Donnerstag, November 21, 2024
»Mein Selbstverständnis ist, unterstützend zu wirken«
Nicolai Czink ist Geschäftsführer und Gesellschafter von Bacher Systems. (Credit: Bacher Systems)

Generationenwechsel: Manfred ­Köteles hat nach mehr als 30 Jahren die ­Geschäftsführung von Bacher Systems an Elvira Cejna und Nicolai Czink (Bild) übergeben. Im Unternehmen setzt man nun auf Holokratie.

Sie sind seit etwas mehr als zwei Jahren im Unternehmen tätig und haben im April die Geschäftsführung von Bacher Systems übernommen. Wie hat sich Ihr Einstieg gestaltet?

Nicolai Czink: Ich hatte Manfred Köteles kennengelernt, und im Zuge unseres Austauschs zu Themen wie Agilität und IT-Strategien kam heraus, dass er eigentlich einen Nachfolger sucht. Wir hatten schnell großen Gefallen aneinander gefunden, also wurde ich von Manfred Köteles 2021 als künftiger Geschäftsführer den Mitarbeiter*innen vorgestellt. Damit war ich vom ersten Tag an mit hohen Erwartungshaltungen konfrontiert (lacht), hatte aber auch eine wirklich gute Unterstützung für die Übergabe.

Von Anfang an war der gemeinsame Plan, das Unternehmen zu transformieren, die Organisation auf mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung vorzubereiten. Das setzen wir jetzt mit einem holokratischen Modell um, das klassische Personenhierarchien ablöst.

Was ändert sich damit bei Bacher Systems und seinen mehr als 100 Mitarbeiter*innen?

Czink: Wir waren früher prozesshaft organisiert – mit den Bereichen Vertrieb, Consulting und Umsetzung. Damit haben wir die Entwicklung von IT-Lösungen bis hin zu Managed-Services und Support abgedeckt. Auf Basis dieser Organisation hat sich gezeigt, dass sich neue Bereiche wie zum Beispiel Data Analytics nicht einfach in dieses Korsett zwängen lassen – man hat auch keine Notwendigkeit dazu gesehen. Auch hatten viele im Unternehmen bereits eigenverantwortlich gearbeitet, allen voran im Vertrieb. Wir haben dann verschiedene Organisationsformen geprüft und uns für die Holokratie entschieden.Sie stärkt die Eigenverantwortung weiter und schafft einen Rahmen, flexibel auf Veränderungen zu reagieren.

Tatsächlich kann jeder die Organisation verändern. Funktioniert etwas nicht so, wie es ein Team benötigt, oder brauchen wir für ein Projekt eine neue agile Rolle oder eine alternative Organisationsstruktur – im Fall unseres Modells sind das Kreise, in denen sich verschiedene Rollen für ein Projekt oder ein Ziel zusammenfinden –, kann das unkompliziert umgesetzt werden. Das motiviert im beruflichen Alltag. Man lehnt auch Neues tendenziell nicht ab, sondern prüft lediglich, ob die Veränderung dem Unternehmen schaden könnte. Gleichzeitig liegt es in der Verantwortung der Mitarbeitenden selbst, Aufgaben zu übernehmen oder Arbeit auch abzugeben. Der Einzelne kann sich parallel zu seinem Tagesgeschäft in anderen Rollen weiterentwickeln. 

Was bedeutet das für Sie als Führungskraft?

Czink: Als Geschäftsführer habe ich rechtliche Pflichten gegenüber dem Unternehmen und der Öffentlichkeit. Nach Innen aber gibt es die Rolle des Geschäftsführers nicht. In anderen Rollen fokussiere ich auf Strategie, Planung und Portfolio. Weiters habe ich eine Rolle im Vertrieb, um neues Geschäft anzusprechen. Mein Selbstverständnis ist unterstützend zu wirken.

Gemäß einer Verfassung, die wir uns gegeben haben, kann ich als Geschäftsführer anderen nicht einfach Dinge anschaffen, bei denen ich nicht involviert bin – beispielsweise ob jemand eine Geschäftsreise unternimmt. Das muss mein Kollege schon selbst entscheiden – und zwar im Sinne des Unternehmens. Mit der zweiten Geschäftsführerin Elvira Cejna habe ich eine Kollegin an meiner Seite, die die Finanzen des Unternehmens seit 30 Jahren leitet. Die Zusammenarbeit ist ausgezeichnet und durch gegenseitiges Vertrauen geprägt.


Über die Person:

Nicolai Czink kam im Februar 2021 als Verantwortlicher für Strategie und Transformation zu Bacher Systems. Davor war er als Strategieleiter bei A1 Digital Teil des Führungsteams in der Aufbauphase des Digitalisierungsdienstleisters. Frühere Tätigkeiten umfassten internationales Management Consulting und den Forschungsbereich nach einem abgeschlossenen Studium der Nachrichtentechnik.


Wirkt dieser agile Ansatz positiv bei der Ansprache von Fachkräften? Wie geht es Bacher Systems generell am Arbeitsmarkt?

