Lehrlinge in der Bauwirtschaft - Teil 1: Die Bauindustrie
Es sind alarmierende Zahlen: Seit 2008 hat die Anzahl der Lehrlinge in der Bauwirtschaft um 20 Prozent abgenommen. Deshalb startet der Bau & Immibilien Report eine mehrteilige, nach Sparten getrennte Serie, um die Ursachen dieser Entwicklung zu analysieren und mögliche Gegenmaßnahmen aufzuzeigen. Den Anfang macht die Bauindustrie, die zwar keinen so drastischen Rückgang zu verzeichnen hat, dafür aber eine traditionell niedrige Lehrlingsquote.
Die World Skills in Sao Paulo haben es eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Qualitativ ist die Ausbildung in der österreichischen Bauwirtschaft Weltklasse. In der Kategorie Betonbau holten die Strabag-Mitarbeiter Michael Haydn und Alexander Hiesberger sensationell Gold, bei den Maurern sicherte sich Martin Entholzer von der Firma Humer die Silbermedaille. Damit holten Österreichs Maurer seit 2012 jedes Jahr eine Skills-Medaille, insgesamt sieben in den letzten zehn Jahren. Quantitativ ist die Lage allerdings weit weniger erfreulich. Laut Statistik der BUAK hat die Zahl der Lehrlinge in der Bauwirtschaft in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Wurden im Jahr 2008 österreichweit noch 8.269 Lehrlinge ausgebildet, waren es 2014 nur noch 6.588. Das entspricht einem Rückgang von mehr als 20 Prozent.
Nicht ganz so dramatisch ist die Lage in der Bauindustrie. Da hat sich die Anzahl der Lehrlinge zwischen 2008 und 2014 nur minimal von 770 auf 761 geändert, allerdings wurden im Jahr 2011 noch 900 und 2012 noch 897 Lehrlinge ausgebildet. Was in der Bauindustrie auffällt, ist die im Vergleich zu anderen Branchen geringe Lehrlingsquote. Laut einer Erhebung des Bau & Immobilien Report unter den 20 Mitgliedern der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs (VIBÖ) sind nur 2,47 Prozent aller Mitarbeiter in der Bauindustrie Lehrlinge. Und selbst diese Zahl ist mit großer Vorsicht zu genießen, denn ein Viertel der VIBÖ-Mitglieder wollte keine Angaben zu Mitarbeitern und Lehrlingen machen. Geht man davon aus, dass dies nicht an der überbordenden Ausbildungsfreude dieser Unternehmen liegt, ist der Prozentsatz in Wahrheit noch deutlich niedriger. Zum Vergleich: Im Handwerk liegt die Lehrlingsquote laut Wirtschaftskammer bei 6,9 Prozent, im Handel bei 4,8 Prozent und in der Industrie allgemein bei 3,8 Prozent.
Woran es liegt
Die Gründe für die rückläufigen Lehrlingszahlen sind vielfältig. Eine Mitschuld trägt die generelle demografische Entwicklung, die, verstärkt durch den Trend zur weiterführenden Schulausbildung, das Potenzial an geeigneten Lehrlingskandidaten immer kleiner werden lässt. Dazu kommt die angespannte konjunkturelle Lage. »Dadurch sind viele Unternehmen vorsichtiger bei der Aufnahme von neuen Lehrlingen. Immerhin dauert es einige Jahre, bis sich die Ausbildung für das Unternehmen rechnet«, sagt VIBÖ-Geschäftsführer Michael Steibl. Vielen Unternehmen fehle aufgrund der volatilen Marktsituation einfach die nötige Planungssicherheit. Dazu kommt laut Steibl, dass in einigen bauindustrie-dominierten Sparten wie etwa dem Brücken- oder Tunnelbau eine Lehrlingsausbildung aus Sicherheitsgründen nicht sinnvoll und teilweise auch gar nicht zulässig ist. Albert Scheiblauer, Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft Bau-Holz, teilt prinzipiell Steibls Einschätzung, sieht aber noch ein weiteres Problem. »Ungeeignete Lehrlingskandidaten oder unsichere Zukunftsaussichten sind oft nur vorgeschobene Argumente.
