Für die österreichische Elektro- und Elektronikindustrie verlief das Jahr 2022 wirtschaftlich erfolgreich. Angesichts der eingetrübten Konjunktur fordert der Fachverband FEEI eine Senkung der Lohnkosten und – wenn nötig – Eingriffe in Marktpreise.
Die Vorjahresbilanz der Elektro- und Elektronikindustrie (EEI) kann sich durchaus sehen lassen: Ausgehend von einer bereits steigenden Produktion (+17,1 %) im Vergleichszeitraum 2021, schloss die abgesetzte Produktion 2022 neuerlich mit einem Plus von 15,7 Prozent. Die Exportquote liegt konstant bei 84,2 Prozent. Der Umsatz, der 2022 im Ausland erwirtschaftet wurde, betrug 22,74 Milliarden Euro. Der EU-Raum ist nach wie vor der wichtigste Exportmarkt und Deutschland mit einem Anteil von 29,6 Prozent der wichtigste Exportpartner.
Gemessen an der abgesetzten Produktion stellte die Elektro- und Elektronikindustrie 2022 die drittgrößte Industriesparte in Österreich dar. „Angesichts der vielfältigen Krisen ist das eine höchst erfreuliche Entwicklung und zeigt die Krisenfestigkeit dieser wichtigen Branche“, sagte Marion Mitsch, Geschäftsführerin des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie, im Rahmen der Jahrespressekonferenz. „Die EEI mit einem Anteil von neun Prozent am produzierenden Bereich in Österreich ist als Wirtschaftsmotor unverzichtbar, gewährleistet Standortsicherheit und bietet spannende und zukunftsweisende Jobs.“
Wolfgang Hesoun, Obmann des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie, zeigte sich über das Bekenntnis der Bundesregierung zur Stärkung der heimischen Halbleiterindustrie im Rahmen des European Chips Act erfreut: „Halbleiter sind die Basis für bis zu 50 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und unverzichtbar für eine Fülle von Anwendungsfeldern. Österreich hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren eine Spitzenposition erarbeitet.“
Wirtschaftslage trübt sich ein
Trotz der bisher gezeigten Krisenresistenz kommen die heimischen Industrieunternehmen durch die seit vielen Monaten anhaltend hohe Inflation, stark gestiegene Lohnkosten sowie hohe Material- und Energiekosten zunehmend unter Druck. Eine aktuelle Umfrage der rund 300 Mitgliedsunternehmen der Elektro- und Elektronikbranche belegt diese Entwicklung. Die stetig steigenden Kosten führen dazu, dass der Wirtschaftsstandort Österreich zunehmend an Attraktivität verliert.
Als eine wesentliche Ursache der sinkenden Wirtschaftsleistung verwies Hesoun auf die anhaltend hohe Inflation in Österreich. Im August 2023 lag die Inflation EU-weit laut Eurostat bei 5,3 Prozent, während Österreich im August mit 7,5 Prozent einen deutlich höheren Wert aufwies. Österreichs wichtigster Wirtschaftspartner Deutschland kommt mit einer Inflation von 6,1 Prozent merklich unter der österreichischen Inflationsrate zu liegen.
Für die heimischen Betriebe forderte der FEEI-Obmann Entlastungen: „Österreich als Wirtschaftsstandort verliert zunehmend an Attraktivität. Unternehmen stellen sich die Frage, ob es sich überhaupt noch rentiert, in Österreich zu investieren. Wirtschaftsräume wie die USA oder Asien locken mit enormen Wirtschaftshilfen und haben eine weitaus unternehmensfreundlichere Struktur mit beispielsweise rascheren Genehmigungsverfahren.“
Neue Ausbildungsoffensive
Die Entlastung der Kostenstruktur für Unternehmen sei auch bedeutsam im Kampf um die besten Köpfe, erläuterte Mitsch: „Das Lohnniveau in der EEI ist ein außerordentlich hohes. Mehrkosten, verursacht durch hohe Kollektivvertragsabschlüsse wie im letzten Jahr oder durch gestiegene Material- und Energiekosten, tragen allesamt die Unternehmen, die zunehmend an ihre Grenzen stoßen, wie wir aus aktuellen Mitgliedsbefragungen wissen.“ Um qualifizierte Fachkräfte zu bekommen bzw. zu halten, seien adäquate Gehälter unumgänglich – und hier brauche es Unterstützung und Anreize seitens der Politik.
„Arbeitskräfte in der EEI machen nicht nur einfach einen Job – sie gestalten die Zukunft mit und sind Taktgeber der Innovation. Das zu vermitteln ist eines unserer großen Ziele“, sagte Mitsch. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, brauche es laut FEEI zudem mehr Ausbildungsplätze im MINT-Bereich und die Attraktivierung des zweiten Bildungswegs. Wichtig sei der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, um auch Frauen bzw. Alleinerziehenden die Möglichkeit zu geben, Vollzeit zu arbeiten.
Einen weiteren Hebel sieht die Interessenvertretung in der Vereinfachung und Beschleunigung des qualifizierten Zuzugs. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer länger im Arbeitsprozess zu halten, wird als kurzfristige Lösung begrüßt. Der Fachverband startet in den nächsten Wochen gemeinsam mit anderen Organisationen der Branche eine groß angelegte Kampagne zur Gewinnung von Fachkräften, die besonders bei jungen Menschen Neugierde auf die Zukunftsbranche wecken soll.