Sabine Glanz, Country Business Lead bei Alcatel-Lucent Enterprise Österreich, über Veränderungen in der Pandemie, die aktuelle Situation in den Lieferketten und Schwerpunkte im Geschäft mit Kommunikations- und Netzwerklösungen.
Sabine Glanz ist seit sieben Jahren bei Alcatel-Lucent Enterprise (ALE) tätig. Das Unternehmen hat bis zuletzt zwei Drittel des Umsatzes in Österreich mit dem größten Geschäftspartner NTT gemacht, der die Kundenbasis im Bereich Unified Communication (UC) im Vorjahr an A1 abgegeben hat.
Mit der Übernahme des Country Business Lead in Österreich Anfang dieses Jahres hat Glanz ein Team von 18 Mitarbeiter*innen, wobei sie die Arbeit von zehn Sales- und Presales-Mitarbeiter* innen verantwortet. Weitere Team-Kolleg*innen im Büro in Wien sind mit überregionalen Aufgaben betraut, so etwa ihr Vorgänger Christian Doleschal, der das Partnerprogramm von ALE nun auf internationaler Ebene weiterentwickelt.
Report: Welche Technologielösungen adressieren Sie bei Ihren Kunden in Österreich?
Sabine Glanz: Wir setzen den Fokus klar auf Cloud- und Netzwerklösungen für die »Digital Age Communications«. Daneben bedienen wir weiterhin das klassische Telefoniegeschäft. Rund um Kommunikation und Lösungen für die Zusammenarbeit adressieren wir die zugrundeliegende Netzwerkinfrastruktur – ein Bereich, in dem wir in allen unseren Ländern und auch in Österreich überproportional wachsen. Der Bereich umfasst Themen wie die Sicherheit im Netzwerk, LAN- und WLAN-Lösungen und unsere Access Points.
Wir wollen die Vorteile unseres Angebots noch stärker zu den Kunden tragen und haben hier noch sehr viel Potenzial. Es geht auch darum, die Erfahrung aus erfolgreich umgesetzten Projekten in anderen Ländern in Österreich anzuwenden. Kunden wie etwa Stahl Judenburg setzen bereits auf unsere LAN-Switches und unterstützen mit einem robusten IT-Netzwerk ihre Produktion.
Report: ALE realisiert also auch Anwendungen für die Industrie?
Glanz: Im Manufacturing-Bereich liefern wir besonders robuste Netzwerk-Lösungen – beispielsweise »Ruggedized Switching«. Prinzipiell arbeiten wir auch an professionellen Infrastrukturlösungen, die über klassische Unternehmensgrenzen oder auch den Servicebereich einzelner Leitungsprovider hinausgehen, wie etwa die Vernetzung internationaler Standorte oder die Einrichtung einer sicheren Kommunikationsinfrastruktur. So unterhalten wir im Bereich SD-WAN eine strategische Partnerschaft mit Nokia.
Report: Was wäre ein Projekt außerhalb Österreichs, das Sie gerne auch hier umsetzen würden?
Glanz: Die Stadt Münster zum Beispiel hat im Zuge eines Digitalisierungsprojekts 80 Schulen über unsere LAN-Produkte und Access Points angebunden, um den Schüler*innen und Lehrer*innen WLAN zur Verfügung zu stellen. Der Vorteil unserer Lösung ist das einheitliche Managementsystem über alle Standorte hinweg. Zudem ermöglicht die Lösung über ein separates Netzwerk ein sicheres »Bring your own Device« für die Nutzer*innen. Hier sehe ich auch Potenzial für Projekte und Anwendungen in Österreich.
Report: Wie war es um die technische Sicherheit im Homeoffice zu Beginn der Pandemie bestellt?
Glanz: Gerade zu Beginn wurde vielfach auf Kommunikations- und Netzwerklösungen für die privaten Nutzung ausgewichen. Diese Produkte decken aber nicht alle Sicherheitsanforderungen ab. Es braucht Unternehmen wie ALE, die für rundum sichere Arbeitsumgebungen sorgen. Unternehmen ermöglichen auch heute den mobilen Arbeitsplatz und Homeoffice – zwei Modelle, die sich doch auch voneinander unterscheiden – und Netzwerksicherheit spielt hier eine große Rolle.
