Software zählt in Österreich als aufstrebende Branche. Laut Verband der Österreichischen Software Industrie, VÖSI, wird jedoch immer mehr nur Software weiterentwickelt, deren Ursprung nicht in Österreich liegt. Der Telekom & IT Report hat mit heimischen Herstellern gesprochen, die eigene Software-Visionen umsetzen.
15% Wachstum jährlich, seit 2008 steigende Umsatzzahlen, mittlerweile sogar deren Verdopplung. Das sind die Fakten der heimischen Softwareszene. Dass diese boomt, bestätigt auch der aktuelle »Österreichische Kreativwirtschaftsbericht«, der Anfang März von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer vorgestellt wurde. »Die Kreativwirtschaft ist ein innovativer Leuchtturm der Wirtschaft, Innovationsturbo für andere Branchen und digitaler Vorreiter. Leider steht sie oft im Schatten anderer Branchen«, so die Ministerin. Insgesamt entwickelt sich die Kreativwirtschaft zum wichtigsten Bindeglied bei Internationalisierung sowie Digitalisierung und hat Cross-over-Effekte in alle Wirtschaftsbereiche.
Software als Turbo
»Wir wachsen in den letzten sieben Jahren jährlich zwischen 15 und 21 % im Umsatz- und Mitarbeiterbereich«, betont Geschäftsführer Markus Neumayr, der mit seinem Unternehmen Ramsauer & Stürmer die gesamte ERP-Palette von der Dokumentation über den Management- bis zum Steuerungsprozess innerbetrieblicher Abläufe abdeckt. Der ERP-Markt ist langfristig – bis Entscheidungen bei Unternehmen getroffen werden, vergeht viel Zeit. Neumayrs Erfolgsrezept: »Der Kunde will weg von kleinen Insel- hin zu integrierten Gesamtlösungen. Wir versuchen, keine kundenindividuelle Programmierung aufzusetzen, sondern schaffen Lösungen, die in den Standard der Kernsoftware einfließen.«
Bild: »Bisher war unsere Strategie auf Österreich konzipiert. Jetzt beginnen wir mit dem deutschen, für uns hochinteressanten Markt«, kündigt Markus Neumayr, Geschäftsführer von Ramsauer & Stürmer, an.
In den letzten Jahren habe sich die Softwarearchitektur massiv verändert. Früher ist man in den Kern eingestiegen und hat Softwarefunktionen dazu programmiert. Ramsauer & Stürmer hat eine Architektur geschaffen, die über ein umfassendes Customizing-System die Software verändert. Für den Kunden stellt es sich als maßgeschneiderte Software dar. Technisch gesehen ist es aber eine Standard-Software. Das sei ein wesentlicher Vorteil gegenüber SAP und Microsoft, die Release-Updatefähigkeit bliebe vollständig erhalten. Microsoft versuche das strategisch via Cloudarchitektur zu erreichen, kommentiert man die Konkurrenz. Neben Kundenaufträgen arbeitet Ramsauer & Stürmer sprichwörtlich auch auf der grünen Wiese. So ist zum Beispiel die Enterprise Search ein neuer strukturierter Zugang, um die Datenkomplexität in ERP-Systemen zu vereinfachen und Informationen leichter auffindbar zu machen. Sie findet im neuen Release Einzug in die hauseigene ERP-Lösung rs2 von Ramsauer & Stürmer. 15 bis 20 % der Unternehmensleistung werden für Forschung und Entwicklung aufgewendet, beispielsweise für das Projekt ERP4Cloud.
Ausreichend Marktpotenzial für Neues erkennt man auch im BMD Systemhaus. »Nicht die Risikobereitschaft fehlt, sondern der Markt setzt zuerst das um, was dringend ist und was sofort in Umsatz umgewandelt werden kann. Zukunftsträchtige Projekte und Innovationen werden vom Markt generell oft aufgeschoben«, wertet Markus Knasmüller, Leiter der BMD-Software-Entwicklung, und berichtet von zwei Risikoprojekten, die derzeit gestartet werden: »KI und Blockchain. Der Ausgang ist nicht hundertprozentig vorhersehbar.«
Hintergrund: Softwareblick
Für modellbasierte Software- und Systementwicklung bietet sich LieberLieber, für CRM Ramsauer & Stürmer an. TTTech erstellt Real-Time-Ethernet für Echtzeitkommunikation, Sparx Systems bietet eine Modellierungssoftware für softwareintensive Branchen wie Banken und Versicherungen. Rogler ist spezialisiert auf Druckmaschinenhersteller. Die Softwarelösung rs2 von Ramsauer & Stürmer deckt das gesamte ERP-Spektrum ab und lässt sich leicht in vorhandene Infrastrukturen integrieren.
Betont lokales Geschäft
Near- und Offshoring – die Verlagerung des Betriebes oder betrieblicher Aktivitäten ins Ausland – sowie Out- und Insourcing – die Übertragung betrieblicher Aktivitäten auf Zulieferer respektive die Wiedereingliederung zuvor ausgelagerter Prozesse und Funktionen in das Unternehmen – bilden für viele heimische Softwarehersteller keine echte Option. Ramsauer & Stürmer setzt auf eine hundertprozentige Österreichstrategie, ebenso wie BMD Systemhaus. Markus Knasmüller präzisiert, dass man sich durch Kundenfreundlichkeit abheben muss. Das bedeutet: zuhören und verstehen, was der Anwender möchte und genau das umsetzen. Mit seiner Strategie erzielt BMD ein jährliches Wachstum von 10 %, heuer werden 15 % erwartet. »Wir haben viel Kontakt zu den Kunden. Dadurch lernen wir, was benötigt wird und können über den Standard updaten.« Ein weiterer Vorteil: Die Software des Kunden ist problemlos zu hosten, der Kunde behält seine Daten in Österreich. Das kommt sehr gut an.
