Warum wir Frauen und Mädchen noch immer nicht für die IT begeistern – und was in zehn Schritten dagegen unternommen werden kann.
Als ausgebildete Informatiklehrerin und IT-Expertin im Bereich Microsoft 365 Cloud-Development bin ich seit über 15 Jahren in der IT tätig. In Schulen ebenso wie im Beruf prägt mich aber stets das gleiche Bild: Die Mädchen schreiben sich weniger häufig für Wahlpflichtfächer wie Informatik ein, der Anteil an weiblichen Studierenden in technischen Studien ist nach wie vor zu gering und im Job ist man als Frau meistens eine von wenigen im IT-Team. Das gilt insbesondere, wenn man Jobs aus dem Projektmanagement nicht dazu zählt: Die »Core IT« bleibt nach wie vor ein Männerclub.
Liegt es an mangelnden Fortbildungsangeboten? Zumindest für das Beispiel Wien kann das kaum der Fall sein: Es gibt unzählige Fortbildungsmöglichkeiten im Universitäts- und Fachhochschulsektor sowie Kurse, Seminare und Workshops zu technischen Weiterbildungen von verschiedenen Anbieter*innen. Vereine wie #thenewITgirls, Coding-Aktivitäten wie »Women and Code« und viele andere IT- und MINT-Aktivitäten bieten Frauen kostenfreie oder kostengünstige Weiterbildungsmöglichkeiten.
Der geringe Frauenanteil in der IT hat komplexere Gründe zur Ursache, die kaum durch Einzelinitiativen gelöst werden können. Ein Hebel ist zum Beispiel die Art und Wiese, wie technische Lerninhalte vermittelt werden. Zwar gibt es kein allgemeines Rezept für gute IT-Pädagogik, doch sind individuelle Betreuung, die wiederholte Auseinandersetzung mit der Materie und ein Mix an Lernmethoden eine gute Basis. Auch sollten IT-Inhalte von pädagogisch ausgebildeten Fachexpertinnen vermittelt werden. Doch gibt es viel zu wenige IT-Expertinnen – und noch weniger pädagogisch gebildete IT-Expertinnen.
In ihrer Ausbildungssituation sind Mädchen in einem Teufelskreis von gesellschaftlichen, sozialen und politischen Hürden gefangen. Während gerade Mütter üblicherweise den größeren Teil der Kinderbetreuung übernehmen, sind sie im technischen Bereich weniger präsent und daher dort weniger Vorbild für Ihre Kinder. Und wenn sich Mädchen später für einen einschlägigen Schultyp entscheiden, haben sie nicht nur weniger Kommilitoninnen, sondern auch weniger Lehrerinnen, die ihnen die technische Materie vermitteln.
Auch erreichen Maßnahmen, Frauen für IT zu begeistern, den ländlichen Raum kaum. Zwar besitzt beispielsweise das Land Niederösterreich eine Digitalisierungsstrategie, die auch eine Stärkung des ländlichen Raums vorsieht. Doch von der expliziten Motivation, Frauen und Mädchen im Zuge der Digitalisierungsstrategie zu erreichen, ist nicht die Rede. Eine Fortbildung in Krems an der Donau ist für viele Orte im nördlichen Waldviertel oft bis zu 50 Minuten per Auto entfernt und eine öffentliche Anreise nicht zumutbar. Aus diesen Gründen habe ich einen Zehnpunkteplan mit Maßnahmen für Bildungsanbietende konzipiert, der vor allem junge Mädchen, aber auch erwachsene Frauen den Sprung in die IT erleichtert:
- Bildungsmaßnahmen lokalisieren - Teil 1
IT-Fortbildungen und Bildungsmaßnahmen gibt es im städtischen Raum sehr viele, im ländlichen Raum dagegen kaum. Werden Maßnahmen gemeinsam mit dem Land gesetzt können auch für einzelne Anbieter schwer erreichbare Regionen erschlossen werden. Am besten funktioniert es ohnehin gemeinsam, um kooperativ auch aus vergangenen Digitalisierungsoffensiven zu lernen. - Bildungsmaßnahmen lokalisieren - Teil 2
Weibliche Role Models müssen auch außerhalb der Ballungsräume sichtbar gemacht werden. Dabei sollten Digitalisierungsmaßnahmen offen und freundlich gestaltet sein und Frauen nicht nur als Moderatorinnen oder Aufputz, sondern als Expertinnen und Vortragende inkludieren. Denn wo keine Frauen sichtbar sind, fühlen sich diese auch nicht erwünscht. - Interessen und Hobbys berücksichtigen
Gerade Mädchen haben oft breitere Interessen als Buben – sie »dürfen« tanzen, singen, mit Puppen spielen aber eben auch mit Lego bauen oder Computerspielen. Sind aber Projekte zu streng auf Rollenbilder zugeschnitten, kann das Mädchen ausschließen. So gilt es, neben Minecraft, Ninjago und Co. auch weibliche Heldinnen aus der Fankultur aufzugreifen und nicht vor Projekten wie etwa digitalen Zeichenapps oder »AI Barbie« zurückschrecken. - Der erste Eindruck zählt
