Trotz großmundiger Versprechen der Branche ist das Breitbandangebot in Österreich unterdurchschnittlich – wenn man von echtem Breitband spricht.
Text: Martin Szelgrad
Ob ein entlegener Bauernhof im Wald oder veraltete Telefonleitungen im historischen Gebäudebestand in der Stadt: Die Herausforderungen einer vernünftigen Leitungsqualität für Videokonferenzen, der Übertragung von großen Dateien und generell der Teilhabe an einem datenbasierten Wirtschaftsleben sind ähnlich. In einer Umfrage von Cisco mit dem Marktforschungsinstitut Marketagent wurden die Erwartungen beim Thema Internet der Österreicher*innen abgefragt. An erster Stelle wird eine stabile Internetverbindung (38 Prozent) genannt.
»Gerade auch in Unternehmen gibt es einen weiter steigenden Bedarf an Konnektivität«, beobachtet Hans Greiner, Geschäftsführer von Cisco Österreich. Er sieht »Secure Connectivity« ebenso wie digitale Infrastrukturen als Fundament für die Digitalisierung der Wirtschaft. Ein Drittel (34 Prozent) der Befragten beklagen, über kein leistungsstarkes Internet zu Hause zu verfügen. Es gäbe aber Verbesserungen in der Breitbandabdeckung, die freilich noch verstärkt werden müssten. Greiner sieht ein starkes Stadt-Land-Gefälle. In Wien freuen sich 75 Prozent über starkes Internet. Im Gegensatz dazu geben nur 60 Prozent der Salzburger*innen an, eine starke Internetverbindung zu haben.
Bandbreiten sind etwa für den hybriden Arbeitsplatz eine Voraussetzung geworden. Nimmt man die Breitbandabdeckung durch den Mobilfunk in die Rechnung, stehe Österreich im Europavergleich »ganz gut da«. Diesen Erfolg ebenfalls im Festnetz umzusetzen, würden sich auch viele Unternehmen im ländlichen Raum wünschen. Selbst in einem hochentwickelten Land wie Österreich gibt es bei dieser Infrastruktur noch Nachholbedarf – abseits der regelmäßig gut versorgten urbanen Räume.
Förderung von Offenheit
Mit der ersten Breitbandmilliarde, die zwischen 2013 und 2020 für die Infrastrukturerrichtung in Österreich ausgeschüttet wurde, ist einiges in Bewegung gekommen. In dieser Tranche wurden Leistungen von 30 Mbit im Download gefördert. Zu einem großen Teil hat die Telekom Austria diese Möglichkeit genutzt, ihre Kupfernetze zu ertüchtigen. Die Milliarde war aber auch der Startpunkt für Infrastrukturlandesgesellschaften in Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark und in Kärnten. Sie haben von Anfang an auf den Bau anbieterneutraler, offener Glasfasernetze gesetzt, von denen heute die Unternehmenskunden vieler regionaler Internetprovider profitieren.
Mit den öffentlichen Mitteln der zweiten Breitbandmilliarde gibt es dezidiert Zuschüsse für diese echte offene Infrastruktur. Die lokalen Provider fahren große Erfolge ein, es ist ein Wiedererstarken einer alternativen Anbieterszene am Breitbandmarkt zu spüren. Beispiele wie Speed net (»Speeding.at«) in Waidhofen an der Thaya, TeleTronic mit Sitz in Schwechat – und in allen offenen Netzen in Österreich aktiv – oder der Kabelnetzbetreiber Kraftcom im Ybbstal zeigen, dass die Betreiberlandschaft aktiv und am Leben ist.
Physik als Bremse
Die Mitglieder des Vereins Open Fiber Austria Association (OFAA) beschäftigen sich seit über 15 Jahren mit dem Thema offener Glasfasernetze. »Wenn wir von Breitband reden, dann müssen wir von einem echten Glasfaseranschluss bis zur Wohnung oder Büro sprechen. Andernfalls werden wir immer ein Bandbreitenproblem haben«, erklärt Obmann Igor Brusic. In Österreich hätten die Nutzer*innen oft mit »unechten« Glasfaseranbindungen zu tun: kupferbasierte Festnetzanbieter aber auch der Mobilfunk würden in ihrem Marketing teilweise glasfaserähnliche Leitungsqualität versprechen, diese aber nicht liefern können.
