Seit 2002 ist Felix Friembichler Geschäftsführer der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie. Ende des Jahres geht er offiziell in Pension, wird dem Verband aber weiterhin halbtags für einzelne Projekte rund um die Themen Heizen & Kühlen, Betonstraßen und Ausbildung zur Verfügung stehen. Im großen Abschiedsinterview zieht Friembichler Bilanz, geht hart mit der europäischen Politik ins Gericht und identifiziert die Herausforderungen der Zukunft.
Von Bernd Affenzeller
Report: Sie sind seit 2002 Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie und gehen mit Ende des Jahres in den Ruhestand. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichsten Meilensteine dieser zwölf Jahre?
Felix Friembichler: Da gibt es einige. Auf Verbandseite ist sicher der vollzogene Generationenwechsel ein wesentlicher Meilenstein. Wir haben heute sehr viele junge Mitarbeiter, die modern und innovativ denken. Aufseiten der Industrie sind es vor allem die Umweltthemen, die uns laufend begleitet haben und die die Unternehmen stark beanspruchen. Nicht nur finanziell, sondern auch administrativ. Stichwort: Emissionshandel. Das ist eine Riesenherausforderung und leider muss man nach zehn Jahren Emissionshandel etwas überspitzt sagen: Außer Spesen nichts gewesen. Der Emissionshandel funktioniert nicht so, wie man das erwartet hat, dass der Markt alles regelt. Im Moment sind die Zertifikate so billig, dass es überhaupt keinen Anreiz gibt, in Verbesserungsmaßnahmen zu investieren. Und besonders problematisch wird es, wenn so wie jetzt die EU und teilweise auch die Nationalstaaten beginnen, willkürlich in das System einzugreifen. Damit gerät ein System, das ohnehin schon nicht gut ist, vollends aus den Fugen.
Report: Inwieweit hat das Thema Emissionshandel den Verband in den letzten Jahren beschäftigt?
Friembichler: Schon alleine von den personellen Ressourcen hat der Emissionshandel die Verbandsarbeit ganz massiv beschäftigt. Aber der Verband steht nicht hier nicht im Vordergrund. Viel drastischer sind die Auswirkungen auf die Unternehmen. Es gibt kein einziges Zementwerk, das nicht zumindest einen Mitarbeiter ausschließlich für den Emissionshandel beschäftigt. Und die Frage muss erlaubt sein: Wofür?
Report: Sehen Sie Bewegung auf europäischer Ebene, dass es mittelfristig zu Änderungen im Emissionshandel kommt?
Friembichler: Es tut sich insofern etwas, als es ein schauderhaftes Feilschen um irgendwelche Ideen und Zielsetzungen gibt. Das sind politische Ziele, die zum Teil sehr weit weg sind von der technischen Machbarkeit. Was verschärfend hinzu kommt, ist die damit verbundene Rechtsunsicherheit. Das ist absolutes Gift und für eine positive Entwicklung ein absoluter Hemmschuh, nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines liberalisierten Welthandels. Man muss in unserem Wirtschaftssystem einfach akzeptieren, dass Investoren ihr Geld dort ausgeben, wo sie möglichst schnell einen Gewinn erwarten.
Report: Welche anderen Themen haben Ihre Amtszeit geprägt?
Friembichler: Neben dem Emissionshandel haben wir uns auch stark in dem Bereich Luftreinheit engagiert. In den heimischen Zementwerken sind Katalysatortechnologien im Einsatz, die weltweit führend sind. Ein anderes Thema, das uns immer wieder beschäftigt, ist die Mitverbrennung. Wir decken heute bereits 60 Prozent des Energiebedarfs mit Alternativbrennstoffen. Aber der Kampf um Alternativbrennstoffe ist europaweit entbrannt. Auch da gibt es, ähnlich wie beim Emissionshandel, eine europäische Richtlinie, aber deren Handhabung und Umsetzung ist national oft sehr unterschiedlich. Das ist schon auch ein Risiko, denn vor allem die multinationalen Unternehmen setzen auf Standorte mit weniger restriktiver Gesetzgebung. Das ist Faktum.
Report: Gibt es etwas, dass Sie gerne noch vollendet, abgeschlossen oder auf Kurs gebracht hätten?