Gerade Schulen kämpfen mit Budgetproblemen, was dazu führen kann, dass veraltete IT-Säle wenig Interesse bei den Schüler*innen auslösen. Mit Finanzierungshilfen über Förderungen oder Partner*innen kann in neues Equipment investiert werden. Zur Not können das auch strategisch platzierte Einzelstücke sein. Für Aufmerksamkeit sorgen zudem spannende Werkstücke, wie programmierbare Roboter oder ein Raspberry Pi im aktiven Einsatz in der Schule. - Die kreative IT
Personen mit unterschiedlichen Interessen werden weniger für die IT-Bildung gewonnen, wenn Aufgabenbeispiele und Projekte nur aus Bereichen wie Technik oder Mathematik kommen. Kreative Aufgaben in unterschiedlichen Kontexten sind dagegen das Programmieren von Adventures statt Fibonacci-Zahlen, der Bau einer Wald-Natur-App – je breiter die Themen, desto besser. Generell schreckt ein streng technisches Curriculum kreative Köpfe ab und führt zu Einseitigkeit und Einsiedlertum. Lehrpläne müssen deshalb auch mit sozialen und kreativen Unterrichtsthemen angereichert werden. - Wunschberufe berücksichtigen
Wunschberufe von Mädchen sind sehr vielfältig und gerade die IT ist vielseitig genug, verschiedene Berufsvorstellungen abzubilden. Workshops zu Digitalisierungsideen können deshalb einen Kontext von technikferneren Berufen adressieren: Welche IT und Apps braucht eine Tierarztpraxis? Wie kann die IT einen Gastronomiebetrieb unterstützen? Was braucht es, um einen Friseursalon zu digitalisieren? Wie profitiert der Pflegebereich von der Digitalisierung? - IT-Fortbildner*innen: Relevante Aushängeschilder anbieten
Auf der Suche nach der richtigen Fort- oder Ausbildung im Bereich IT informieren sich viele vorab über das Internet. Der allgemeine Webauftritt sollte einen guten Eindruck machen, denn auch der Ruf als seriöse Fachstelle im Bildungsbereich wird unter die Lupe genommen. Diese sollte ihre Zielgruppe mit der passenden IT-Expertise abholen. Spezialisierte Schulen könnten, da Kinder ja oftmals gerne Computerspiele spielen, zum Beispiel eine »Game Creator«-App erstellen, die inhouse oder von Partner*innen entwickelt und gewartet wird. Oder wie wäre es mit Blog-Einträgen für Eltern zu den »besten Tablets für Kinder« oder »vertrauenswürdigen Foto-Apps für Android und iPhone«? - Der Faktor Mensch in der IT
Für jedes Alter gilt: Spezialist*innen-Veranstaltungen können ein sehr enger Kreis sein, in dem sich Teilnehmer*innen vielleicht schon kennen oder sich ein Großteil durch entsprechende Vorbildung schon solide in der Materie auskennt. Es sollten daher möglichst alle Teilnehmer*innen mitgenommen werden – durch Buddy-Programme (von Frau zu Frau austauschen), soziale Veranstaltungen wie zum Beispiel Sport-, Musik- oder Koch-Events. Denn sich bloß an der harten Materie IT erstmalig kennenzulernen, kann abschrecken, wenn man glaubt, dem direkten Vergleich nicht standhalten zu können. - Zeitgemäße Online-Informationen
Gerade für Schulen gilt, auch einen besonders informativen Online-Tag der offenen Tür zu bieten – mit viel Interaktivität etwa mittels 3D-Videos, dem Austausch mit Lehrer*innen und Schüler*innen oder einer Liveübertragung von Veranstaltungen mit Online-Interaktion. Für alle Anbieter*innen gilt: Informationen stets über verschiedene Kanäle gut lesbar teilen. Wichtig ist, Webseiten auch für die mobile Betrachtung zu optimieren und statische PDFs zu vermeiden. Ebenso hilfreich ist eine logische Struktur mit Kategorien, Fotos und Videos, Informationen dezidiert zu Lehrer*innen und Schüler*innen, Testimonials und weitere Themen. - Physische Umgebung neutral ansprechend gestalten
Zu guter Letzt sollte auch die physische Umgebung in einer IT-Bildungseinrichtung neutral ansprechend gestaltet werden. Das heißt, weg von der typisch »männlichen« Farbgebung blau und grau. Auch bei Gebäuden zählt der erste Eindruck. Es sollen sich alle wohl und erwünscht fühlen.
Über die Autorin
Anna Fritsch-Weninger ist Cloud Solution Expert und Cloud Developer bei ACP IT Solutions. Sie hat das kombinierte Lehramt Informatik und Informatikmanagement & Englisch an TU Wien und Universität Wien studiert. Ihr Ziel ist, Menschen und Organisationen durch ihre IT-Expertise und pädagogische Ausbildung bestmöglich in der Digitalisierung zu unterstützen – insbesondere bei der Förderung von Frauen in der IT.