Sonntag, Dezember 22, 2024

Die schwache Konjunkturentwicklung und die verminderte Bautätigkeit bekommen auch die Anbieter und Verarbeiter von Trockenbausystemen zu spüren. Auf die derzeit stagnierende Nachfrage und tendenziell sinkenden Preise für Standardprodukte reagieren die Hersteller mit einem breiteren Angebotsspektrum bei Spezialanwendungen, innovativen Neuentwicklungen und einem Plus an Serviceleistung.

Von Tom Červinka

Wenn es darum geht, in möglichst kurzer Bauzeit Trenn- oder Zwischenwände zu errichten, dann ist die klassische Gipskartonständerwand unschlagbar. Sowohl was den Transport zur oder auf der Baustelle betrifft als auch in Bezug auf die Verarbeitung haben Trockenbausysteme die Nase vorn. Die leichte Handhabung, die einfache Errichtung und die kurzen Montagezeiten sprechen für den weitreichenden Einsatz im Innenausbau. Dazu kommen der Wegfall von Austrocknungszeiten und die Tatsache, dass in Trockenbauweise errichtete Wandkonstruktionen unmittelbar nach der Montage weiterbearbeitet werden können. Das bringt nicht nur eine erhebliche Zeitersparnis, sondern schont auch das Baubudget. Ausgehend vom Massenprodukt, das vor allem mit Quadratmeterleistung punkten kann, hat sich der Trockenbau in den vergangenen beiden Jahrzehnten zu einem vielseitigen Bausystem entwickelt und konnte damit seine Einsatzbereiche deutlich erweitern. Zeitgemäße Trockenbaukonstruktionen erfüllen heute nicht nur höchste Anforderungen an den Brand- und Schallschutz, sie werden auch den wachsenden Ansprüchen von Bauherrenseite beim Innenausbau in puncto Raumluftqualität, Ökologie und Nachhaltigkeit gerecht. Selbst im Außenbereich kommen nach und nach spezielle Trockenbaulösungen zum Einsatz. Die simple Zimmertrennwand ist schon lange nicht mehr die einzige Anwendung, die sich der Trockenbau erobert hat. Rund sechs bis zwölf Prozent beträgt der Anteil des trockenen Innenausbaus heute am Gesamtbauvolumen im Neubaubereich. »In so gut wie jedem größerem Gebäude findet man heute Trockenbausysteme in der einen oder anderen Form. Der Trockenbau hat sich längst zu einem der Schlüsselgewerke am Bau entwickelt«, ist deshalb auch Gregor Todt, Präsident des Verbands Österreichischer Stuckateur- und Trockenausbauunternehmungen (VÖTB), überzeugt.

Preise unter Druck

Trotz erweiterten Einsatzbereichen geht die verminderte Bauleistung aber auch an den Herstellern und Verarbeitern von Trockenbaulösungen nicht spurlos vorbei, wie Todt bestätigt: »Derzeit haben alle Unternehmen Probleme, ihr Personal auszulasten. Das begünstigt natürlich auch ein Preisdumping unter den Verarbeitern. Dieses spielt sich vorrangig im Bereich der Standardlösungen und Massenprodukte ab, wo es in erster Linie um die Laufmeterleistung geht und man keine besonderen Spezialkenntnisse für die Verarbeitung braucht.« Mit rund 70 Prozent schlagen im Bereich der standardisierten Trenn- oder Zwischenwandkonstruktionen die Personalkosten zu Buche, nur 30 Prozent beträgt der Materialanteil. »Damit bleibt vor allem den Anbietern, die hauptsächlich mit Eigenpersonal arbeiten, wenig preislicher Gestaltungsspielraum«, erläutert Todt. Anders sieht das bei hochwertigen Spezialanwendungen aus, hier sieht Todt kaum einen Preisverfall. Eine Einschätzung, die Peter Leditznig, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing bei Rigips Austria, zumindest teilweise bestätigen kann: »Bedingt durch die schwache Baukonjunktur kommen die Preise unter Druck. Das gilt ganz stark für Standardlösungen, aber auch im höherpreisigen Segment geben die Preise nach, wenngleich nicht so massiv. Eine Ausnahme bilden neue Produktentwicklungen und Innovationen. Auch im Systemverkauf, beispielsweise bei hochwertigen Brandschutzkonstruktionen oder anspruchsvollen Schallschutzlösungen, gelingt es, sich dem Preisdruck etwas zu entziehen.« Derzeit fehlen jedoch vielfach die Auftraggeber, die nach diesen hochwertigen Lösungen oder Sonderkonstruktionen verlangen. »Die größeren Industriekunden, die alleine schon aus Repräsentationszwecken auf hochwertige Lösungen setzen, investieren im Moment kaum in Bautätigkeiten. Und auch die öffentliche Hand ist derzeit sehr zurückhaltend, was Bauaktivitäten anbelangt«, berichtet Todt aus eigener Erfahrung. Die großen Spitalsum- und Zubauprojekte, wo aufgrund der hohen Vorgaben und Anforderung, beispielsweise in puncto Hygiene, Oberflächenbeständigkeit und dergleichen, nahezu ausschließlich hochwertige Konstruktionen zum Einsatz kommen, sind zum überwiegenden Großteil abgeschlossen. Ebenso stehen augenblicklich auch kaum Kindergarten- oder Schulbauprojekt an, bei denen anspruchsvolle Lösungen gefragt sind. »Die Großbauprojekte im Infrastrukturbereich sind so weit fertiggestellt. Dieses Jahr gibt es eine Delle in Bezug auf die Auftragslage«, lautet die Einschätzung von Otto Ordelt, Geschäftsführer der Knauf GmbH. Doch es gibt auch positive Aussichten: »Aufgrund der Baubewilligungen und Impulse der öffentlichen Hand erwarten wir für 2016 bis 2020 einen wirtschaftlichen Aufschwung – vorwiegend im Wohnbau. Die Regierung scheint wieder erkannt zu haben, dass der Baubereich ein treibender Wirtschaftsmotor für Österreich ist«, so Ordelt weiter.