Friembichler: Die Verbandsarbeit und damit auch meine Tätigkeit hat in den meisten Fällen keinen klaren Beginn und kein klares Ende. Das ist ein permanenter Prozess, den man bestmöglich vorantreiben muss. Dabei geht es natürlich um das Gemeinwohl, aber mit Maß und Ziel. Ich halte nicht viel vom exzessiven Lobbyieren, ohne nach links und rechts zu schauen. Was mich aktuell massiv beschäftigt, ist das Thema Bildung und Ausbildung. Leider ist der Wille der Politik zu Forschung und Ausbildung nicht sehr ausgeprägt. Es wird zwar sehr viel geredet, aber es passiert nichts. Dieses Thema wird die Wirtschafts- und Standortpolitik in den nächsten Jahren massiv beschäftigen. Es wird natürlich nötig sein, dass sich die Industrie und die Unternehmen einbringen und Geld in die Hand nehmen müssen. Das Beispiel Rohstoff-HTL in Leoben zeigt, wie es gehen kann.
Report: Sehen Sie die Bereitschaft der Unternehmen, sich in diesem Bereich zu engagieren?
Friembichler: Die Bereitschaft wächst mit der Erkenntnis, dass das Know-how, das die Unternehmen brauchen und wollen, schon lange nicht mehr von der Allgemeinheit finanziert und zur Verfügung gestellt wird.
Report: Die Branche sieht sich mit einigen zentralen Herausforderungen konfrontiert: Energieeffizienzgesetz, CO2- Ausstoß, Krisenstimmung, etc. Wie bewerten Sie die Zukunftsaussichten für die Zementbranche in Österreich/Europa?
Friembichler: Die abgesetzte Zementmenge wird sich nicht viel nach oben bewegen, mehr als ein moderates Wachstum wird nicht möglich sein. Österreich ist im Wesentlichen gebaut. Die ganz großen Projekte der Vergangenheit wird es nicht mehr geben. Dazu kommen die speziellen Herausforderungen für unsere Industrie wie die Ressourcen- und Energieeffizienz und generelle Megatrends wie die Verstädterung und das damit verbundene Verkehrsproblem. Es wird also sicher nicht einfach, aber ich sehe für unsere Branche schon auch für die Zukunft gute Chancen. Die Themen Urbanisierung und Mobilität bedeuten zwangsläufig auch bauliche Aktivitäten. Und dafür sind wir mit unserem Produkt gut gerüstet. Und ich glaube auch nicht, dass Europa in Zukunft mit Grundstoffen aus Asien oder Amerika versorgt wird. Die wahnwitzige Überregulierung könnte natürlich schon zum Problem werden. Wir können nicht immer den Musterschüler spielen, ohne auf die Effizienz zu schauen. Die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein. Aber gerade lokal verhaftete Unternehmen werden ihre Position wesentlich länger verteidigen als die Multis. Diesen Effekt sollte man nicht unterschätzen. Die lokale Wirtschaft ist das Um und Auf.
Report: Welche Auswirkungen wird die geplante Holcim-Lafarge-Fusion auf den Zementmarkt haben?
Friembichler: Das ist aus heutiger Sicht kaum abschätzbar. Ich bin ehrlich gesagt auch skeptisch, ob die handelnden Personen die Auswirkungen bis ins letzte Detail geprüft haben. Ich habe die Befürchtung, dass es bei dieser Fusion ausschließlich um Gewinn geht. Die Auswirkungen auf Österreich werden überschaubar sein. Denn für die bestehenden Zementwerke in Österreich ist sowohl der Bedarf gegeben als auch die Leistungsfähigkeit.
Report: Was lässt sich jetzt schon zum Geschäftsjahr 2014 sagen?
Friembichler: Es besteht die Hoffnung, dass wir das Ergebnis von 2013 auch 2014 erreichen. Wir haben ein Produkt, mit dem wir leider kaum einen Markt kreieren können. Wir sind ausschließlich von der Nachfrage abhängig.
Report: Teilen Sie die Befürchtung vieler Branchenkollegen, dass die zahlreichen auslaufenden Großprojekte vor allem im Großraum Wien der Bauwirtschaft eine empfindliche Delle zufügen werden?
Friembichler: Eigentlich nicht. Natürlich sind es die großen Projekte, die gesehen werden und weithin strahlen. Aber die Grundauslastung kommt von der Fläche. Stimmt die Grundauslastung nicht, können auch die Großprojekte nichts retten. Außerdem wird die Dimension der Großprojekte sehr oft überschätzt.
Report: Wie sehen Ihre Erwartungen für 2015 aus?
Friembichler: Sollte Ende 2015 wieder ein Nullwachstum stehen, wäre das schon ein kleines Wunder. Ich erwarte keine katastrophale Entwicklung, aber derzeit sind leider fast alle Indikatoren negativ. Die Auslastung der Werke ist nicht gut und das kann zu einem Problem werden.