Report: Haben die vergangenen 24 Monate einen Schub für UC-Plattformen wie Rainbow bedeutet, oder waren die IT-Abteilungen mit anderen Themen befasst?
Glanz: In Beginn der Pandemie musste in vielen IT-Abteilungen der Unternehmen sehr schnell gehandelt werden, um die Arbeit der Kolleg*innen zu unterstützen und entsprechende Umgebungen sicherzustellen. Es war schon ein Schub zu spüren. Die Unternehmen mussten sich über die Angebote am Markt rasch informieren und hier spielt unsere Communication-as-a-Service-Plattform Rainbow eine Rolle. Viele beginnen aber erst jetzt, ihre Arbeitsplatzstrategie grundlegend zu überdenken und entsprechend zu investieren.
Report: In welchen Branchen waren Sie während der Pandemie besonders aktiv?
Glanz: Wir sind mit unseren Lösungen auch stark in der Gesundheitsbranche und im öffentlichen Bereich vertreten. Dort haben wir gerade mit unseren Software-Clients rasch helfen können. Mit diesen musste nicht immer gleich eine Cloudlösung installiert werden. Die Kommunikationskanäle und Telefonie konnten dagegen über die Software integriert und den Nutzer*innen rasch und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden.
Diese Möglichkeit, die Digitalisierung in kleineren Schritten zu vollziehen, ist eine große Stärke. Man kann damit Systemumstellungen in der Netzwerk- und Kommunikationsinfrastruktur dem Tempo eines Unternehmens anpassen und kunden- und unternehmensfreundlicher agieren. Auftretende Bedenken bei Nutzer*innen gegenüber technologischen Veränderungen lassen sich so Schritt für Schritt abbauen.
Report: Sehen Sie die Bedenken gegenüber Cloudlösungen in Österreich schwinden?
Glanz: Auf jeden Fall. Selbst Organisationen, die vor wenigen Jahren die Cloud abgelehnt hatten, denken seit der Pandemie anders. Meist werden Cloudprojekte jetzt rascher umgesetzt, als es eigentlich geplant war. Trotzdem sitzen wir auch heute Behörden gegenüber, die Cloudservices in ihrer IT-Infrastruktur kategorisch ablehnen – wenn man etwa mit sensiblen Daten arbeitet.
Report: Würde eine europäische oder gar österreichische Cloudinfrastruktur die Anforderungen an einen sicheren Speicherort erfüllen?
Glanz: Teilweise würde sie das. ALE hat seine Infrastruktur in Europa, mit eigenen Datacenters in Deutschland und in Frankreich. Wir haben damit die Möglichkeit, Datensicherungen und Datenschutz je nach Kundenanforderung und rechtlichen Richtlinien zu gestalten. Das wäre anders, hätten wir Rechenzentrumsinfrastruktur nur in Übersee. Als internationales Unternehmen sind wir aber auch dort mit Rechenzentren präsent.
Report: Wie ist es den Unternehmen in Ihrem Kundensegment Tourismus und Hotellerie in der Pandemie ergangen?
Glanz: Viele unserer Kunden in dem Sektor – die meisten davon mittelständische Unternehmen im Westen Österreichs – haben die Zeit des völligen Stillstands, aber gleichzeitig auch der finanziellen Unterstützung durch den Bund genutzt, um in Technologien zu investieren. Ich sage bewusst Technologie, denn in der Vergangenheit stand an erster Stelle einer Erneuerung meistens die Holzvertäfelung der Rezeption. Ein Hotelier hatte den Fokus auf den Eingangsbereich, weniger auf die IT-Lösungen. Das hat sich geändert. Für die Gäste ist es einfach wichtig, dass das WLAN funktioniert. Früher war das ein nettes Add-on, heute gehört es zur Grundausstattung eines Hotels.
