Der chinesische Technologiegigant Huawei plant seine Strategien sehr langfristig – für eine Welt, wie sie sich die meisten noch nicht einmal erträumen.
In der schnelllebigen Wirtschaftswelt von heute scheint vielen Unternehmen schon der Blick aufs übernächste Quartal vermessen, und in der Hochtechnologiebranche überschlagen sich die auch von Experten kaum vorhersehbaren Revolutionen ohnedies. Umso erfrischender, wenn ein Unternehmen großzügig den Blick über den Horizont erhebt. Der chinesische Technologiegigant Huawei hat diesbezüglich eine Zukunft im Blick, die die meisten anderen Branchenplayer als reine Science-Fiction abtun würden.
Auf der renommierten Elektronikmesse CES Asia, die Mitte Mai in Shanghai über die Bühne ging, stellte Kevin Ho, Präsident von Huaweis Handheld-Sparte, eine atemberaubende – und wohl auch für viele beängstigende – Zukunftsvision zur Debatte, in der auch Huawei seinen Platz behaupten solle. »In 25 Jahren, vielleicht schon früher, werden vielleicht Hunger, Armut oder sogar Tod überwunden sein. Es kann gut sein, dass wir mit der nötigen Rechenleistung unsere Existenz von der physischen ganz in die digitale Welt verlegen können«, so Ho in seiner Keynote. Dank der Übertragung menschlichen Bewusstseins ins Digitale könnten so zum Beispiel als erster Schritt Enkel mit ihren verstorbenen Großeltern plaudern, die als gespeicherte Persönlichkeiten eine Art digitaler Unsterblichkeit erlangen. »Für derartige Technologien braucht man natürlich nicht nur gewaltige Rechnerleistung, sondern auch heute kaum vorstellbare Mengen an Speicher. Für einen Storage-Anbieter wie Huawei ergeben sich daraus fantastische neue Geschäftsmöglichkeiten.«
Die Matrix als Vision
Derartige Gedankenexperimente kommen Popkonsumenten bekannt vor, und Kevin Ho nennt auch tatsächlich Science-Fiction-Filme wie »The Matrix« als Ausgangspunkt für seine Überlegungen. Auch die im Kultfilm gezeigte Technologie, mit der Fähigkeiten per »Download« direkt ins menschliche Gehirn erlernt werden können, scheint Ho nicht nur reine Zukunftsmusik zu sein. Während westliche Technikgiganten wie Google oder die diversen Projekte des Milliardärs und Visionärs Elon Musk an auch nicht gerade unambitionierten Projekten wie der Kolonisierung des Mars tüfteln, macht sich bei Huawei zumindest Kevin Ho Gedanken über eine Zukunft auf der Erde, die man nur als transhumanistisch beschreiben kann.
Naiven Optimismus sollte man Ho trotz all seiner scheinbar unbekümmert vorgetragenen Ideen nicht unterstellen – auch wenn die Aussicht auf ewiges Leben, wenngleich auch »nur« digital, dies nahelegt. Als größte Gefahr, die aus der erwartbaren weiteren Explosion an technologischen Errungenschaften entstehen könnte, nennt Ho die Herausforderung durch künstliche Intelligenzen. »Die Gefahr, dass von uns geschaffene Technologie uns zerstört, ist durchaus real«, meint Ho. »Auch das ist ein Thema aus der Science-Fiction, das wir ernst nehmen sollten – wir wissen schließlich nicht, wie sich von uns geschaffene künstliche Intelligenzen verhalten werden. Deshalb sollten wir besonderes Augenmerk auf Authentifizierungstechnologien, besseren Technologieschutz und Remote-Abwehr legen. An diesen Technologien arbeiten wir deshalb bei Huawei schon jetzt.«
Wer kann schon sagen, ob Kevin Hos Visionen jemals eintreten werden? Dass sich die Welt in 25 Jahren aber fundamental von unserer unterscheiden könnte, ist einleuchtend – die digitale Revolution, die heutzutage unsere Wirtschaft, unser Arbeiten und unser ganzes Leben bestimmt, war vor einem Vierteljahrhundert für viele wohl genauso unvorstellbar, wie es Huaweis Szenario jetzt für uns ist. Egal, was passiert; Beim Technologiereisen aus China möchte man darauf vorbereitet sein. So viel Weitblick ist selten.n