Putze und Mörtel sind seit Jahrhunderten bewährte Baustoffe. Durch neue Zusatzstoffe und optimierte Zusammensetzungen können sie ihre positiven Eigenschaften noch besser ausspielen.
Putz und Mörtel gleichen Unebenheiten des Mauerwerks aus, nehmen Feuchtigkeit auf und geben sie wieder ab, verbessern den Dämmwert und den Schall- und Brandschutz der Wände. Je nachdem, ob der Putz innen oder außen aufgetragen wird, ob man eine glatte oder strukturierte Oberfläche wünscht oder die Wand bestimmte Eigenschaften erfüllen soll, kommen ganz unterschiedliche Produkte zum Einsatz. Doch Putze sind noch viel mehr als eine funktionelle Hülle: Sie verleihen Gebäuden ein Gesicht.
Seit der Antike ist Stuck eine wichtiges Element für die Gestaltung von Innenräumen und Fassaden. Durch alle Epochen konnten sich unterschiedliche Techniken etablieren, die im Laufe der Zeit das Erscheinungsbild mitteleuropäischer Städte prägten. Gleichen die heute üblichen Fassaden einander wie ein Ei dem anderen, zeigen sich an vielen Baudenkmalen noch unzählige regionale und zeithistorische Besonderheiten.
Mit der traditionellen Handwerkskunst geht auch das Wissen um alte Putztechniken verloren – Wissen, das es sich wiederzuentdecken lohnt. Im Mittelalter und in der Renaissance wurde mit relativ einfachen Instrumenten wie Nagelbrettern, Kämmen, Besen oder Stempeln gearbeitet, um die Putzoberfläche zu strukturieren. Im Barock erfreuten sich sogenannte Buckelquaderungen großer Beliebtheit; diese fügten sich harmonisch in die weichen Formen dieser Epoche ein.
Im Bauboom der Gründerzeit gelang es mithilfe von Zement, die beliebten, aber teuren Natursteinoberflächen täuschend echt zu imitieren. Die Putze wurden in der Ansteifungsphase noch durch Kratzen, Schlagen oder Streichen bearbeitet. Mittels Schablonen entstanden regelmäßige, feingliedrige Vertiefungen, die auf der Fassade ein interessantes Licht- und Schattenspiel erzeugen.
Mit dem Aufkommen des industriell hergestellten Mörtels entstanden zwar neue Gestaltungsmöglichkeiten, dennoch gingen die regionale Vielfalt und der gestalterische Ausdruck immer mehr verloren. Viele der alten Techniken kommen nur noch in der Denkmalpflege zur Anwendung.
Aufs Korn genommen
Standardtechniken wie Scheiben-, Reib- oder Filzputz kamen nie ganz aus der Mode. Die große Vielfalt an einfacher zu verarbeitenden Produkten eröffnet aber inzwischen neue Perspektiven. Mineralische Putze können dünn-, mittel- und dickschichtig aufgetragen werden. Dickere Putzschichten lassen sich leichter strukturieren und ermöglichen wieder Techniken, die wegen des höheren Aufwands in Vergessenheit gerieten.
Je nach gewünschtem Gesamteindruck stehen unterschiedliche Materialien zur Verfügung. Die Korngröße macht den Unterschied. Mit einer Körnung von 0,5 mm lassen sich besonders feine, glatte Oberflächen erzielen. Körnungen bis zu 8 mm erzeugen einen kräftigen, prägnanten Gesamteindruck. Nach Jahren, in denen vor allem ebenmäßige Wände gefragt waren, stehen derzeit wieder grobe Strukturen hoch im Kurs.
Großen Einfluss auf das Erscheinungsbild haben die Zuschlagstoffe. So entsteht die ebenmäßige Oberfläche von Filzputz durch einen feinen Zusatz, der beim Abreiben mit dem feuchten Filzbrett einen besonders glatten Eindruck erzeugt.
Die Farbe ist ein weiteres entscheidendes Merkmal. Wird Marmor beispielsweise Kalkhydrat und Weißzement zugesetzt, bekommt der Putz eine gleichmäßige, natürlich weiße Färbung. Die Zugabe von Quarz hingegen erzeugt reizvolle Kontraste. Durch mineralische und organische Zuschläge können zudem Eigenschaften wie die Dichte, die Erstarrungsdauer, die Bildung von Luftporen sowie das Verhalten beim Eindringen von Wasser beeinflusst werden.
Organische Bindemittel erhärten durch Polymerisation – ein schnell härtender und wasserundurchlässiger Baustoff ist etwa Kunstharzmörtel. Silikatputz erhärtet durch Verkieselung und wird vorwiegend als Endputz auf Wärmedämmverbundsysteme aufgetragen.
Charakteristische Struktur
Den letzten Schliff geben freilich die Handwerkstechniken, die zum Teil großes Geschick und sorgsames Arbeiten erfordern. Seit jeher galten Stuckateure als die Künstler am Bau. Sie zeigten sich schon bei der Wahl ihrer Werkzeuge höchst kreativ.
Schon seit dem Mittelalter nutzten sie etwa Reisigbesen oder Baumwollstumpen, um durch Ziehen, Drücken, Tupfen oder Schlagen die Putzoberflächen zu gestalten. Besenzugputz findet man häufig an Gründerzeit- oder Jugendstilfassaden. Gerade auf großflächigen, schlichten Gebäuden entfaltet die charakteristische Linienstruktur eine besondere Wirkung.
Statt in Putz getauchter Reisigbündel setzt man heute Feinputzmaschinen ein. In mehreren Schichten wird feinkörniges Material aufgespritzt.