»In der Vergangenheit stand bei Hoteliers an erster Stelle einer Erneuerung oft die Holzvertäfelung der Rezeption – weniger die IT-Lösungen. Das ändert sich jetzt«, meint Sabine Glanz.
Report: Wie ist die Situation in den Lieferketten der IT-Branche? Ist ALE davon betroffen?
Glanz: Lieferschwierigkeiten bei Materialien gibt es derzeit im gesamten IT-Umfeld. Das bedeutet auch für unsere Kunden, die stets projektbezogen Gebäude mit Technologie ausstatten, längere Lieferzeiten. Ich denke aber, dass wir bei ALE diese Herausforderung relativ gut im Griff haben. Die flachen Hierarchien in unserer internationalen Organisation und die Zusammenarbeit der Abteilungen untereinander – insbesondere in der Logistik – helfen, Hardware-Engpässe auch über Landesgrenzen hinweg auszubalancieren.
Wir agieren auch mit Ersatzprodukten und bieten bei Bedarf die nächsthöhere Geräteoption, sofern der Kunde uns finanziell entgegenkommt. Wir haben aktuell zwar nicht, wie vor der Pandemie, Lieferzeiten von vier bis fünf Tagen, können Netzwerkprodukte aber in durchschnittlich 50 Tagen und unsere UC-Produkte binnen 40 Tagen liefern. Dies sind richtig gute Werte im Branchenvergleich. Aber angesichts der aktuellen Weltlage kann sich das täglich wieder ändern.
Report: Welche Aussicht hat die Branche auf eine Normalisierung?
Glanz: Unabhängig von der aktuellen politischen Situation in Europa wird die Branche mit Lieferketten, Preisanstiegen und Produktionsausfällen noch mindestens bis Ende dieses Jahres zu kämpfen haben. Ich hoffe, dass sich die Situation 2023 normalisieren wird.
Report: Sie sind 25 Jahre in der IT tätig. Was ist in diesen Jahren in der Branche gleichgeblieben? Was hat sich geändert?
Glanz: Geändert haben sich sicherlich das Tempo der Entwicklungen und die Art der Arbeit hinsichtlich Mobilität und Geschwindigkeit – wobei mir letzteres eigentlich erst rückblickend auffällt. Die IT-Branche war ja stets flexibler und schneller im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen. Ebenfalls ist auffallend, dass die Unternehmen jetzt stärker das Thema von Frauen in der Technik pushen.
Report: Inwiefern?
Glanz: Frauen in den Vertrieb zu holen, um Diversität und Kommunikation in den Teams zu stärken, hatte man sich schon bei meinen ersten Arbeitgebern vor gefühlt hundert Jahren in der IT-Branche gewünscht. Aktionen dazu hatten zwar eine Zeitlang gefruchtet, nach einem Jahr war dann die Sales-Mannschaft meistens wieder ausschließlich mit Männern besetzt. Eine nachhaltige Veränderung in der Branche sehe ich erst seit drei bis vier Jahren.
Man hat erkannt, dass es keineswegs mit einmaligen Aktionen getan ist, und dass man Barrieren gegenüber Frauen und Mädchen aller Altersstufen abbauen muss. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Frauen anders nachfragen und Situationen kritischer hinterfragen. Aber Menschen haben unterschiedliche Anknüpfungspunkte und verschiedene Ideen – egal ob jung oder alt, Profi oder Quereinsteiger, Frau oder Mann oder sonstiges Geschlecht. Letztlich müssen die Stärken und das Profil jedes einzelnen Menschen im Vordergrund stehen.
Zur Person
Sabine Glanz leitet seit Jänner 2022 das Österreichgeschäft von Alcatel-Lucent Enterprise, einem Anbieter von Kommunikations-, Netzwerk- und Cloud-Lösungen. Glanz kam vor sieben Jahren zu ALE Austria, und war davor bei internationalen IT-Konzernen wie IBM, Oracle, BMC Software und EMC tätig.