Czink: Wir sind zunächst in der glücklichen Lage, als IT-Unternehmen in einem Wachstumsmarkt tätig zu sein. Andererseits hat Bacher Systems noch nicht die große Sichtbarkeit verglichen mit internationalen Konzernen, die Fachkräfte wie magisch anziehen können. Wir sind mehrfach ausgezeichnetes Unternehmen des Jahres, unsere Familienfreundlichkeit wurde wiederholt bestätigt – sobald jemand auf uns aufmerksam wird, entscheiden sich Bewerber für Bacher Systems. Die Holokratie und die tatsächlich gelebte Eigenverantwortung auf Augenhöhe sind sicherlich etwas, das uns für Menschen interessanter macht.

Zudem stehen bei einer Holokratie Sinn und Zweck an erster Stelle. Unsere Strategie ist nicht, im nächsten Jahr zwei Millionen Euro mehr zu verdienen, sondern es ist der Wunsch, die Kunden mit unseren Services glücklich zu machen, bei einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit. Natürlich wollen wir auch wachsen und positiv bilanzieren. Wir sehen das als das Resultat unserer Arbeit. So gibt es auch keine individuellen Erfolgsboni im Unternehmen, nicht einmal im Vertrieb, sondern eine allgemeine Ergebnisbeteiligung. Das fördert auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit intern. 

Welche Wachstumsthemen haben Sie im Bereich Security, auf den Sie neben Infrastrukturservices und Analytics fokussieren?

Czink: Wir sehen hier zwei große Themen: Zum einen »Privileged Access Management«, also das Absichern von vor allem privilegierten Identitäten, wie Admin-Zugängen. Gerade das NIS-2-Gesetz, das alle Unternehmen mit kritischer Infrastruktur betrifft, bringt Handlungsbedarf.

Das zweite Wachstumsthema sind Managed-Security-Dienstleistungen, vor allem bei unseren Mittelstandskunden. Das Wissen zur Absicherung gegen Cyberangriffe ist in den Unternehmen immer noch zu dünn gesät. Einen Partner zu haben, der weiß, wie es funktioniert, ist ein großer Mehrwert. Sowohl die Angreifer als auch die Verteidiger nutzen mittlerweile auch KI massiv. In vielen Lösungen und Produkten sind KI-Funktionalitäten bereits integriert.

In welche Richtung entwickelt sich das IT-Infrastrukturgeschäft?

Czink: Das große Wachstum sehen wir in einer hybriden IT-Welt und ihrer Automatisierung. Wenn ich einen neuen Cloudservice aufbaue, geschieht das nicht mehr händisch. Man provisioniert nicht extra den Server und setzt diesen auf. Das geschieht heute rein über Codezeilen. Dieser Bezug von Services und Applikationen ist das Ergebnis einer automatisierten Infrastruktur in einer virtualisierten Cloud-Welt.

Das gleiche Konzept funktioniert auch im Datacenter, auch wenn dort meist noch althergebrachte Prozesse und Methoden zu finden sind. Ein Datacenter so zu transformieren, dass beides möglich ist – eine Cloud und Teile der IT im eigenen Betriebsumfeld –, ist Gegenstand hybrider IT-Infrastrukturen. Ein essenzieller Bestandteil sind moderne Containerplattformen für Microservices. Wenn ich durchgehend eine Automatisierung schaffe und Applikationen auf Basis von Microservices umbaue, sind die IT-Abteilungen sehr flexibel bei der Nutzung von Infrastruktur.

Wie hat sich der Bereich Data Analytics bei Bacher Systems entwickelt?

Czink: Gestartet haben wir ursprünglich mit der Analyse von Security-Logs, um Anomalien im Netzwerk zu erkennen – als Teil eines »Security Incident and Event Management«. Der nächste Schritt war die IT-Service-Intelligence: Die Performance von Geräten und Anwendungen wurden im Betrieb überwacht, um gegebenenfalls Maßnahmen daraus abzuleiten. Dieses Monitoring spannt mit dem Konzept der »Observability« den Bogen von der Infrastruktur bis in den Quellcode. Dadurch werden komplexe Probleme schnell und einfach erkannt. Im Zuge einer Automatisierung auch in diesem Feld sprechen Referenzkunden wie A1 bereits vom Ziel der »Zero Touch IT-Operations«.

Und der Weg geht noch weiter, in Richtung der Geschäftsanwender. Mit dem Wissen über Geschäftsprozesse und Daten aus dem IT-Betrieb – welcher Geschäftsprozess läuft heute nicht über IT – setzen wir den Schritt von der IT zum Business. Wir heben so das Gold, das in den »dummen« Daten drinnen ist. Die Anomalie-Erkennung hat sich zu einer allgemeinen Mustererkennung entwickelt. Das Kreieren von Geschäftsmehrwert aus der IT und den Prozessen heraus sehe ich als Riesenpotenzial für eine Aufwertung der Rolle der IT-Abteilungen in den Unternehmen.

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