Am weitesten verbreitet ist der Scheibenputz. Bei Körnungen zwischen 1,5 und 4 Millimeter ist das Material leicht zu bearbeiten. Nach dem Auftragen auf dem Untergrund wird die typische Korn-an-Korn-Struktur mit einem Kunststoffglätter oder einem EPS-Brett herausgearbeitet.
Eine tiefere Fassadenwirkung entsteht durch Reibputz. Die Korngröße legt die Strukturtiefe fest – je nach Bewegungsrichtung bei der Reibung kann die Oberfläche variabel gestaltet werden.
Diverse Kratztechniken kommen ebenfalls wieder vereinzelt zur Anwendung – auch in Innenräumen. Putz lässt sich beispielsweise auf einzelnen Wänden wie eine kleine Gebirgslandschaft strukturieren. Dafür wird der Putz relativ dick (5 bis 6 mm) aufgetragen und nicht glatt gezogen, sondern mit der Kelle durch unterschiedlichen Druck unregelmäßige Flächen und Kanten erzeugt. Ist der Putz vollständig durchgetrocknet, kann die Oberfläche farbig lasiert werden.
Eine Besonderheit stellen Edelkratzputze dar. Sie werden recht dick – 10 bis 15 mm – aufgetragen. Die Körnungen sind dabei nicht mit einem Bindemittelfilm umgeben. Nach dem Erhärten wird die Oberfläche mit einem Nagelbrett bis auf eine Schichtdicke von 8 bis 10 mm abgekratzt, durch das dabei herausspringende Korn entsteht die augenfällige Struktur.
Unter Druck
Die hohe Qualität moderner Baustoffe führt zu steigenden Erwartungen seitens der Bauherren – die dafür notwendigen Voraussetzungen werden jedoch mitunter ignoriert. Insbesondere Risse in Putzen sorgen für Ärger und Unverständnis. Dabei wird vergessen, dass aus Kostengründen die Bau- und Trocknungszeiten oft zu kurz bemessen sind.
Trocknungs- und witterungsbedingt entwickeln Putze ihre technischen und optischen Eigenschaften, wenn der Erhärtungsprozess Schicht für Schicht abgeschlossen ist. Probleme durch auftretende Spannungen, fehlende Dehnfugen oder Hohlstellen werden an der Putzoberfläche – der letzten Schicht an Innenwänden oder der Fassade – somit erst nach mehreren Wochen sichtbar.
Putzrisse sind ein Indiz für erhöhte Spannungen, die die Zugfestigkeit des Putzes übersteigen. Stein-Putz-Risse treten etwa ein halbes Jahr bis fünf Jahre nach Erstellung auf; ihre Häufigkeit hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Risse zeichnen ein regelmäßiges Bild, das dem Fugenverlauf des Mauerwerks folgt.
Baubedingte Ursachen können nicht vollfugig vermörtelte Lager- oder Stoßfugen und feuchtes Mauerwerk sein. Gerade die hohe Untergrundfeuchtigkeit wird oft unterschätzt und über die Sichtprüfung hinaus keiner eingehenden Messung unterzogen. Putzbedingte Ursachen sind meist zu geringe bzw. wechselnde Putzdicke oder unzureichende Nachbehandlung. Ein wichtiges Baudetail ist der oft stiefmütterlich behandelte Gebäudesockel. Zahlreiche Schadensfälle machen deutlich, wie unterschätzt dieser mechanisch stark beanspruchte Außenputzbereich ist.
Manchmal schon nach einem kalten Winter, meist zwei oder drei Jahre nach der Fertigstellung, weist die Oberfläche an vielen Stellen Risse und Blasen auf. Der Putz platzt geradezu ab. Zum Teil liegt die Ursache in der Verwendung von Materialien, die nicht frost- bzw. tausalzbeständig sind. Streusalz, Feuchtigkeit und Korrosion setzen dem Sockelputz massiv zu. Oft erfolgte auch die Verarbeitung nicht fachgerecht. Durch fehlerhafte Aufbringung kann Spritzwasser eindringen und zu erheblichen Bauschäden führen.
Verbesserte Eigenschaften
Zum besseren Schutz entwickelte die Baustoffindustrie spezielle Sockelputze. Dabei handelt es sich um zementhaltige Sperrputze, die zwar wasserabweisend wirken, aber Wasserdampf durchlassen. Die mit der aufsteigenden Nässe transportierten Salze können auskristallisieren.
Abhilfe schaffen bei großer starker Durchfeuchtung auch Sanierputze oder sogenannte Opferputze. Letztere sind reine Luftkalkputze, die vor allem im Denkmalschutz eingesetzt werden und bauschädliche Salze aufnehmen. Wenn die Oberfläche starke Ausblühungen aufweist, wird sie abgeschlagen und das Mauerwerk neu verputzt. Dieses Verfahren kommt auch bei der Trockenlegung von Gebäuden, etwa nach Hochwasser, zum Einsatz.
Sanierputze sind stark wasserabweisende, luftporenbildende Kalk-Zement-Putze, die nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren. Allerdings werden die bauschädlichen Salze in den Luftporen im Putz eingelagert.
Der Charme alter Gebäude wird gerade von Problemen mit Feuchtigkeit oftmals getrübt. Bauherren geben deshalb lieber einem Neubau den Vorzug.
Mithilfe moderner Materialien und Zusatzstoffe ist eine nachhaltige Sanierung aber durchaus möglich. Feuchte und schadstoffbelastete Mauern können dauerhaft saniert werden.
Mineralische Putze und Anstriche sorgen für ein gesundes Raumklima – die alten Wände bilden wieder eine behagliche Schutzhülle. Durch spezielle Rezepturen sind diese Baustoffe hochbeständig und verfügen sogar über eine vier- bis sechsmal höhere Lebensdauer als herkömmliche Produkte.