Die Gegenstrategien

»Es gibt seit Jahren einen latenten Preisdruck im Standardsegment. Wir wissen in der Zwischenzeit damit umzugehen. Ein Großteil unserer Plattensysteme ist aufgrund des Weitblicks der Architekten performancegetrieben«, bestätigt Ordelt. Das spricht für den Einsatz von höherwertigen Produkten und Systemlösungen und »beim Einsatz höherwertiger Systeme ergibt sich logischerweise auch eine höhere Ertragszahl«, so Ordelt. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an den trockenen Innenausbau laufend und deshalb setzen die Hersteller seit Jahren auf Forschung und Entwicklung als Grundlage für Produktinnovationen. »Unternehmen ohne Innovation können nicht überleben. Deshalb sind Forschung und Entwicklung ein wesentlicher Teil unserer integrierten, nachhaltigen Unternehmensstrategie«, erklärt Peter Leditznig. Ebenso sieht man das auch beim Marktbegleiter Knauf, der eigens zum Austausch von Ideen und Anregungen mit Kunden das »Knauf Ideenmanagement« ins Leben gerufen hat. »Auf verschiedenen Ebenen versuchen wir so, unser Wissen und das Wissen unserer Kunden zu verknüpfen. Dabei geht es nicht nur ausschließlich um die Verbesserung von Produkten, sondern beispielsweise ebenfalls um die Zusammenarbeit im Bereich der Zertifizierung und Normung oder auch um Logistikthemen «, sagt Otto Ordelt. Mit technischer Kompetenz die Verarbeiter unterstützen und gleichzeitig auch in Service- und Dienstleistungen investieren, lautet demnach eine der Gegenstrategien auf die Bauflaute und den Preisdruck. So hat sich beispielsweise auch Rigips des Themas Logistik angenommen und im vergangenen Jahr das Transporem Mobile Order Management eingeführt. Vom Flugleitsystem inspiriert, lassen sich damit die Warenströme vom Werk bis zur Baustelle optimieren. Rechtzeitig vor dem Eintreffen der Ware kommt eine SMS-Nachricht mit der voraussichtlichen Ankunftszeit. So bleibt genug Zeit, um die Mitarbeiter und Warenübernahme einzuteilen und den nötigen Platz auf der Baustelle zu schaffen. Zu den aktuellen Brancheninnovationen gehören immer wieder auch Produktentwicklungen, die in bislang unerschlossene Einsatzbereiche vorstoßen. Zu den jüngsten zählen beispielsweise spezielle, zementgebundene Trockenbauplatten für den Nassbereich, womit auch der Einsatz in dauerhaft intensiv feuchtebelasteten Räumen sichergestellt werden kann. Dank der hochwertigen Eigenschaften auch in Bezug auf den Schall- und Brandschutz eignen sich diese Produkte speziell auch für den Einsatz in anspruchsvollen Objekten, wie Schwimmbädern, Saunen oder Thermenlandschaften. Ebenso wird an der Verbesserung der bauphysikalischen Eigenschaften bzw. den Verarbeitungseigenschaften der Plattenware laufend gearbeitet und auch hier werden spezielle Systemlösungen entwickelt. Wie zum Beispiel Akustiksegel oder Akustiklochplatten, die sich dank fix fertiger Oberfläche ohne zeitaufwendiges Spachteln und Streichen einfach an der Decke montieren lassen. Bezogen auf die Marktpräsenz und Umsatzzahlen zwar in eher bescheidenem Umfang, zeigen diese speziellen Nischenprodukte im höherpreisigen Segment einen klaren Trend zu individuellen Lösungen. Trockenbausysteme in diesem Bereich dienen beispielsweise der Verbesserung des Innenraumklimas durch Gipskartonplatten, die in der Lage sind, Formaldehyd aus der Atemluft aufzunehmen und in inerte (unschädliche) Substanzen zu verwandeln. Zu den jüngsten Entwicklungen in diesem Gebiet zählt auch die sogenannte Strahlenschutzplatte. Dank Graphitkern ist diese in der Lage, annähernd 100 Prozent der niederfrequenten elektrischen Strahlung abzuschirmen.

Flexibilität als Erfolgsrezept

Die Trockenbaubranche bleibt innovativ und flexibel. Mit einer umfassenden Palette an Anwendungsmöglichkeiten und Einsatzbereichen deckt die Trockenbauindustrie heute ein breites Spektrum an Baulösungen im Innen- und zunehmend auch im Außenbereich ab. Laufend wird an der Erweiterung des Sortiments gearbeitet und immer öfter werden auch zusammen mit Verarbeitern und Kunden spezielle Lösungen bedarfsgerecht entwickelt.

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