Donnerstag, Dezember 26, 2024

Die Forschungs­leistung der österreichischen Bauwirtschaft ist ausbaufähig. Wenn eine F&E-Quote von 0,3 Prozent schon als Erfolg gewertet werden muss, dann ist eigentlich Feuer am Dach. Panik herrscht in der Branche trotzdem nicht – denn die Chancen auf Besserung stehen nicht schlecht.

Die F&E-Leistung der österreichischen Wirtschaft ist sehr ungleich verteilt: Während branchenübergreifend die F&E-Quote bei 2,63 Prozent des Produktionswertes liegt, dümpelt die Bauwirtschaft bei 0,3 Prozent. Und selbst das ist schon als Erfolg zu werten. Noch vor zwei Jahren wurden lediglich 0,2 Prozent erreicht. Das entspricht immerhin einer Steigerung von 50 Prozent. Auch innerhalb der Branche gibt es eklatante Unterschiede. Während sich die Bauprodukteindustrie mit 1,2 Prozent noch halbwegs achtbar aus der Affäre zieht, befindet sich die bauausführende Wirtschaft mit 0,03 Prozent jenseits von Gut und Böse. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2006, an dem Kräfteverhältnis hat sich aber bis heute nichts verändert. Als Anlass zur Besorgnis werden diese Zahlen von der Branche aber nicht eingestuft. »Die Innovationsschwäche ist weltweit kennzeichnend für die Baubranche. Österreich bildet hier keine Ausnahme«, sagt Wolfgang Amann, Geschäftsführer der Forschungsplattform IIBW, Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen, und nennt auch gleich mehrere Gründe für die Forschungsträgheit der Branche. »Die Bauwirtschaft zählt zu den sogenannten Old Industries. Das heißt, mit echten Durchbruchs­innovationen ist nicht zu rechnen.« Während etwa in der Pharmaindustrie und anderen hoch innovativen Branchen ein hoher Forschungsaufwand Grundvoraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg darstellt, sei das in der Bauwirtschaft nicht wirklich der Fall. Zudem würden Innovationen in der klassischen Definition primär im Bereich neuer Produkte stattfinden, die Bauwirtschaft aber liefert in erster Linie Dienstleistungen. Diese Sichtweise teilt auch Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Bau in der Wirtschaftskammer: »Die Innovationen sind schon da, aber oft im Bereich der Bauabläufe. Und das ist nur sehr schwer zu fördern.« Laut Katzenschlager wurden viele Anträge von Betrieben von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG abgelehnt. »Das hat die Firmen natürlich entmutigt.« Daran hat auch die Einführung des niederschwelligen Innovationsschecks nicht wirklich viel geändert. Von den ersten 1.000 aufgelegten Innovationsschecks wurden gerade einmal 18 Stück von der Bauwirtschaft in Anspruch genommen. Von der Forschungsträgheit der Baubranche kann auch Michael Balak, Institutsleiter Bauwesen im Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik, ein Lied singen. »Wenn es zur Umsetzung von Forschungsprojekten kommt, dann geht das in der Regel von uns aus.« Die Unternehmen kommen nur selten auf das Institut zu. Bezeichnend die Rücklaufquote einer gemeinsam mit der Bundesinnung Bau durchgeführten österreichweiten Aussendung zum Thema Innovationsscheck: Kein einziges Unternehmen hat darauf reagiert. »Man muss mit konkreten Ideen und Projekten an die Unternehmen herantreten. Von selbst kommt gar nichts«, sagt Balak.

Steigbügel für mehr F&E
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Laut dem Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht 2008 ist die Anzahl der geförderten Bauforschungsprojekte im Vergleich zu 2006 um 51 Prozent gestiegen. Der Anteil der Bauforschung an der gesamten Forschungsförderung hat sich von 3,2 Prozent auf fünf Prozent erhöht. Maßgeblich für diese positive Entwicklung verantwortlich ist die 2006 von der FFG gemeinsam mit Vertreterinnen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden gegründete Brancheninitiative »BRA.IN Bauwirtschaft«. Aufgabe der Initiative war die Stimulierung von F&E-Projekten der Branche, die Heranführung neuer Unternehmen – speziell KMU – zu Forschung und Entwicklung, die Verbesserung der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft sowie der Know-how-Transfer aus F&E-Projekten zu Klein- und Mittelbetrieben. Insgesamt stehen für die Förderung von Projekten 15 baurelevante Programmlinien sowie eine Vermittlungsmaßnahme zur Verfügung. Im Jahr 2007 wurde von der FFG ein Fördervolumen von rund 25 Millionen Euro für baurelevante Projekte vergeben. »Die Brancheninitiative wurde von der Bauwirtschaft sehr gut angenommen«, sagt Peter Schörghofer von der FFG. Sowohl bei den eingereichten als auch bei den geförderten Projekten ist eine deutliche Steigerung sichtbar. Und auch die Anzahl der forschungsaktiven Akteure konnte deutlich ausgeweitet werden (siehe Kasten). Das Programm läuft mit Option auf Verlängerung vorerst bis September 2009.

