Montag, November 25, 2024
KI für die „Grüne Hölle“
Bild: iStock

Der Nürburgring in Deutschland profitiert künftig von einem deutlich optimierten Sicherheitssystem, das auf Künstlicher Intelligenz basiert. Dank des komplexen Zusammenspiels von HD-Kameras, KI-Echtzeitanalysen sowie besonders reaktionsschnellen Warnsystemen können sowohl die Streckensicherung als auch die Fahrer unmittelbar über Zwischenfälle auf der Nordschleife - die die Rennlegende Jackie Steward einst als die „grüne Hölle“ bezeichnete - informiert werden.

Die legendäre Nordschleife ist der wohl bekannteste der beiden Rennstreckenabschnitte des Nürburgrings. Die 20,8 Kilometer lange Strecke verfügt über insgesamt 73 Kurven, darunter auch uneinsehbare Kurven, Senken und erhebliche Höhenunterschiede. Nicht umsonst gilt die Nordschleife – und damit der gesamte Nürburgring – als eine der anspruchsvollsten Strecken ihrer Art weltweit. Um hier maximale Sicherheit zu gewährleisten, konnten sich die Rennkommissare in der Vergangenheit bei ungeplanten Zwischenfällen nur auf den Funk und die Kommunikation mit den Streckensicherungsposten verlassen, um die Informationen an die Rennleitung weiterzugeben und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Im Unterschied zur eigentlichen Grand Prix-Strecke verfügt die Nordschleife bislang nicht über Kameras und ist daher für die Rennleitung nicht einsehbar. Vorfälle sind daher nur verzögert zu identifizieren und eine sofortige Reaktion fällt schwer. Wenn sich mehrere hundert Fahrzeuge gleichzeitig auf der Bahn befinden, kann unter Umständen kostbare Zeit bei der Problemerfassung und der Reaktion darauf verloren gehen.

Zum Einsatz kommt künftig ein lokal installiertes KI-System, das von Experten von Fujitsu auf die spezifischen Anforderungen des Nürburgrings entwickelt und optimiert wird. Die Software umfasst unter anderem KI-Modelle zur Objekterkennung. Damit werden beispielsweise Fahrzeuge oder Personen auf der Strecke erkannt. Zudem identifiziert sie mittels Bildsegmentierung unterschiedliche Oberflächen wie geteerte Strecke, Schotterflächen, Auslaufzonen und Wiese ebenso wie etwa Leitplanken oder Fangzäune. Ein nachgelagertes System kann anschließend anhand definierter Regeln Informationen und Hinweise an den Streckenbetreiber, Befehle an Streckenampeln oder Warnmeldungen direkt an die Fahrer auf der Strecke ausgeben.

Rollout der neuen Lösung auf Teststrecke „Döttinger Höhe“

Den Anfang des ehrgeizigen Strecken-Digitalisierungsprojekts macht ein 2,8 km langer Testabschnitt, die so genannte „Döttinger Höhe": Hier werden zunächst acht HD-Kameras installiert. Zur Abdeckung der gesamten Nordschleife sollen dann insgesamt 100 Kameras zum Einsatz kommen. Die hohe Anzahl der erforderlichen Kameras lässt eine lückenlose Überwachung durch Menschen kaum zu. Die Kameras, die bei dieser Lösung zum Einsatz kommen, sind per Glasfaserkabel mit der Rennleitung verbunden. Um die Entscheidungsfindung im Rennalltag zu optimieren, entwickelt Fujitsu ein KI-System, das alle übertragenen Bilder in Echtzeit analysiert und jede potenzielle Gefahr sofort anzeigt. Werden mögliche Probleme identifiziert, benachrichtigt das System unverzüglich die Rennleitung und schaltet auf Videoübertragung um. Die Verantwortlichen können dann den herannahenden Verkehr über LED-Anzeigen an der Strecke über den Vorfall informieren.

Dazu Jörn Nitschmann, Head of Manufacturing and Automotive Central Europe bei Fujitsu: „Der Nürburgring steht im Ruf eines schwer zu befahrenden Parcours – nicht umsonst heißt es: „Jeder lobt, was Nürburgring-erprobt“. Das Projekt bringt zweifellos einige Herausforderungen mit sich. Dazu gehört auch die kontinuierliche Verfügbarkeit einer erforderlichen Bandbreite inmitten der Eifel. Doch die Kombination von Sicherheits-Expertise seitens der Rennstrecken-Betreiber und unserer Erfahrung bei der Spezifikation und Installation komplexer KI-Lösungen hat sich als perfekte Co-Creation erwiesen. Unsere Zusammenarbeit verbessert die Sicherheit auf dieser extrem schwierigen Rennstrecke, indem wir ausgewiesene Expertise in puncto digitale Transformation aus anderen Branchen einbringen.“

Mirco Markfort, Geschäftsführer des Nürburgrings, bestätigt: „Auf der Nordschleife finden seit fast hundert Jahren Rennveranstaltungen statt. Wir haben im Laufe der Jahre viel in die Sicherheit der vielen Fahrer investiert, die hier jedes Jahr ihre Fähigkeiten testen. Dank unserer Kooperation mit Fujitsu sind sie jetzt so sicher wie nie zuvor. Wir bekommen nicht nur zum ersten Mal Sicht auf alle Streckenabschnitte, sondern auch automatisierte, von KI generierte Echtzeit-Benachrichtigungen. Der erste erfolgreiche Live-Test fand beim legendären 24-Stunden-Langstreckenrennen Anfang Juni statt. Jetzt sammeln wir die Daten aus dem Testabschnitt und werden die Gesamtlösung auf Basis der entsprechenden Erkenntnisse weiterentwickeln. Wir planen, diese revolutionäre Technologie auf der gesamten Strecke zu nutzen."

Fujitsu entwickelt das KI-System kontinuierlich weiter. So wird es etwa darauf trainiert, Fahrzeuge ebenso zu erkennen wie verschiedene Teile der Strecke. Auch lernt die KI, Anomalien wie Öl und Schmutz auf der Fahrbahn zu identifizieren und die Wetterlage miteinzubeziehen – bis hin zum jeweiligen Schattenwurf.  Durch den modularen Aufbau ist das Gesamtsystem hochgradig skalierbar und kann somit einfach ausgebaut werden, sobald weitere Streckenabschnitte mittels KI überwacht werden sollen und dadurch die Anzahl der angeschlossenen Kameras weiter steigt.

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