Sonntag, Dezember 22, 2024

Bauindustrie und Gewerbe sehen sich nach wie vor einem schwierigen Marktumfeld gegenüber. In der Regel hat man mit sehr ähnlichen Problemen und Herausforderungen zu kämpfen. Die Novelle zum Bundesvergabegesetz zeigte aber, dass die Interessen auch auseinandergehen.

Die Lage ist ernst. Im ersten Quartal 2015 haben die österreichischen Hoch- und Tiefbauunternehmen einen Bauproduktionswert von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht gegenüber dem Vergleichszeitraum 2014 einem satten Minus von 5,6 Prozent. Allein diese Zahl ist alles andere als erfreulich. Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs VIBÖ, will sie aber auch nicht überbewerten. »Das erste Quartal ist nur bedingt aussagekräftig. Das kann sich noch drehen«, so Steibl. Viel schwerer wiegt eine Zahl aus dem aktuellen WIFO-Konjunkturtest. Demnach schätzen nur mehr 58 Prozent der Unternehmen ihre Auftragsbestände als »ausreichend« oder »mehr als ausreichend« ein. Für das Gesamtjahr rechnet das WIFO mit einem bescheidenen Plus der heimischen Bauproduktion von 0,5 Prozent, getrieben vor allem durch den Wohnungsbau. Auch in den Folgejahren soll es mit einem Prozent bzw. 1,5 Prozent Wachstum nur marginal besser werden (siehe Kas­ten). Es wäre aber auch nicht das erste Mal, dass Wachstumsprognosen nach unten revidiert werden, je näher der bewertete Zeitraum rückt.

Gemeinsame Herausforderungen

Zu den größten Herausforderungen sowohl für Bauindustrie als auch Baugewerbe zählt nach wie vor die Preissituation. Zwar hat die Alpine-Pleite die Hoffnung genährt, dass sich die Lage etwas entspannt, geändert hat sich in der Praxis aber nichts. »Es gibt immer einen, der einen Auftrag besonders dringend braucht, und der setzt dann die Messlatte für kommende Aufträge fest«, beklagt Steibl. Positiv sei aber, dass heute fast alle Industrieunternehmen so breit aufgestellt sind, dass sie regionale und spartenspezifische Einbrüche besser kompensieren können. »Es sind nur noch ganz wenige Spezialisten, die sich auf eine Sparte konzentrieren«, sagt Steibl. Auch Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Bau in der Wirtschaftskammer, berichtet von einem bedingt durch die anhaltend schwierige, konjunkturelle Lage hohen Wettbewerbsdruck und einem zum Teil ruinösen Preiskampf. »Während die Herstellkosten für ausführende Unternehmen stetig steigen, stagnieren die am Markt erzielbaren Preise bzw. sind im Tiefbau sogar rückläufig.« In diesem Umfeld ist es für heimische Unternehmen laut Katzenschlager besonders wichtig, unter fairen Wettbewerbsbedingungen anbieten zu können. »Mit dem Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz, dem Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, auch in Verbindung mit der Vergabegesetznovelle, wird das Netz für Betrügerfirmen immer engmaschiger. Die gesetzlichen Maßnahmen bringen aber nur dann etwas, wenn sie auch effizient kontrolliert werden.« Dafür wurde unter anderem die Kooperationen zwischen Finanzpolizei, Sozialversicherung, Gewerbebehörden und Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse verstärkt. Sorgen macht sich die Bundesinnung allerdings vor einem Bumerangeffekt. »Es darf nicht passieren, dass regionale Betriebe, weil diese leicht greifbar sind, übermäßig streng kontrolliert werden, während man Briefkastenfirmen ungeschoren davon kommen lässt, weil sie schwerer greifbar sind«, so Katzenschlager. Aus all diesen an sich begrüßenswerten Initiativen der Bundesregierung, den Betrug am Bau einzudämmen, erwächst den Unternehmen aber auch eine neue Herausforderung, die derzeit noch für viel Unsicherheit sorgt: der administrative Aufwand. Steibl bringt ein Beispiel: »Da gibt es die Haftung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, die Auftraggeberhaftung, jetzt soll noch einen Generalunternehmerhaftung dazukommen. Das wird immer komplexer und der administrative Aufwand immer größer. Und um die Umsetzung soll sich der Bauleiter vor Ort kümmern. Das ist in vielen Fällen einfach nicht mehr zu bewerkstelligen.«

Unterschiedliche Interessen

Große Erwartungen hat die Bauwirtschaft an die geplante Novelle zum Bundesvergabegesetz. Manfred Katzenschlager spricht von einem »wichtigen Durchbruch, dass nun die Weichenstellungen zu den gesetzlichen Voraussetzungen für das Best­angebotsprinzip« geschaffen sind. Um dieses Instrumentarium nun auch richtig zu nützen, sei es notwendig, dass entsprechende Praxisstandards geschaffen werden und die Ausschreiber bestens geschult werden (siehe auch Seite 22). Etwas verhaltener wird das Thema Bestbieterprinzip von der Bauindustrie gesehen. Die VIBÖ ist erst relativ spät der Initiative »Faire Vergaben« beigetreten und hatte auch einige Kritikpunkte am ersten Entwurf. Vor allem das Thema Subvergaben lag der Industrie schwer im Magen. »Da waren die Unternehmen skeptisch. Nicht weil man sich vor der Transparenz fürchtet, sondern vor der Administration«, sagt Steibl. Außerdem wurde eine Verschiebung der Kräfte zugunsten des Auftraggebers befürchtet. »Wenn der Auftraggeber nach Ende der Vergabephase jedem neuen Subunternehmer zustimmen muss, hätte das in der Praxis enorme Probleme bereiten können«, befürchtet Steibl. Jetzt darf der Auftraggeber einen Subunternehmer »nur aus sachlichen Gründen ablehnen«. Äußert sich der Auftraggeber zudem nicht innerhalb von 14 Tagen, gilt dies als Zustimmung. Auch das Thema »verpflichtende Eigenleistung« konnte im Sinne der Industrie entschärft werden. »Das hätte bei Unternehmen, die ihre Bauwerke arbeitsteilig in einer Konzernstruktur ausführen, zu großen Problemen geführt, weil es sich um eine Subleistung gehandelt hätte«, sagt Steibl. In der vorliegenden Version werden verbundene Unternehmensteile so wie Mitglieder einer ARGE als Teil des Unternehmens bewertet. Katzenschlager und Steibl sprechen demnach auch von einem Kompromiss, mit dem sowohl Gewerbe als auch Industrie leben können. Jetzt wird es an den Auftraggeber liegen, das Gesetz auch vernünftig anzuwenden.

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