Die Smart-Meter-Ausschreibungen sind im Plan, die Zukunft der vernetzten Wirtschaftswelt wird vieles verändern. Atos-Manager Wolfgang Domann über Chancen und Revolutionen.
Report: Wir haben vor rund einem Jahr im Energie Report über Smart-Meter-Ausschreibungen gesprochen. Was hat sich dazu seitdem in Österreich getan?
Wolfgang Domann: Positiv ist, dass es bei allen Verteilnetzbetreibern die Klarheit darüber gibt, wie Smart Metering in Österreich umzusetzen ist. Der Weg ist klar, es gibt geprüfte technische Konzepte und international erprobte Technologie. Die Anforderungen an die Hardware – Zähler, Konzentratoren – sind jedem klar, ebenso, wie die Datenübertragung erfolgen soll, und auch die Themen Verschlüsselung und Datensicherheit sind geregelt. Man weiß, wie die Softwareanforderungen aussehen und wie die Prozesse dazu umzusetzen sind. Die Smart-Meter-Use-Cases von Oesterreichs Energie beschreiben genau, wie die einzelnen Prozesse ausschauen sollen. Damit ist jedem klar, was er tun muss. Das ist ein Riesenschritt, denn vor einem Jahr hatte es dazu noch einige Unklarheiten gegeben.
Weiter positiv ist: Nahezu alle großen Netzbetreiber haben mit der Beschaffung und den Vergabeverfahren für die Hardwareinfrastruktur, Software und zentralen IT-Komponenten begonnen. Ein Beispiel: Bei der Salzburg Netz GmbH arbeiten 130 Leute mit Hochdruck an der Vorbereitung des Smart-Meter-Rollouts mit der Anbindung von Trafostationen mit Lichtwellenleitern oder der Einrichtung von Testräumen. Parallel dazu geschieht nun die Ausschreibung der Beschaffung, die wir beratend begleiten. Wir bieten hier nicht mit, sondern sind auf der Seite der ausschreibenden Stelle.
Report: Wann werden die Smart-Meter-Projekte in Österreich ausgerollt sein?
Domann: Das ist von Betreiber zu Betreiber unterschiedlich. Die gesetzliche Anforderung ist, bis 2019 95 % der Kunden damit zu erschließen. Österreich hat sich ein ehrgeizigeres Ziel gesetzt, als es in der EU-Richtlinie mit 80 % bis 2020 vorgeschrieben wäre. Das macht natürlich einen großen Druck auf die Netzbetreiber, denn die Zeit wird immer knapper. Dann gibt es eine Zusatzimplikation: Für den Start des Massenrollouts, der Installation der Zähler im großen Maßstab, müssen alle Komponenten zertifiziert sein. Man kennt heute zwar die Technologien und weiß auch, welche Produkte eingesetzt werden, doch müssen diese auch im Feld praxisorientiert überprüft werden. In diesen Zeitplan ist dann noch einzuberechnen, dass die Zählerhersteller den Reifegrad ihrer Produkte erhöhen müssen, um sie massenweise herstellen zu können. Wenn nun die Ausschreibungen heuer laufen und erst ab 2017 mit den Projekten begonnen wird – dann ist das relativ kurze Zeitfenster bis 2019 schon eine ziemliche Herausforderung. Das erhöht den Druck auf die Kosten und auch auf die Qualität der Projekte. Es wäre besser, wenn die
Timeline an die EU-Vorgabe angepasst werden könnte. Aber so ist es nun mal nicht.
Alle Entscheidungen, die hinsichtlich Beschaffung und Wahl der Dienstleister und Lieferanten zu treffen sind, werden von den Netzbetreibern noch heuer getroffen. Damit kann mit den Umsetzungen der Rollouts nächstes Jahr begonnen werden.
Report: Welche Datenkommunikationstechnik wird sich in den Verteilnetzen durchsetzen? Welche großen Ausschreibungen sind noch offen?
Domann: Wir sind in der Produktauswahl offen, ebenso wie in den Technologien – dies hängt ganz von den Wünschen und Vorstellungen der Netzbetreiber ab. Die einen setzen bei der Übertragungstechnik mehr auf das Thema Powerline Communication, die anderen wollen Point-to-Point-Anbindungen oder Radio- und Funktechnik. Als Technologiedienstleister können wir auf unterschiedliche Partner setzen, um zeitgerecht lieferfähig zu sein. So hat Atos eine strategische Partnerschaft mit Telekom Austria Group M2M und Diehl Metering geschlossen. Auch in Wien ist die Ausschreibung am Laufen, wo eine Entscheidung für Ende des Jahres erwartet wird. Dies ist auch derzeit die größte Ausschreibung in Österreich. Ebenso läuft die Ausschreibung in der Steiermark für Software und Zähler und die der Zähler- und Hardwareinfrastruktur der »Achse West« mit Salzburg AG, Tiwag, IKB und vkw. Kärnten ist bereits entschieden, ebenso Niederöster-
reich. Oberösterreich hat durch seinen frühen Smart-Meter-Start keine große Ausschreibung offen.
Report: Wie vernetzt wird unsere Welt in Zukunft sein? Welchen Einfluss nimmt das auf Unternehmen?
Domann: Prognosen zufolge wird es bis 2018 global 4,5 Mrd. Handys geben sowie 25 Mrd. vernetzte Geräte des »Internet of Things«. Die IoT-Geräte stellen eine mindestens so starke und radikale Veränderung für unsere Wirtschaft dar, wie es das Internet einst war. Damit werden sich Unternehmen auch am Markt differenzieren: Es wird Firmen geben, die voll auf die digitale Transformation setzen. Ein Beispiel heute ist Amazon, das tatsächlich auf jeden einzelnen Kunden zugeschnittene Werbung auf seiner Plattform bietet. Das Unternehmen sammelt und analysiert sogenannte Real-Time-Daten zu allem, was gerade passiert. Bei Sensoren in Maschinen und Anlagen wird das ebenso funktionieren. Nötig dazu sind allerdings leis-tungsfähige IT-Systeme, neue Prozesse und auch Strukturen, um mit diesen Daten arbeiten zu können und daraus neues Geschäft zu kreieren.
Jeffrey Immelt, CEO von GE, hat unterstrichen, dass seine Firma ab sofort nicht nur ein produzierendes Unternehmen, sondern auch ein IT-Unternehmen ist. In jeder Flugzeugturbine, die GE ausliefert, sind 30 Sensoren verbaut. Bei einem kurzen Flug von New York nach Chicago liefern die vier Turbinen ungefähr 1 TB Daten. Aus diesen Daten entstehen nun neue Servicelinien für die Produkte und Technik der Fluglinien. Die Hersteller werden damit automatisch auch zu IT-Service-Anbietern und können dank des laufenden Datenstroms auch Services für Predictive Maintenance bieten. Diese Entwicklungen der Datenanalysen und stärkere, integrierte Rechenleistung
allerorts werden eine komplette Revolution der Wirtschaft nach sich ziehen. Die Digitalisierung bringt viele neuen Chancen und sicherlich viele Herausforderungen. Wirklich schwierig wird es für jene Firmen werden, die in den Geschäftsmodellen und in der Art und Weise, wie sie jetzt arbeiten, hängen bleiben. Jene, die auf die digitale Transformation setzen und sie auch mitgestalten, werden agiler und wendiger in ihren Märkten sein.