Der TÜV SÜD Österreich betreut den Neubau der 12er-Kogel-Seilbahn Hinterglemm.
Seilbahnen gehören zu den sichersten Verkehrsmitteln der Welt. Damit das trotz harter Materialbelastung bei oft widrigsten Witterungsbedingungen so bleibt, greifen strenge Sicherheitsvorgaben und Standards. Deren akkurate Einhaltung gilt es laufend zu überwachen und zu überprüfen. Auch in Saalbach-Hinterglemm stellt der tägliche Seilbahnbetrieb eine Dauerbelastung für die bestehenden Liftanlagen dar. Das im Salzburger Land gelegene Skigebiet zieht mit 270 Pisten- und 400 Wanderkilometern ganzjährig hunderttausende Gäste an. 2018 entschied sich die Betreibergesellschaft Hinterglemmer Bergbahnen für den Neubau der 20 Jahre alten Liftanlage am 12er-Kogel und beauftragte die Firma Doppelmayr mit der Umsetzung.
„Auf Grund der laufenden Bewerbung für die alpinen Ski-Weltmeisterschaften 2023 stellte sich das Projekt für uns als große Herausforderung dar: Funktionssicherheit, Förderleistungen – da musste von Anfang an alles passen“, erklärt Manfred Bachmann, Direktor der Hinterglemmer Bergbahnen.
So bedarf es etwa einer Fahrgeschwindigkeit von sechseinhalb Metern pro Sekunde um die gewünschte Zielfördermenge von 3.500 Personen pro Stunde zu gewährleisten (Normgeschwindigkeit: sechs Meter pro Sekunde) - eine zusätzliche Herausforderung in der Gewährleistung langfristiger Funktionssicherheit. Darüber hinaus sorgten spezielle Anforderungen seitens der WM-Bewerber – wie etwa zusätzliche Presse- und Wärmeräume in der Talstation – für weitere Komplexität. „Unter Berücksichtigung aller Anforderungen für eine weltmeisterschaftstaugliche Modernisierung haben wir uns deshalb für eine umfassende Betreuung des gesamten Bauvorhabens durch das Kompetenzzentrum Seilbahntechnik des TÜV SÜD entschieden“, so Bachmann.
Peter Hofer, Seilbahnexperte der TÜV SÜD Landesgesellschaft Österreich, erklärt: „Mit unserem international renommierten Kompetenzzentrum Seilbahntechnik in Jenbach und St. Johann im Pongau bieten wir unseren Kunden das volle Spektrum relevanter Services und Lösungen aus einer Hand. Unsere Betreuung der HG-Seilbahngesellschaft umfasst Seilbahntechnik, Elektrotechnik, Brandschutz-, Hochbau- und Statikfragen, Belange des Arbeitnehmer- und Schallschutzes sowie die Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter. Durch die hauseigenen Dienstleistungen können wir auch bei komplexen Bauvorhaben schnell und flexibel Lösungen erarbeiten – das überzeugt!“
Die Betreuung durch das Team von TÜV SÜD begann bereits während der wichtigen Planungsarbeiten. Nach rund vier Monaten erfolgte zunächst die behördlich vorgeschriebene Vorprüfung auf Vollständigkeit der einzureichenden Projektpläne. Im Dezember 2018 konnte das Genehmigungsersuchen dann unter Mithilfe des TÜV SÜD bei der zuständigen Stelle im BMVIT vorgelegt werden, die das Vorhaben im März 2019 positiv beurteilte.
Auch in der Bauphase: Alles aus einer Hand
Während der gesamten Bauphase ist der TÜV SÜD als aufsichtführender Dienstleister verpflichtet, jede Änderung zu prüfen. Viele Tage prüften die Gutachter dazu die Einhaltung der Gesetze und Normen. Eine besondere Herausforderung war der Bau der großen Talstation im Ortszentrum von Hinterglemm. Auf Grund der zahlreichen Hotels in direkter Nähe mussten die Einhaltung der Bauabstände und die statische Absicherung des Aushubs laufend geprüft werden.
