Mittwoch, November 20, 2024
Wunderbare Welt des Web: Eine angekündigte Revolution, die zögerlich und furchtsam beginnt: Neue E-Book-Reader wollen das Buchgeschäft revolutionieren.

Elektronik und weltweite Vernetzung haben unser Leben verändert: wie wir Musik hören, wie wir Filme und TV konsumieren, wie wir kommunizieren. Nur die älteste Kulturtechnik von allen, das Lesen, schien bislang im elektronischen Dornröschenschlaf, obwohl seit über zehn Jahren kontinuierlich weltweit die „elektronische Revolution des Buches“ angekündigt wird. Mit Amazons „Kindle“, einem seit 2007 erhältlichen E-Book-Reader mit e-Paper-Technologie, änderte sich einiges – allerdings bisher nur im Rest der Welt. Im deutschen Sprachraum ignorierten sowohl Verlage als auch Buchhandel die schöne neue Welt des elektronischen Lesens beharrlich. Nur langsam, mit dem Marktstart mehrerer Lesegeräte für den deutschsprachigen Markt und zögerlich etablierten E-Book-Portalen wie libri.de, belebt sich die Szene. Während allerdings Amazons Eigenentwicklung „Kindle“ bisher nur in den USA erhältlich ist und bereits erste Rechtsstreitigkeiten mit den Autorenverbänden ausgefochten wurden, kommen hierzulande erst Mal andere Anbieter zum Zug: Anfang April startet etwa Sony mit Unterstützung von Thalia mit einem Reader in den österreichischen Markt.

Die Vorteile der Technologie scheinen verlockend: Das elektronische Lesen ist umweltfreundlich, praktisch, spart Platz und Zeit. Dank der e-Paper-Technologie ist das Schriftbild gestochen scharf und optisch fast nicht von normalem Papier zu unterscheiden, und eine Akkuladung sollte für fast 7.000 Mal Umblättern reichen. Vorbei die Zeiten übervoller Regale und kiloschwerer Reiseführer, die man im Urlaub mit sich schleppen muss – könnte man meinen. Die größte Hürde für den Erfolg des Konzepts liegt aber weder in der technischen Umsetzung noch in der nostalgischen Verklärung erklärter Bücherfreunde, sondern ganz woanders: Der internationalen Verlagsbranche ist das Ganze etwas unheimlich.

Man kann es den Autoren, Verlagen und Buchhändlern nicht verübeln, dass sie die digitale Revolution eher als Gefahr denn als Chance wahrnehmen. Der Todeskampf der bisher so wohlgenährten Musik- und Filmindustrie ist in vollem Gange, die digitale Verteilbarkeit ihrer Güter lässt Vertriebs- und Businessstrukturen zusammenfallen wie Kartenhäuser. Doch leider scheint man in der Verlagsbranche daraus wenig gelernt zu haben: Amazons „Kindle“ schnürt die Käufer mit proprietären Formaten und DRM eng ein, und auch die geplante Preisgestaltung auf dem deutschsprachigen Markt zeigt die Ahnungslosigkeit der Verantwortlichen, wie mit der wunderbaren Welt des Web und ihrer unbekümmerten Verteilungsmoral umgegangen werden sollte: Selbstverständlich könne man die digitalen Bücher, so sich die Verlage überhaupt zu elektronischen Ausgaben durchringen, nicht günstiger als die handfesten Papierversionen abgeben, ließ kürzlich der Börsenverein des deutschen Buchhandels ausrichten. Apples iTunes, das Vorzeigemodell im Umgang mit zahlungswilligen Musikkunden, ist allerdings gerade wohl auch deshalb so erfolgreich im Verkaufen von auf anderswo umsonst zu habender Musikstücke, weil dort ein vom Käufer als fair wahrgenommener niedrigerer Preis verlangt wird – eine Lektion, die im Buchhandel derzeit noch ignoriert wird. Zumindest will man sich aber das Katz-und-Maus-Spiel mit den Raubkopierern ersparen und statt DRM auf Wasserzeichen setzen, die den ursprünglichen Käufer dauerhaft im tauschbaren eBook verewigen.

Dass auch Bücher zur beliebig kopierbaren Ware in einem weltweiten Netz potenzieller Käufer werden, scheint auf absehbare Zeit unvermeidlich. Die bisherigen Aktivitäten der Rechteinhaber deuten aber auch hier eher darauf hin, dass auch sie ihr unzeitgemäß werdendes Geschäft mit Gewalt verteidigen werden, statt innovativ die neuen Märkte mit passenden Angeboten zu bearbeiten. Eines scheint aber sicher: Dass in Zukunft weniger Bücher gelesen werden, ist nicht zu befürchten – im Gegenteil.

Meistgelesene BLOGS

Mario Buchinger
07. August 2024
Der Ruf nach Resilienz in den Lieferketten wird lauter. Nach den Erfahrungen einer weltweiten Pandemie und den immer deutlicheren Auswirkungen der Klimakrise scheint das sinnvoll. Doch was macht eine ...
Nicole Mayer
19. August 2024
Am qualityaustria Excellence Day im Juni wurde nicht nur das AMS Kärnten mit dem Staatspreis Unternehmensqualität 2024 ausgezeichnet, sondern auch drei weitere exzellente Unternehmen zum Staatspreis n...
Marlene Buchinger
09. August 2024
CSRD, ESRS, CBAM – Nachhaltigkeitsbegriffe schnell erklärt. Nachhaltigkeit wird immer mehr Teil der Führungsarbeit. Daher lohnt ein Blick auf die wichtigsten Begriffe. Wie in jeder Fachdisziplin gibt ...
Firmen | News
24. September 2024
Konkrete Lösungen und relevante Technologien für eine klimaneutrale Industrie stehen im Mittelpunkt der dritten internationalen Konferenz am 24./25. Oktober in Wien Am 24. und 25. Oktober 2024 veranst...
Firmen | News
20. September 2024
Gemeinsam die Welle der Vorschriften meistern: Navigieren im Cybersecurity-Meer Donnerstag, 10. Oktober 2024, 09:00 Uhr bis 17:15 Uhr Austria Trend Hotel Savoyen WienRennweg 16, 1030 Wien Neue Regulie...
Marlene Buchinger
07. August 2024
Schulungsangebote und ESG-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Doch anstelle das Rad neu zu erfinden, sollten bestehende Strukturen neu gedacht werden. Die Anforderungen an Unternehmen punkto Verbe...
Marlene Buchinger
07. August 2024
Was bedeutet Nachhaltigkeit und warum ist das Thema so wichtig? Der Begriff Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Veränderungen werfen bei vielen Führungskräften noch Fragen auf. Aus diesem Grund e...
Marlene Buchinger
11. September 2024
Prozessverständnis und Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist wie das Thema Qualität – jede*r trägt dazu bei und die Betrachtung endet nicht am Werkstor oder der Bürotür. Daher sind Pr...

Log in or Sign up