Am gesellschaftlichen Nutzen von Social Media scheiden sich die Geister. Facebook, Twitter, Instagram, TikTok & Co könnten aber auch Ihre Gesundheit gefährden.
Was Twitter- Bonmots angeht, ist das eines der besseren: »Fox News und Facebook haben unseren Eltern das angetan, was die geglaubt hätten, dass Videospiele uns antun würden.« Da ist was dran. Während der behauptete Zusammenhang von Videospielen und realer Gewalttätigkeit von zahlreichen Studien ins Reich der Vorurteile verbannt wurde, wird der düstere Befund in Sachen Social Media immer konkreter:
Social Media radikalisiert die Gesellschaft und sorgt für Spaltung und Konflikte bis hin zur Gewalt. Kein Corona-Leugner, kein Verschwörungstheoretiker, der nicht mehr oder weniger durch die Rutsche im Internet zu seinen Überzeugungen gekommen wäre.
Und das nicht zufällig, sondern mit voller Absicht und Unterstützung der Plattformen: Kontroverse, Hass und starke emotionale Themen sorgen für lange Verweildauer auf YouTube, Facebook & Co, die wiederum bringt Werbemilliarden. Die Algorithmen, die entscheiden, was an wen ausgespielt wird, sind seit Jahren auf Krawall gebürstet. Zornige Nutzer bleiben länger. Der aktuelle Skandal um Facebooks diesbezügliche Praktiken belegt nur, was seit Jahren allgemein bekannt war und – auch an dieser Stelle – berichtet wurde.
Zu diesen gesellschaftliche Fliehkräfte anheizenden Schattenseiten sozialer Medien kommt nun eine weitere, ganz konkret physische Bedrohung der oft jugendlichen Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien hinzu. Wie gleich in zwei Studien dokumentiert wurde, ist der Ausbruch einer sozial ansteckenden Verhaltensstörung bei einer global verteilten Gruppe von Jugendlichen wohl direkt auf deren Social-Media-Konsum zurückzuführen.
Nach dem Anschauen von TikTok- und Youtube-Videos entwickelten die Patienten innerhalb weniger Tage Tourette-artige Symptome, wie sie im konsumierten Content zu sehen waren. Die Ärzte schlagen für dieses neuen Phänomen den Term »Mass Social Media-Induced Illness« vor.
Angesteckt im Netz?
Es mag wie ein dummer Witz klingen, ist aber ernst gemeint: Jugendliche sehen auf TikTok und YouTube Videos von Menschen mit Tourette-Symptomen und erkranken zumindest kurzfristig selbst an der seltenen neurologischen Zwangsstörung, die mit Bewegungstics und unfreiwilligen Schreien und Schimpfwörtern einhergeht.
Die Betroffenen leiden ebenso wie die Angehörigen unter der Stigmatisierung durch diese Beeinträchtigung. In manchen Fällen ist eine langwierige Therapie nötig, um die Symptome wieder verschwinden zu lassen, bei anderen legt sich das bestürzende Verhalten innerhalb weniger Stunden wieder.
Kann man sich via TikTok und YouTube mit krankhaften, motorischen und vokalen Tics anstecken? Was nach wilden Vorurteilen medienskeptischer Großeltern klingt, hat reale Grundlagen. Ein aktueller Artikel im renommierten British Medical Journal, der unter anderem auf Fälle in den USA, Neuseeland und Deutschland bezug nimmt, scheint dies zu bestätigen.
Die Forscher verweisen dabei auch auf historische Fälle von »Massenhysterien«, am berühmtesten darunter wohl die »Tanzkrankheit« im Europa des 14. und 15. Jahrhunderts. Gerade bei jüngeren Menschen dürfte das Auftreten solcher »sozial ansteckender Verhaltensstörungen« ohne eindeutige körperliche Grundlage auch mit den mentalen Belastungen durch die Coronapandemie einhergehen.
Ein Grund mehr, sein Sozialleben wieder vermehrt in die reale Welt zurückzuverlagern.