Kurzfristig veränderte Rahmenbedingungen auf Grund der Neubewerbung für die alpinen Ski-Weltmeisterschaften 2025 verdeutlichten den Mehrwert der Projektbetreuung durch den TÜV SÜD. Zahlreiche Änderungen im laufenden Bauprozess wurden nötig, doch dank der konzentrierten Seilbahn-Kompetenz und kurzfristig verfügbaren In-House-Lösungen konnten die Gutachter die zeitnahe Weiterführung des Projekts ermöglichen. Nach der Abnahmeprüfung durch den TÜV SÜD und abschließenden Verhandlungen mit dem BMVIT wurde die Realisierung der neuen Seilbahn pünktlich zum Start des Skibetriebs am 29. November 2019 begangen.
Belastungen erfordern wiederkehrende Prüfung
Der laufende Betrieb der Seilbahnen stellt größte Belastungen für Technik und Material dar. Die wiederkehrenden Prüfungen des TÜV SÜD „Kompetenzzentrum Seilbahntechnik“ im Sinne der Seilbahn-Überprüfungs-Verordnung (SeilbüV 2013) gewährleisten größtmögliche Sicherheit des Betriebs. Bedeutende Faktoren hierfür sind etwa das Bremssystem oder die Tragkraft des Seils. Das Bremssystem muss die Bahn auch bei ungünstigsten Belastungen jederzeit zum Stehen bringen, wobei eine genaue Einstellung nötig ist – so muss die abwärtsfahrende Kabine möglichst rasch bremsen, ohne dass in der aufwärtsfahrenden Kabine Personenschäden entstehen. Bei der Tragkraft des Seils gilt vierfache Sicherheit, das heißt das Zugseil muss dem Vierfachen der berechneten maximalen Belastung standhalten. So kann die Tragfähigkeit auch bei strukturellen Beschädigungen oder heftigen Wind- und Starkwetterereignissen gewährleistet bleiben.
Jährliche Testläufe können vom Betriebsleiter durchgeführt werden, der TÜV SÜD steht bei Fragen unterstützend zur Seite. Nach fünf Jahren und in Folge alle fünf Jahre wiederkehrend erfolgt eine gesetzlich vorgeschriebene große Prüfung durch den TÜV SÜD. Ab dem sechsten und in Folge in kürzeren Intervallen wiederkehrend werden zusätzlich Rissprüfungen an dynamisch belasteten Bauteilen durchgeführt.
Konstante Personalschulungen als Sicherheitsfaktor
Auch bei gut gewarteten Anlagen kann es, etwa auf Grund von menschlichem Versagen, zu gefährlichen Situationen kommen. Besondere Bekanntheit erreichte unlängst ein Fall in Georgien: Durch einen Bedienfehler kam es zum Rückwärtslauf einer Liftanlage, Passagiere wurden aus ihren Sesseln geschleudert und es kam zu Verletzungen. In Folge des Vorfalls beauftragten die nationalen Aufsichtsbehörden das „Kompetenzzentrum Seilbahntechnik“ des TÜV SÜD mit Schulungen von Seilbahnpersonal und der Prüfung von Anlagen sowie der zugrundeliegenden technischen Standards.
Um Vorfälle wie in Georgien zu vermeiden, enthält die EU-Seilbahnverordnung 2016/424 und die dazugehörende Normenreihe zahlreiche Vorschriften für den langfristig sicheren Umgang mit Seilbahnen und der zugrunde liegenden Technik. Fachkräfte des TÜV SÜD haben aktiv an der Erstellung dieser Vorschriften mitgewirkt und sind daher bestens mit ihnen vertraut. Vorschriften, die auch für Seilbahnbedienstete enorm wichtig sind. Doch insbesondere durch die regelmäßige Neueinstellung von Bediensteten kann Wissen über Vorschriften verloren gehen, weshalb der TÜV SÜD im Herbst spezielle Schulungstage für neue Mitarbeiter der Seilbahnen anbietet.