Die österreichische Kreativwirtschaft ist auch international sehr erfolgreich, allen voran Software und Games sowie die Werbewirtschaft. Top-Exportland ist Deutschland, so auch für Ramsauer & Stürmer. »Bisher war die Strategie auf Österreich konzipiert. Jetzt beginnen wir mit dem deutschen, für uns hochinteressanten Markt«, kündigt Geschäftsführer Neumayr an. Einige Projekte seien bereits erfolgreich gelaufen. Weitere wichtige Exportmärkte sind Italien, die USA und die Schweiz.
Auch BMD Systemhaus berichtet über eine rege Auslandstätigkeit mit seinen Businesslösungen vom Rechnungswesen über CRM und HR bis hin zu PPS. LieberLieber Software ist mit einem eigenen Büro in Houston, USA, vertreten. »In Österreich haben wir nur wenige Kunden. Unser Marktzugang erfolgt primär über den Export nach Deutschland, Japan und USA«, betont Inhaber Peter Lieber. LieberLieber Software nutzt dabei auch (klassisches) Nearshoring aus der Slowakei, kooperiert aber auch mit Softwareentwicklern unter anderem aus Australien, Portugal, Indien, Indonesien und Kanada.
Ressourcenfrage
Der VÖSI ortet fehlende Risikobereitschaft in Österreich, Neues zu testen. Das Contra von BMD Systemhaus: »Es gibt genug Bereitschaft. Am Markt ist aber einfach viel Arbeit und es wird zuerst das erledigt, was dringend ist und sofort in Umsatz umgewandelt werden kann. Zukunftsträchtige Projekte und Innovationen werden verschoben«, so Markus Knasmüller, BMD.
Chance für Mehr
»Alle benötigen Software. Etablierte Unternehmen wie Start-up-Unternehmen mit Skalierungspotenzial basieren auf Software, egal ob runtastic oder kiweno«, betont Lieber, der auch Präsident des Verbandes Österreichischer Software Industrie und Inhaber von SparxSystems Central Europe ist. Software ist Teil jeder Wertschöpfungskette. Der Markt bietet Potenzial, benötigt Artificial Intelligence und Low-Code-Plattformen bis zu Software, die funktions- und angriffssicher ist. Wie in der gesamten Wirtschaft zeigt sich auch hier der Facharbeitermangel. Mit mehr qualifiziertem Personal könnte mehr an Dienstleistung geboten werden. Es gebe zwar eine Vielzahl an arbeitslosen IT-Fachkräften. Das Dilemma ist aber die falsche Qualifikation, und Kernkompetenzen ins Ausland zu verlagern ist auch keine Lösung. Entwickler in der Slowakei kosten laut VÖSI zwar nur 35 bis 65 Euro, in der Ukraine 7 bis 20 – in Österreich liegen die Kosten je nach Qualifikation zwischen 45 und 100 Euro. Benötigt werden aber eher weniger reine Entwickler als kommunikationsfähige Mitarbeiter, die mit den Fachabteilungen und den Kunden sprechen.
Markus Neumayr: »Wir kämpfen massiv mit dem Mangel an qualifiziertem Personal.« Ramsauer & Stürmer setzt daher stark auf die interne Lehrlingsausbildung und geht diesen Weg seit Jahren erfolgreich. Ein wesentlicher Faktor, externes Wissen in das Unternehmen zu holen, geht dabei jedoch verloren.
BMD Systemhaus arbeitet mit dem AMS zusammen. »Den perfekten Mitarbeiter gab es nie. Vor fünf Jahren bekam man noch eher einen qualifizierten Mitarbeiter. Heute muss man einfach investieren und nachschulen«, betont Knasmüller trocken.
Bild oben: »Viele Unternehmen in unserer Branche sind zu kleinteilig. Es gibt Einzelunternehmen, die es schaffen, einen Skalierungseffekt mit ihrer eigenen Software zu haben und international zu reüssieren. Die Regel ist das aber nicht«, urteilt Peter Lieber, VÖSI.
Förderung in Rot-Weiß-Rot
Positives gibt es von der Förderlandschaft zu melden, die Peter Lieber im internationalen Vergleich als nahezu paradiesisch bezeichnet. »FFG und AWS zeigen eine hohe Förderbereitschaft, besonders bei kooperativen Projekten.« Nötig seien nur eine gute Idee und ein überschaubarer Businessplan. Es brauche aber mehr kreative Ideen, der Markt sei da. Lieber verweist auf Deutschland. »Bayern und Baden-Würtemberg sind die Haifischbecken, Hotspots der Softwareentwicklung. Oberhalb von Frankfurt ist das Angebot dünn gesät. Da kann ich als österreichisches Softwareunternehmen gut punkten.«
Weniger rosig sieht BMD Systemhaus die Förderlage. »Früher war sie besser aufgestellt. Heute werden nur mehr gewisse Bereiche gefördert, vermehrt Kooperationsprojekte«, kritisiert Markus Knasmüller und betont, dass BMD eher allein arbeiten wolle. Auch die EU vergibt Förderungen – Ramsauer & Stürmer wurde etwa eine EFRE-Förderung für die neue Softwarearchitektur rs2 gewährt.
»Ich brauche einen Gesamtüberblick, muss verstehen, was der Anwender braucht und mit ihm zusammenarbeiten. Das haben wir in den letzten 30 Jahren etwas verlernt«, bedauert VÖSI-Mann Lieber. Es gilt, diese Lücke zu schließen und das fordert die Ausbildung. »Welcher HTL-Schüler kann noch aktiv zuhören? Es braucht ein neues Unterrichtsfach Rhetorik für TechnikerInnen.«