Mittwoch, Februar 05, 2025

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher über ihren Entwurf zu einem Universalmietrecht, erklärt, warum die Kritik daran aus ihrer Sicht ins Leere geht und warum sie immer noch an die oftmals angekündigte Wohnbauoffensive glaubt.

Von Bernd Affenzeller

Report: Sie haben im Dezember einen viel diskutierten Entwurf für eine Mietrechtsnovelle präsentiert. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Eckpfeiler des Universalmietrechtsgesetzes?

Ruth Becher: Das Universalmietrecht ist einheitlich, einfach, transparent und flexibel. Es soll alle bisherigen Mietrechtsgesetze ersetzen und ist für den Anwender klar durchschaubar. Auf die Ausstattung des Hauses wird ebenso eingegangen wie auf den baulichen Zustand und die Lage.

Report: Kritiker bemängeln, dass das Mietrechtsgesetz in Österreich nur für eine kleine Minderheit gelte und deshalb eine Gesamtreform nicht nötig sei.

Becher: In Österreich leben rund 48 Prozent zur Miete, 52 Prozent leben im Eigentum. Wobei sich vor allem in den Ballungszentren ein gänzlich anderes Bild zeigt. Hier leben rund 70 Prozent zur Miete. Das Problem bislang ist, dass durch zahlreiche Novellen das Mietrecht sehr zerklüftet ist. Es kann sein, dass in einem einzigen Haus bis zu sechs verschiedene Rechtsvarianten zur Anwendung kommen. Das ist für durchschnittliche Mieter undurchschaubar. Da braucht es juristischen Beistand, um den Mietvertrag zu überprüfen. Und es hat sich ja beim Mietzins-Check der Arbeiterkammer gezeigt, dass rund 90 Prozent der Mieten falsch berechnet sind.

Report: Was wären aus Ihrer Sicht die konkreten Auswirkungen, wenn Ihr Entwurf umgesetzt wird?

Becher: Das Mietrecht in Österreich würde deutlich gerechter werden. Nicht nur für die Mieter, auch für die Vermieter. Denn das Gesetz belohnt ja auch Investitionen, die getätigt werden.

Report: Wie laufen die Gespräche mit dem Koalitionspartner?

Becher: Wir haben vereinbart, dass wir über die laufenden Gespräche keine Auskunft geben, sondern erst einmal sachlich und ruhig verhandeln. Und wenn wir ein Gesamtpaket haben, werden wir es gemeinsam vorstellen.

Report: Welchen zeitlichen Horizont stellen Sie sich vor?

Becher: Wir wollen noch vor dem Sommer eine Einigung erzielen. Ich habe meine Vorstellungen präsentiert. Die sind aber nicht in Stein gemeißelt. Wir gehen offen in die Verhandlungen und wollen ein gemeinsames Paket schaffen.

Report: Kritiker glauben, dass mit der Umsetzung Ihres Entwurfes das Angebot knapper werden und damit der Druck auf den Wohnungsmarkt weiter zunehmen wird. Was entgegnen Sie?

Becher: Ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Da geht es um Klientelpolitik von Interessenvertretungen. Man muss da auch klar unterscheiden. Das eine ist das Mietrecht und das andere ist das Wohnungsangebot. Dass der Markt mehr Angebot braucht, ist unbestritten.

Report: Aber kann es nicht sein, dass Sie die Basismiete mit 5,50 Euro/m2 zu niedrig ansetzen?

Becher: Gar nicht. Denn es geht ja darum, was sich die Leute leisten können. Wenn man weiß, dass das Medianeinkommen in Österreich um die 1.500 Euro beträgt, dann machen die 5,50 Euro/m2 zuzuzüglich Betriebskosten und Steuern im Schnitt rund ein Viertel des Einkommens aus. Außerdem sind die 5,50 Euro höher angesetzt als der jetzige Richtwert.

Report: Gerade in Wien gibt es ein sehr großes Angebot an Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen. Sind nicht die für das leistbare Wohnen zuständig? Müssen auch private Wohnungen in diesen Bereich fallen?

Becher: Natürlich müssen auch private Wohnungen leistbar sein. Nicht jeder kann in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung leben. Außerdem ist auch in den Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen das Ziel die soziale Durchmischung. Dann müssen aber auch im privaten Segment die Mieten leistbar sein.