Chancen nutzen
Auch wenn der Innovationsmotor derzeit noch nicht rund läuft, das Potenzial ist vorhanden. Österreichische Produkte und Entwicklungen genießen in vielen Bereichen auch international einen ausgezeichneten Ruf. »Auf dem Sanierungssektor sind wir um Lichtjahre voraus«, sagt Balak selbstbewusst. Als Beispiel führt er das burgenländische Unternehmen Bautenschutz Buschek an. Das Unternehmen hat einen Mikroporenputz entwickelt, der die Sanierung von feuchten Mauern erlaubt. Die aufwendige Trockenlegung des Mauerwerks vor der Sanierung entfällt. Damit eignet sich der innovative Putz auch ideal für die Sanierung von historisch wertvollen Gebäuden, wie die Sanierungsarbeiten im Schloss Esterhazy und in der Krypta des Stephansdoms zeigen.
Vom großen Potenzial heimischer Unternehmen ist man auch in der Wirtschaftskammer überzeugt. »Im Tunnelbau und in der Passivhaustechnik sind wir ganz vorne mit dabei«, ist Katzenschlager überzeugt. Etwa das Klagenfurter Unternehmen SW Umwelttechnik, das ein aus mehreren Fertigteilen bestehendes, selbsttragendes Tunnelprofil entwickelt hat, das bei kurzen Tunnelstrecken wirtschaftlich und verkehrstechnisch ohne große Verkehrsunterbrechungen einsetzbar ist. Auch im Straßenbau machen österreichische Unternehmen immer wieder auf sich aufmerksam. In einem fünfjährigen Projekt hat die Teerag-Asdag gemeinsam mit dem Christian Doppler Labor neue Methoden entwickelt, um das Langzeitverhalten der Asphaltbeläge im Hinblick auf Spurrinnenbildung, Ermüdung und Rissanfälligkeit beurteilen zu können. Die Ergebnisse haben in Eu­ropa breite Anerkennung gefunden, was dazu führte, dass diese in der europäischen Normung ihren Niederschlag fanden.
Betätigungsfelder gibt es für die österreichische Bauwirtschaft genug. Die Forschungsthemen sollten so schnell nicht ausgehen. Und die Unternehmen werden mehr Geld für F&E in die Hand nehmen müssen, ob sie wollen oder nicht. »Die Energieproblematik, die Gaskrise und die nötigen CO2-Einsparungen zwingen uns zur Innovation«, sagt Katzenschlager. Und die Wirtschaft ist gut beraten, sich rechtzeitig diesen neuen Herausforderungen zu stellen.

Best Practice: Schwimmendes Passivhaus
Im Rahmen des Forschungsprojekts »autarc homes« entwickelte das Kärntner Unternehmen Weissenseer Holz-System-Bau gemeinsam mit Partnerunternehmen das erste schwimmende Passivhaus der Welt. Diese Lösung hat einen entscheidenden Vorteil: Während sich ein Haus auf festem Untergrund nur sehr aufwendig um die eigene Achse bewegen lässt, ist der Energieaufwand auf Wasser deutlich geringer. Damit lässt sich das schwimmende Passivhaus konsequent nach der Sonne ausrichten, um den Wärmeeintrag zu maximieren.
Ganz autark ist das Schwimmhaus allerdings noch nicht. Der Strom für die Belüftungsanlage und die Wärmepumpe kommt noch von außen. Nächstes Ziel wird daher die Entwicklung von Gebäuden sein, die ohne externe Versorgungsquellen auskommen.
Zum Einsatz kommen soll das Schwimmhaus überall dort, wo ein Mangel an Bauland herrscht, wo Wasserstraßen eine übergeordnete Rolle spielen oder an Orten, wo mit regelmäßigen Überschwemmungen zu rechnen ist.

Best Practice: Innovative Wärmedämmung
Mit der Multipor Mineraldämmplatte hat Ytong eine umweltfreundliche, leicht zu verarbeitende und leistungsfähige Alternative zu herkömmlichen Wärmedämmstoffen entwickelt. Die Dämmplatte wird aus den mineralischen Rohstoffen Kalk, Sand und Zement hergestellt, denen ein Porenbildner und Wasser beigemischt werden. Die Platten enthalten keine Schadstoffe und sind somit vollständig recyclebar. Hinsichtlich des Brandverhaltens ist Multipor der Baustoffklasse A1 zugeordnet, ist also nicht brennbar. Die speziellen Materialeigenschaften ermöglichen den Einsatz in unterschiedlichsten Anwendungsgebieten. Die wichtigsten Anwendungsgebiete sind: Innendämmung von Außenwänden, Dämmung von Keller- und Tiefgaragendecken sowie die Außenwanddämmung im Wärmedämmverbundsystem.
Von der internationalen Umweltorganisation natureplus erhielt Ytong Multipor das »natureplus«-Gütesiegel. Diese Auszeichnung steht für die europaweit strengsten Richtwerte für Schadstoffe und hohe Anforderungen an eine umweltfreundliche und energiesparende Produktion. 

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