Das Ende der Ära von Google naht. Was danach kommt, bringt eigene Probleme mit sich.
Wenn man Google heutzutage etwas fragt – und das passiert etwa acht Milliarden Mal pro Tag –, bekommt man schlechtere Ergebnisse als noch vor zwei, drei oder sogar zehn Jahren. Die obersten Suchergebnisse sind unweigerlich irrelevante Listicles oder Werbelinks, am unteren Ende der ersten Seite finden sich, mit etwas Glück, die gesuchten Informationen. Ab Seite 2 der Suche wird’s abenteuerlich und hat hin und wieder mit der Frage gar nichts mehr zu tun.
Das ist kein Zufall, sondern Absicht – und das Werk einer globalen digitalen Kraftanstrengung. SEO, also Suchmaschinen-Optimierung, soll einzelne Seiten möglichst effizient in der Google-Suche nach oben spülen. Weil das zu gut klappt, werden die Ergebnisse der eigentlichen Suche für die Nutzer*innen immer wertloser. Ganz oben steht, wer den Algorithmus am besten anlockt – dass das nicht unbedingt die beste Informationsquelle ist, versteht sich von selbst.
Kein Wunder, dass sich mehr und mehr Menschen entnervt von Google abwenden. Vor allem die jüngere Generation sucht deutlich häufiger auf YouTube oder sogar TikTok nach Antworten auf allfällige Fragen – dort vermuten sie authentischere Informationen. Dass beide Plattformen tiefgreifende Probleme mit Einseitigkeit und Aufmerksamkeitsoptimierung durch Radikalisierung haben, macht den Trend äußerst problematisch.
Nach SEO kommt AIEO?
SEO hat’s verbockt, aber AI wird’s richten, darauf setzen die Großen der Tech-Branche, seit im letzten Jahr mit Text-zu-Bild-AIs wie Dall-E und Midjourney, vor allem aber mit Large-Language-Models wie ChatGPT der AI-Goldrausch begonnen hat. Der AI-Chatbot ist eine der am schnellsten in den Alltag vieler Menschen integrierten Technologien überhaupt, das belegt eine Nutzerbasis von schwindelerregenden 100 Millionen Usern nur zwei Monate nach dem Start von ChatGPT. Das Bedürfnis nach einem Assistenten, der – eben – die Informationssuche im Netz auf andere Beine stellt, ist gewaltig.
Von den ethischen und möglicherweise auch existentiellen Gefahren, die mit dem exponentiellen Lernen von AI-Modellen einhergehen, soll hier nicht die Rede sein – stattdessen drängt sich mittelfristig aber eine andere Frage auf. Dass eine AI nur so schlau wie das zugrundeliegende Datenmaterial ist, ist das eine, dass die Chatbots hin und wieder unbekümmert Antworten halluzinieren, das andere – doch die Milliarden-Dollar-Frage ist, wie einfach oder schwer auf die AI-Engines Einfluss ausgeübt werden kann.
Eine ganze globale Industrie von Werbung, Marketing und PR, aber auch von politischen Spindoktoren, NGOs und autoritären Regimen steht bereit, nach den Suchmaschinen-Algorithmen künftig auch die AI-Engines zu »optimieren« – wie das technisch klappen soll, ist noch unklar. Dass es versucht werden wird, scheint hingegen unausweichlich. Bleibt die Binsenweisheit: Künstliche Intelligenz wird auf absehbare Zeit die eigene Kritikfähigkeit nicht ersetzen können. Dass unsere Schulen, Universitäten und Medien exakt diese nicht ausreichend fördern, ist heute tragischer als je zuvor.
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