration auch im Chat?
Das geschieht Schritt für Schritt. Viele der aktuellen Chatbots agieren auf Basis von festen Regeln und Algorithmen. Die Deutsche Telekom entwickelt gerade eine neue Version eines KI-basierten Chatbots, den wird in diesem Jahr auch nach Österreich bringen werden. Klassische Chatbots liefern korrekte Aussagen, die aber teilweise zu kompliziert formuliert sind. Mit dem richtigen Large Language Model erkennt man, was der Mensch eigentlich will. Es wird eine präzisere Antwort möglich, beispielsweise zu den Roaminggebühren in einem bestimmten Urlaubsland auch unter Berücksichtigung des Tarifs des Kunden. Ein statischer Chatbot würde dagegen eine Liste mit den unterschiedlichsten Optionen liefern, die man händisch durchforsten muss.
In welchen weiteren Bereichen gibt es bei Magenta Telekom von KI unterstützte Prozesse?
In der Netzplanung zum Beispiel. Magenta Telekom hat in mehr als zehn Gemeinden den Rollout mit echter Glasfaser bis zum Gebäude gestartet. Alle paar Wochen kommen weitere Gemeinden hinzu. Mit KI und einem „Digital Twin“ der Gemeinde können die Bautätigkeiten in der Region auf ein Minimum reduziert werden, indem der ideale Ausbau mit den wenigsten Streckenkreuzungen oder Verkehrsunterbrechungen ermittelt wird. Gleiches nutzen wir seit rund zwei Jahren im Mobilfunk, um in Kleinstädten die Positionierung von Mobilfunkmasten zu optimieren. Diesen internen Einsatz von KI haben wir in der Telekommunikationsbranche schon länger – er ist für Endkund*innen aber nicht sichtbar.
Wie schaut es mit einer Nutzung von KI auf den Endgeräten aus?
Viele Nutzer*innen haben bereits 100 und mehr Apps auf ihren Geräten installiert. Die Deutsche Telekom hat auf dem Mobile World Congress ein Smartphone-Konzept vorgestellt, das für die Übersicht am Handy mit einer KI-Ebene unterstützt. Wir sind der einzige Telco in Europa, der gerade ein eigenes LLM-Modell entwickelt. Das ermöglicht, dass wir Informationen etwa aus Content-Apps, Anwendungen für die Navigation oder Logistik holen und für die Nutzer passend aufbereiten. Man wird in Zukunft nicht mehr in den Apps suchen müssen, sondern sich mit der KI unterhalten. Ich werde zum Beispiel mein Smartphone einfach fragen können, wie ich am besten zu einem Treffpunkt in meinem nächsten Kalendereintrag komme. Heute muss ich dazu zwei bis drei Apps starten und voneinander getrennt manuell bedienen.
Welchen Anwendungsbereich für KI sehen Sie in der klassischen IT?
Neben den hervorragenden Datenanalysen, die mit KI heute bereits möglich sind, wird man künftig auch bestehende IT-Systeme und Prozesse automatisiert von KI neu entwickeln lassen können. Noch ist diese Unterstützung zu fehlerhaft, um komplett auf den Menschen verzichten zu können – aber auch das wird sich ändern. Seit gut zwei Jahren setzen wir im Bereich Testing entsprechende Plattformen von verschiedenen Herstellern ein, die bereits mit einer Mischung aus herkömmlichen Algorithmen und neuer KI arbeiten. Sie können so die Sichtweise eines Menschen einnehmen, wie dieser durch Geschäftsprozesse navigiert. Mit KI können Wege und Verhalten ausprobiert werden, die man mit einem starren Algorithmus nie in dieser Breite abdecken könnte.