Wenn sich Bauindustrie und Baugewerbe regelmäßig ins Gehege kommen, geht’s der Wirtschaft schlecht. Meist haben beide aber dieselben Sorgen und Interessen, etwa beim Vergaberecht. Da zeigen die sozialpartnerschaftlichen Bemühungen erste Erfolge. Bei ÖBB und Asfinag stehen die Zeichen auf Bestbieterprinzip.
Industrie und Gewerbe sind in der Wirtschaftskammer klar getrennt. Die Sparte Industrie und die Sparte Gewerbe und Handwerk haben innerhalb der Kammer nur wenig Berührungspunkte. Eine Ausnahme stellt die Bauwirtschaft dar. Dort sind die Bundesinnung Bau für das Baugewerbe und der Fachverband der Bauindustrie unter dem Dach der Geschäftsstelle Bau vereint. »Die Bauwirtschaft hat das Synergiepotenzial zwischen Industrie und Gewerbe erkannt. Deshalb wurden beide Bereiche in der Geschäftsstelle Bau zusammengeführt «, heißt es seitens der Kammer. Zwar setzen beide Interessenvertretungen gelegentlich andere Schwerpunkte, Konfliktlinien gibt es dadurch aber kaum, wie Michael Steibl, Geschäftsführer des Fachverbandes der Bauindustrie und stv. Geschäftsführer der Geschäftsstelle Bau, erklärt: »Durch eine gemeinsame Aufbereitung der Themen im Vorfeld vermeiden wir interne Konflikte und können nach außen mit einer Stimme sprechen.«
Indiz für schwere Zeiten
Ins Gehege kommen sich Industrie und Gewerbe vor allem dann, wenn die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht die besten sind. »Dass es einen Wettbewerb gibt, verlangt schon der Markt. Aber es ist ein Indiz für wirtschaftlich schwierige Zeiten, wenn die Bauindustrie plötzlich im Einfamilienhausbereich mitmischt«, sagt Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel. Umgekehrt kommt es aber auch immer wieder vor, dass sich mehrere Gewerbebetriebe zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen und größere Bauaufträge abwickeln. Dazu kommt, dass eine Trennung zwischen Industrie- und Gewerbebetrieb nicht immer sauber möglich ist. Die Überlappungsbereiche sind enorm, es gibt große Unternehmen, die sich als Gewerbe verstehen, und deutlich kleinere, die sich als Industrie sehen. »Die Unterscheidung zwischen einem Gewerbeauftrag und einem Industrieauftrag gibt es ohnehin nur in den Köpfen einzelner Marktteilnehmer «, sagt Steibl. In der Realität sei bei jedem mittelgroßen Auftrag davon auszugehen, dass Industrie und Gewerbe aufeinandertreffen. Nur mit Großaufträgen allein findet auch die Bauindustrie kein Auslangen. In der Regel macht auch in derBauindustrie das Kleingeschäft in der Fläche mehr als 50 Prozent des Umsatzes aus.
An einem Strang ziehen
Dennoch haben beide Seiten Verständnis dafür, dass das Gegenüber nicht unbedingt glücklich ist, wenn im vermeintlichen Nachbarteich gefischt wird. »Natürlich kann ich verstehen, dass ein Baumeister unzufrieden ist, wenn sich große Industrieunternehmen um dieselben Aufträge bemühen wie der lokale Platzhirsch.« Das gilt aber auch für Industrieunternehmen, die sich bei Großaufträgen plötzlich über Konkurrenz aus dem gewerblichen Lager ärgern. Das ändert nichts daran, dass sich Interessen und Sorgen in den meisten Fällen decken. Themen wie ein neues Vergaberecht, Preisdumping oder Schwarzarbeit beschäftigen Industrie und Gewerbe gleichermaßen. »Deshalb ist es auch wichtig, dass wir hier an einem Strang ziehen«, ist Frömmel überzeugt. Erst vor kurzem hat der Fachverband der Bauindustrie beschlossen, die von Bundesinnung und Gewerkschaft Bau-Holz gegründeten Initiative »Faire Vergaben« aktiv zu unterstützen, um das Bestbieterprinzip zu forcieren. Ein naheliegender Schritt, denn laut Steibl sind Qualifikation, Technologie und Know-how die größten Stärken der heimischen Bauindustrie. »Diese Stärken kann man aber nur unter den richtigen Rahmenbedingungen ausspielen. »Die Fähigkeit, mit höchster Qualität zu bauen, bringt nichts, wenn es dafür keine Nachfrage gibt«, sagt Steibl. Recherchen des Bau & Immobilien Report ergaben, dass die Gespräche mit den zentralen Auftraggebern sehr positiv verlaufen. Läuft alles nach Plan, könnten sowohl die ÖBB als auch die Asfinag noch in diesem Jahr vom Billigst- zum Bestbieterprinzip wechseln. Darüber freuen sich dann Industrie und Gewerbe. Denn wenn ÖBB und Asfinag mit gutem Beispiel vorangehen, sollte das Auswirkungen auf die gesamte Vergabekultur haben.