Mit dem Modell offen zugänglicher Glasfaserinfrastrukturen in den Bundesländern wirbt Brusic für ein »neues Kapitel, das in Österreich aufgeschlagen wird«. In diesem Modell ist der Infrastrukturbesitzer selbst nicht am Endkundenmarkt tätig und damit auch nicht in einem Interessenkonflikt mit anderen Diensteanbietern. Genau dieser Konflikt sei in der Liberalisierung des Telekommunikationsnetzes in Europa stets Thema gewesen: Dem Incumbent (Anm. in Österreich die heutige Telekom Austria) wurde per Marktregulierung verordnet, seine Netzinfrastruktur auch den Mitbewerbern zu öffnen. Über Jahre versuchte eine ganze Branche neuer Telefonie- und Internetanbieter einen Markt aufzubauen – und arbeitete gegen einen Infrastrukturbetreiber, der naturgemäßg selbst Kund*innen mit Diensten gewinnen musste. Von den Alternativen damals ist heute eine Handvoll überregional tätiger Unternehmen übrig geblieben – auch aufgrund des Siegeszugs des Mobilfunks in Österreich.
Für Brusic, der auch im Management der Niederösterreichischen Glasfaserinfrastruktur GmbH (nöGIG) tätig ist, gilt es nun, »aus dieser Erfahrung zu lernen«. Überhaupt müsse Glasfaser als neue wesentliche Infrastruktur betrachtet werden, wie es bereits das Straßen- oder das Schienennetz ist. »Am Anfang konnte man die Eisenbahn oder auch Güterwege noch nicht genau differenzieren. Die Geschichte hat gezeigt, welche Veränderungen eine asphaltierte Straße bringt«, betont der Experte. Glasfaser sei mit einer 1.000- bis 10.000-fach besseren Leistungsfähigkeit nicht einfach ein besseres Breitband, sondern eine Infrastruktur für viele Generationen.
Der Open-Fiber-Verband sieht flächendeckende und leistbare Glasfasernetze als Hebel für das Sozialsystem, um Menschen zu Hause zu erreichen, ebenso wie für Unternehmen – bei einer Anwendungsvielfalt, die sich bereits massiv entwickelt. »Wenn einmal die Netze gebaut sind, dann verschwinden die Breitbandprobleme. Diese Leitungen haben praktisch kein Limit«, sagt der OFAA-Obmann. Während klassische Telefonnetze mit ihren Doppelkupferadern, die Kabelnetzanbieter mit Coax-Kabeln und auch der Mobilfunk mit der Übertragung über elektromagnetische Wellen stets mit der Physik zu kämpfen haben – je größer die Distanz, desto stärker der Datenverlust – schaffen Lichtwellenleiter bereits Terabit-Durchsätze auf Leitungslängen von tausenden Kilometern. »Wenn ein Gigabit versprochen wird und der Kunde erhält nicht einmal 100 Megabit, dann ist er ein bisschen enttäuscht«, kann Brusic so manche Beschwerde verstehen. Natürlich würden hinter den Angeboten der Provider beinharte wirtschaftliche Realitäten stehen. Auch Glasfaser werde es auf absehbare Zeit nicht für jeden Punkt in der Fläche geben können.
Derzeit befindet sich Österreich einer Statistik des »FTTH Council Europe« aus dem Jahr 2022 zufolge fast am Ende der Skala der Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen (knapp 39 Prozent) sowie der tatsächlichen Nutzung (4,4 Prozent Anteil an der Breitbandversorgung) in Europa. »Der geförderte Glasfaserausbau hat Fahrt aufgenommen. Die Breitbandmilliarde zeigt Wirkung, auch wenn es einige Anlaufschwierigkeiten gab«, betont Martin Zandonella, Geschäftsführer des Providers Net4You in Villach. Er findet es gerade für den ländlichen Raum wichtig, dass auch in Zukunft ausreichende Mittel für den Glasfaserausbau zur Verfügung stehen. Ein Vorteil, den lokale Provider Unternehmenskunden bieten, ist das »Know-how vor Ort« und die Bereitschaft, flexibler auf die individuellen Wünsche der Kunden einzugehen. »Lokale Provider sprechen – durchaus auch wörtlich gemeint – dieselbe Sprache«, weiß Zandonella, der mit der seinem 1995 gegründeten Unternehmen ein Pionier in der Szene ist.
Marco Resch, Mitbegründer von TeleTronic, sieht sich mit seinen Leitungsangeboten als »virtueller« Internetserviceprovider ohne eigene Infrastruktur frei von Interessenkonflikten: »Wir müssen keine veraltete Technologien unterstützen, nur weil wir diese im Bestand haben. Man sei als Vertragspartner und Lieferant kein »Gegner« der Unternehmen, sondern sitze »in einem Boot«. Resch sieht dieses Modell »langfristig positiv für TeleTronic, die Branche und damit für die Nutzer*innen«.
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Die Herausforderer