Frachtcontainer sind nicht nur allgegenwärtige Symbole der Globalisierung, sondern lassen sich architektonisch zweckentfremden.
Sie sind 2,4 Meter breit, etwa 2,6 Meter hoch und in der kleineren, der 20-Fuß-Version, sechs Meter, in der größeren doppelt so lang. Und sie sind auf und an den Verkehrswegen der Welt zu Hause: Frachtcontainer sind in gewisser Weise die Grundelemente unserer globalisierten, weltweiten Warenwirtschaft. Geschätzte 17 Millionen dieser Stahlboxen bereisen nur mit kleineren Unterbrechungen unseren Planeten – auf Hochseefrachtern, Güterzügen und Lastwagen.
Unschlagbar günstig
2.400 Euro kostet die kleinere Frachtcontainervariante, gebraucht sind es gar nur halb so viel – ein unschlagbar günstiger Preis für knapp 40 wettersicher ummantelte Kubikmeter. Bei temporären Wohn- und Bürostätten kommen in Europa schon längst im Unterschied zu Frachtcontainern mit Holzelementen gefertigten Baucontainer mit unterschiedlichen Maßen zum Einsatz, doch zunehmend werden auch die »Ikonen der Globalisierung«, die großen Stahlkolosse des internationalen Warenverkehrs, als interessant wahrgenommen. Als normierte, zum Transport erschaffene Bausteine fordern sie zunehmend findige Architekten dazu heraus, auch als Baumaterial Verwendung zu finden.
Das Wohnen in diesen »Blechdosen« erscheint den wenigsten Menschen attraktiv, das könnte sich dank prestigeträchtiger Vorzeigebauten jedoch bald ändern. Denn eine wachsende Zahl von Architekten zeigt sich von den modularen, industriell gefertigten und günstigen Bausteinen fasziniert. Der Hannoveraner Architekt Han Slawik etwa forscht und sammelt seit mehreren Jahren zum Thema Containerarchitektur, und sein gemeinsam mit anderen Fachleuten veröffentlichter »Container Atlas« liefert auf über 250 Seiten Antworten auf wesentliche Planungsfragen bezüglich Konzeption, Gestaltung, Konstruktion, Statik und Ökonomie dieser originellen Bauweise.
Recycling als Trend
Im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion der letzten Jahre war die Wiederverwendung von Objekten und Material ohnehin einer der großen architektonischen Trends, und so fanden Frachtcontainer in einer wachsenden Zahl von – temporären und weniger temporären – Bauten Verwendung. Vor allem bei Bauten, die in kürzester Zeit und unter schwierigen Bedingungen errichtet werden müssen, können die perfekt von Kränen manipulierbaren Container ihre Stärken ausspielen, so etwa beim Kreuzfahrtschiffterminal im Hafen des südspanischen Sevilla. In nur 15 Tagen realisierten die Architekten eine luftige, trotz der »billigen« Bausteine nobel anmutende Containerarchitektur, die auch bei den Gästen der anlegenden Kreuzfahrtriesen für Begeisterung sorgte.
Containerluxus
Aber auch andere Projekte demonstrieren, dass die Nomaden der Globalisierung auch als sesshafte Gebäudehüllen gute Figur machen. Einige internationale Vorzeigeprojekt der Container-Freunde befinden sich dank leichter Transportfähigkeit sogar weiterhin auf Wanderschaft: Die von der italienischen Architektengruppe Lot-ek realisierte »PUMA City« verwandelte 24 Container in ein beeindruckendes Gebäudeensemble auf drei Stockwerken, in dem der Sportartikelhersteller seit 2008 an wechselnden Locations seine Kollektionen vorstellte.
Auch das Containerprojekt »Sleeping Around« befindet sich auf Wanderschaft, zumindest im heimatlichen Holland: Das edel designte Containerensemble ist ein Pop-up-Luxushotel, komplett mit Restaurant, Bar und Saunacontainer - hier liegt besonderes Augenmerk auf umweltfreundlicher Nachhaltigkeit.
Das wohl renommierteste realisierte Projekt stammt allerdings von der altehrwürdigen BBC: Die britische Sendeanstalt errichtete anlässlich der Fußball-WM 2010 um nur eine Million Pfund und besonders umweltfreundlich ein ganzes Sendestudio auf 18 ausrangierten Frachtcontainern, die zusätzlich als Büro-und Produktionsräume dienen. Man sieht: Mit Frachtcontainern als architektonische Elemente lassen sich nicht nur deprimierende Not- und Arbeitsunterkünfte, sondern auch ambitionierte, architektonisch anspruchsvolle Ideen verwirklichen.