Report: Kritiker verweisen gerne auf andere europäische Metropolen, wo die Preise deutlich höher sind. Ist Wien eine Insel der Seligen?

Becher: Ist es leider nicht mehr. Natürlich ist es im Vergleich besser. Man muss aber auch sagen, dass der Wohnungsmarkt in vielen Ländern Europas nicht funktioniert. In Italien etwa leben viele Menschen bis zum 40. Lebensjahr bei den Eltern, weil sie sich einfach keine eigene Wohnung leisten können. Das kann ja nicht unser Ziel sein.

Report: Wäre es nicht generell sinnvoller, das Angebot an leistbaren Wohnungen deutlichzu erhöhen und so automatisch preisdämpfend auf den Markt zu wirken?

Becher: Das ist keine Frage des Entweder-Oder. Der Wohnungsmarkt ist leider immer ein Nachfragemarkt und nie ein Angebotsmarkt. Das Angebot zu erhöhen, ist natürlich enorm wichtig. Wäre die Zweckbindung der Wohnbauförderung nicht 2002 abgeschafft worden, hätten wir heute ein funktionierendes Kreislaufsystem und müssten über viele Themen, die uns heute beschäftigen, gar nicht diskutieren.

Report: »Leistbares Wohnen« war das zentrale Thema der Nationalratswahl 2013. Alle Parteien waren sich einig, dass mehr Wohnungen gebaut werden müssen. Wohnbauoffensiven und Baukonjunkturpakete wurden angekündigt – passiert ist bislang nichts. Woran scheitert die Umsetzung eines All-Parteien-Konsenses?

Becher: Das ist nicht gescheitert, es wird nach wie vor verhandelt. Das Koalitionsprogramm ist ja auf fünf Jahre ausgerichtet und nicht auf ein Jahr.

Report: Aber eigentlich war vorgesehen, dass die Gelder schon 2015 und 2016 fließen.

Becher: Leider kann ich nicht mehr sagen. Es wird verhandelt und ich gehe auch davon aus, dass ein positives Ergebnis erzielt wird.

Report: Vor Weihnachten präsentierten die Bausozialpartner ihre eigene fünf Milliarden schwere Wohnbauoffensive. Jetzt hat Vizekanzler Mitterlehner über die BIG-Tochter ARE ein Zwei-Milliarden-Wohnbaupaket angekündigt, mit dem neben leistbaren Wohnungen auch Eigentumswohnungen errichtet werden sollen. Ist die Initiative der Bausozialpartner damit gestorben?

Becher: Das ist ein kleiner Teil des Gesamtpakets. Es ist nicht davon auszugehen, dass damit das Wohnbauprogramm abgeschlossen ist. Wie sinnvoll diese von Vizekanzler Mitterlehner präsentierte Maßnahme ist, wird dann zu beurteilen sein, wenn man im Detail weiß, welche und wie viele Wohnungen errichtet werden. Die Bauwirtschaft wird auf jeden Fall profitieren, ob damit wirklich auch leistbare Wohnungen geschaffen werden, bleibt abzuwarten.

Report: Wie stehen Sie zur Ankündigung der Wiener SPÖ, neue Gemeindebauten zu errichten?

Becher: Das ist natürlich eine sehr sinnvolle Maßnahme, weil die Situation am Wiener Wohnungsmarkt aktuell sehr angespannt ist. Und Gemeindewohnungen bedeuten immer sichere und leistbare Wohnungen. 


Hintergrund

Das neue Universalmietrechtsgesetz soll bundesweit gelten und alle bisherigen Teilregelungen ersetzen. Die vereinheitlichte Preisbildung greift bei allen nicht geförderten Wohnungen ab einem Bestandsalter von 20 Jahren. Der Mietpreis orientiert sich an einer definierten Normwohnung und einem gesetzlich klar definierten Katalog von preismindernden und preissteigernden Eigenschaften. Es soll außer der Preisbildung auch Fragen der Erhaltung, Verbesserungsarbeiten und Betriebskostenabrechnung regeln.

Weitere Infos: www.ruth-becher.at/mietenrechner/

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