Es ist leider nach wie vor einfach günstiger im Sub-Sub zu vergeben oder Unternehmen aus dem Ausland zu beschäftigen«, sagt Scheiblauer. Er warnt vor einem schmerzhaften Know-how-Verlust, der die Branche mittelfristig auf einen Facharbeitermangel zusteuern lässt. Auch Steibl fürchtet einen Facharbeitermangel, wenn der negative Trend weiter anhält. Deshalb versuchen die Sozialpartner gemeinsam, Maßnahmen zu setzen, um das zu verhindern. So wurde etwa im Rahmen der letzten KV-Verhandlungen die Einbeziehung der Bau-Lehrlinge in die Schlechtwetterregelung vereinbart. Die Bauverbände haben die Lehrlingsprämie von 1.500 Euro auf 1.650 Euro erhöht und die Gewerkschaft Bau-Holz will sich künftig noch stärker als Anlaufstelle für Jugendliche, Eltern, aber auch ausbildende Unternehmen positionieren, um auftauchende Fragen zu klären und Unsicherheiten zu klären. Dazu sollen die Imagekampagnen weiter gestärkt werden, um die Vorzüge einer Lehre in der Bauwirtschaft aufzuzeigen und Vorurteile abzubauen. Auch im Wechsel vom Billigst- auf das Bestbieterprinzip, das neben der Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern auch die Anzahl der Lehrlinge als Zuschlagskriterium vorsieht, sehen die Bau-Sozialpartner ein wirkungsvolles Instrument, um die Ausbildung von Lehrlingen für Unternehmen attraktiver zu machen.
Vorbildliche Unternehmen
Nicht nur die Sozialpartner, auch viele Unternehmen sehen sich in der Pflicht, etwas gegen den drohenden Facharbeitermangel zu tun und Lehrlinge auszubilden. »Hoch qualifizierte Lehrlinge sind eine der besten Investitionen, die ein zukunftsorientiertes Unternehmen tätigen kann«, sagt Karl-Heinz Strauss, CEO der Porr AG, die derzeit 220 Lehrlinge ausbildet. Die Lehrabschlussprüfung ist in vielen Fällen auch nicht das Ende der Ausbildung. »Wir bieten allen Interessierten die Möglichkeit, im Anschluss die Polierschule zu besuchen und sich auf diese Weise bestens auf eine Karriere im Bauwesen im In- und Ausland vorzubereiten«, sagt Strauss.
Auch bei der Strabag, die aktuell 285 Lehrlinge ausbildet, gibt es zahlreiche Zusatzangebote, die eine Lehre am Bau noch attraktiver machen sollen. »Neben der praxisorientierten Ausbildung am Arbeitsplatz und dem theoretischen Fachwissen in der Berufsschule können unsere Lehrlinge Technikkurse besuchen, um ihr Können weiter zu vertiefen«, erklärt der Lehrlingsbeauftragte Thomas Huber. Rhomberg absolviert nicht nur jedes Jahr mehrere Schulbesuche, um die Lehre im Unternehmen vorzustellen, im Winter 2014/15 wurde zudem ein animierter Spot in den Vorarlberger Kinos geschalten. Habau bietet in jedem Lehrjahr dreitägige Seminare an, in denen den Lehrlingen unter anderem vermittelt werden soll, dass man auch mit einer Lehre zur Führungskraft von morgen werden kann.
Auch bei Fröschl hat die Lehrlingsausbildung jahrzehntelange Tradition. »Viele unserer heutigen Facharbeiter und Führungskräfte haben die Grundlagen ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse im Rahmen einer Lehre erlangt«, erklärt der Personalverantwortliche Andreas Hobjan. Als Zusatzangebot gibt es bei Fröschl einen eigenen Lehrlingsbeauftragten, zusätzliche Praxiswochen und gemeinsame Aktivitäten wie Ausflüge und Firmenbesuche.
Absoluter Musterschüler der heimischen Bauindustrie ist Leyrer + Graf. 90 Lehrlinge werden von dem nieder-österreichischen Unternehmen aktuell ausgebildet, das entspricht einer stolzen Lehrlingsquote von 5,76 Prozent. Die Heranbildung von selbst ausgebildetem und hoch qualifiziertem Nachwuchs ist ein wesentlicher Bestandteil der Leyrer + Graf Unternehmenspolitik. »Bei uns steht immer der Mensch im Mittelpunkt. Wir fördern deshalb nicht nur seine berufliche Laufbahn, sondern ganz bewusst auch das individuelle Wachstum und möchten so eine Schule für das Leben bieten. Die ständige Aus- und Weiterbildung ist für unsere Lehrlinge genauso wichtig wie für unsere Arbeiter und Angestellten«, so Geschäftsführer Stefan Graf.